10.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 8

Manfred TodtenhausenFDP - Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2019

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und vor allen Dingen: Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir haben gerade den Redebeitrag der AfD gehört. Seien Sie versichert: Ich habe da eine ganz andere Betrachtungsweise. Ich finde dieses Medium viel zu wichtig, um es für Polemik zu nutzen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir reden heute über ein wichtiges Bürgerrecht. Sie alle haben das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an dieses Parlament zu wenden.

(Tino Chrupalla [AfD]: Das konnten sie in der Volkskammer auch!)

So steht es sogar im Grundgesetz. Das Petitionsrecht ist für alle Bürgerinnen und Bürger gedacht, die sich ungerecht behandelt fühlen oder Einfluss auf parlamentarische Arbeit nehmen wollen. Aber selbst wenn Petitionen von Vereinen, von einer Landeskirche oder von einem Unternehmen kommen, kümmern wir uns darum. Das alles hat es in dieser Wahlperiode schon gegeben. Egal von wem die Eingabe kommt, wir bearbeiten jede.

Leider wird immer wieder der Eindruck erweckt – wir haben Ähnliches gerade schon gehört –, dass man mindestens 50 000 Unterschriften braucht, damit der Petitionsausschuss eine Petition annimmt oder wir tätig werden. Das ist falsch. Eine einzige Unterschrift genügt, Ihre Unterschrift genügt. Jede Petition bekommt die gleiche Beachtung.

(Beifall des Abg. Dr. Marco Buschmann [FDP])

Der Unterschied ist der: Wenn eine Petition mehr als 50 000 Unterschriften erhält, wird sie im Petitionsausschuss öffentlich beraten. Wir laden dann die Petenten und Regierungsvertreter ein. Außerdem übertragen wir die Anhörung im Parlamentsfernsehen, sodass sie jeder mitverfolgen oder später abrufen kann.

An dieser Stelle auch mal ein großes Lob. Wir freuen uns ja immer, wenn Staatssekretäre oder Abteilungsleiter als Regierungsvertreter zu uns kommen. Ich muss aber einmal Jens Spahn loben; denn dieser Minister war bereits zweimal persönlich bei uns. Das hinterlässt natürlich einen ganz anderen Eindruck.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dies könnte Vorbild für andere Ministerinnen und Minister sein. Wir würden uns jedenfalls darüber freuen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Völlig berechtigt, das Lob!)

Bei unseren öffentlichen Anhörungen zeigt sich: Der Petitionsausschuss drückt sich auch nicht vor schwierigen Themen; wir haben einige gerade schon gehört. Zum Beispiel haben wir über den UN-Migrationspakt öffentlich gesprochen, über die Forderung, den Holodomor in der Ukraine als Völkermord anzuerkennen, und auch darüber, ob man Taiwan als eigenständiges Land diplomatisch anerkennen sollte. Eines muss man klar sagen: Der Petitionsausschuss trifft keine politische Entscheidung – die Erwartung haben manche –; aber er weist die Regierung auf Missstände hin.

Letztes Jahr forderte eine junge Frau – wir haben das schon gehört –, den Mehrwertsteuersatz auf Tampons und Binden zu senken. Wir haben das öffentlich beraten. Der besondere Erfolg besteht nicht nur darin, dass es durchgesetzt wurde, sondern auch in der kurzen Zeit, die es gebraucht hat, bis dieses Gesetz in Kraft getreten ist, nämlich weniger als elf Monate. Für ein normales Gesetzgebungsverfahren ist das wirklich sehr schnell.

In letzter Zeit erreichen uns aber auch zahlreiche Petitionen, in denen Probleme beschrieben werden, die sich aus Coronamaßnahmen ergeben haben, zum Beispiel aus der Reisebranche oder von Schaustellern. Ich finde, wir müssen uns Gedanken über ein Express-Petitionsverfahren machen; denn das übliche Petitionsverfahren dauert manchmal zu lange. Deshalb brauchen wir eine Überholspur für zeitaktuelle Petitionen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Im Mai haben zum Beispiel Soloselbstständige, unter anderem Unternehmensgründer und Künstler, eine Petition zum Thema Coronahilfen eingereicht. Sie fordern die Regierung auf, neben laufenden Betriebskosten auch den Lebensunterhalt, Miete und Krankenversicherung als notwendige Ausgaben anzuerkennen. Eines ist sicher: Den Soloselbstständigen muss jetzt geholfen werden, und nicht erst, wenn die Pandemie vorbei ist.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Anhörung dazu ist leider erst im Dezember möglich – so sind die Regularien –, und das kann für viele Betroffene schon zu spät sein.

Wir waren uns letztes Jahr im Petitionsausschuss einig, dass sich der Bund an der Rettung der Schwimmbäder beteiligen sollte, damit weiterhin alle Kinder schwimmen lernen – so eine Petition der DLRG. Die Regierung sollte sich daran halten, damit wir in Zukunft weniger tödliche Badeunfälle haben.

Der Ausschuss ist sich nicht immer einig – das muss man auch mal klarstellen –, und auch nicht jeder Petent bekommt eine Lösung nach seinen Vorstellungen. Man kann dem Petenten dann aber sagen, er sollte nicht entmutigt sein; denn wenn sich die Zusammensetzung der Bundesregierung durch eine Wahl ändern sollte – wir haben ja bald eine –, hat er die Möglichkeit, die gleiche Petition noch einmal einzureichen. Je nachdem, wie die Mehrheitsverhältnisse sind, kann sich dann auch das Ergebnis ändern.

Viele Petenten ärgern sich darüber, dass sie lange nichts vom Ausschuss hören, nachdem sie ihre Petition eingereicht haben; wir haben das schon gehört. Wir müssen schneller und besser werden. Wir brauchen ein Onlineangebot, sodass der Petent jederzeit einsehen kann, wie der Sachstand seiner Petition ist; Kollege Schwartze hat etwas Ähnliches gesagt. Ich glaube, wir sind alle dieser Meinung.

Die allermeisten Petitionen beraten wir übrigens nicht öffentlich. Das wäre sonst zu viel. Wir haben es gehört: 13 000 Petitionen gab es im vergangenen Jahr. Es wäre gar nicht möglich, das alles öffentlich zu behandeln. Deshalb mein herzlicher Dank an alle, die hinter den Kulissen daran gearbeitet haben. Das sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Petitionsausschusses, der Fraktionen und natürlich unsere Abgeordneten, die auch eine hervorragende Arbeit leisten.

Ich komme zum Schluss. Ja, liebe Kollegen, ich möchte mich auch bei Ihnen bedanken, bei den Kollegen aus allen Fraktionen, für die kollegiale Zusammenarbeit, für das Streiten für den Petenten und für die Suche nach gemeinsamen Lösungen. So, wie wir das untereinander machen, gibt es das in keinem anderen Ausschuss. Wir diskutieren sachorientiert. Es geht um den Petenten, um die Sache. Wir wollen gemeinsam möglichst vielen Menschen helfen. Das soll so sein, und das muss auch so bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Kassner, Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7468925
Wahlperiode 19
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2019
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