10.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 20

Reinhard HoubenFDP - Marktwirtschaft - Einführung einer Beteiligungsbremse

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Peter Altmaier danken, dass er an dieser Debatte teilnimmt. Es ist durchaus ungewöhnlich, dass ein Bundesminister sich zu einem Antrag der Opposition im Plenum äußert. Da aber so viele Gesetzgebungsvorhaben aus dem Wirtschaftsministerium nicht so richtig vorankommen – ich sage nur: Postnovelle oder Weltraumgesetz –, haben Sie vielleicht auch ein bisschen Redebedarf.

Der aktuelle Beteiligungsbericht der Bundesregierung listet 104 unmittelbare Unternehmensbeteiligungen auf, außerdem nicht weniger als 433 mittelbare Beteiligungen. Dazu gehören zum Beispiel Post, Telekom und Bahn, aber auch der 0,05-Prozentanteil des Bundes an der Wankendorfer Baugenossenschaft in Itzehoe. Insbesondere seit dem Amtsantritt von Ludwig Erhards selbsternanntem Erben, hier auf der Regierungsbank, sind staatliche Beteiligungen in Mode gekommen. Während die Privatisierung zum Erliegen gekommen ist,

(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist schon mal gut!)

beteiligen wir uns an 50Hertz, Lufthansa, CureVac. Eine Beteiligung an TenneT dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.

In keinem dieser Fälle wäre eine staatliche Beteiligung zwingend gewesen. Im Falle von 50Hertz hätte sich zweifellos ein privater europäischer Investor gefunden.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wir wollten das aber!)

Viele Staaten haben Fluglinien ohne staatliche Beteiligungen gerettet. Das wäre auch für die Lufthansa eine Option gewesen. Eine staatliche Beteiligung ist auch keine Grundvoraussetzung für den Erfolg bei der Suche nach einem Covid-19-lmpfstoff.

(Beifall bei der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Dass es diese Reden noch gibt, nicht schlecht! Als ob nichts passiert wäre!)

Bei Peter Altmaier und der Bundesregierung sitzt das Geld jedoch sehr locker. Es ist auch nicht das eigene. Die Zinsen sind im Moment zum Glück sehr niedrig. Vielleicht befassen wir uns demnächst auch noch mit dem Einstieg bei TUI oder thyssenkrupp.

Aber diese Investitionen sind langfristig nicht sinnvoll. Sie binden Kapital, das besser an anderer Stelle eingesetzt würde. Wer Deutschlands künftige Innovations- und Wohlstandsmotoren fördern will, beteiligt sich nicht an Telekom, Post und Commerzbank, sondern schafft bessere Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft.

(Beifall bei der FDP)

Auf den Zukunftsfonds, meine Damen und Herren, warten wir hingegen bis heute, obwohl viele deutsche Unternehmen und Start-ups händeringend Wagniskapitalgeber in Deutschland suchen. Wann folgt Ihre Initiative?

(Beifall bei der FDP)

Staatsbeteiligungen verzerren den Wettbewerb. Der Einstieg des Bundes bei CureVac beispielsweise wirkte wie eine offizielle Kaufempfehlung zugunsten eines einzelnen Unternehmens. Eine bessere Werbung im Vorfeld des Börsenganges hätte man sich in Tübingen kaum vorstellen können.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Das läuft richtig gut, bei Krankenhäusern und so!)

Selbstverständlich wünsche ich CureVac viel Erfolg bei der Suche nach einem Covid-19-lmpfstoff und darüber hinaus.

(Beifall bei der FDP)

Aber es ist nicht die Aufgabe des Staates, sich derart vor den Karren einzelner Unternehmen spannen zu lassen, erst recht nicht, wenn es in Deutschland und Europa zahlreiche andere Unternehmen gibt, die Ähnliches leisten wie CureVac.

(Beifall bei der FDP – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Warum steigt der Staat da nicht ein!)

Die Beteiligung an der Lufthansa war wettbewerbspolitisch sogar so problematisch, dass die Rettung der Airline beinahe gescheitert wäre; denn die Wirkung der Beteiligung auf andere Investoren ist doch klar: Erstens. Das Unternehmen hat privilegierten Zugang zu Entscheidungsträgern der Bundesregierung. Das belegt beispielsweise der Umgang der Bundesregierung mit der Deutschen Post.

Zweitens. Das Unternehmen steht unter deutlich weniger Wettbewerbsdruck. Die Erfahrung lehrt, dass Staaten bei eigenen Beteiligungen meist bereit sind, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen.

(Beifall bei der FDP)

Und, meine Damen und Herren, man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass man dem Unternehmen selbst einen Gefallen tut. Staatsunternehmen und solche mit Beteiligung sind selten wirkliche Innovationstreiber, eben weil sie sich auf dem Privileg der Beteiligung, dem Schutz der Regierung, ausruhen können. Und wer den Wettbewerb schwächt, meine Damen und Herren, schwächt auch Innovation.

(Beifall bei der FDP)

Gerade das aber kann sich Deutschland nicht erlauben, wenn wir aus der Krise schnell herauskommen und internationalen Konkurrenten Paroli bieten wollen.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ich glaube, der Staat ist nicht das Problem!)

Wir Freie Demokraten sind daher der Überzeugung, dass wir umsichtiger mit Beteiligungen umgehen müssen. Es geht nicht darum, alle staatlichen Beteiligungen pauschal zu verdammen.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ganz genau! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das klang aber so die ganze Zeit!)

Wir stellen den Sinn von Beteiligungen nicht generell infrage. Insbesondere brauchen wir auch ausreichend Spielraum für Krisenlagen.

(Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])

Sowohl im Falle Lufthansa als auch bei CureVac war die Staatsbeteiligung nicht alternativlos, aber wir schließen nicht aus, dass Beteiligungen in Extremsituationen notwendig sein könnten.

(Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Das ist das Problem!)

Daher schlagen wir vor, dass der Bundestag in außerordentlichen Lagen diese Beteiligungsbremse auch temporär aussetzen kann. Uns geht es nicht um eine Vollbremsung, sondern um eine kontrollierte Rückkehr auf den Pfad der sozialen Marktwirtschaft. Das bedeutet, dass wir insbesondere die Leichtfertigkeit eindämmen müssen, mit der staatliche Beteiligungen eingegangen und gehalten werden.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Mann! Mann! Mann! – Gegenruf der Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP]]: Frau! Frau! Frau!)

Wir wollen, dass in Zukunft besser investiert wird, nämlich dort, wo es tatsächlich notwendig und zielführend ist.

(Beifall bei der FDP)

Die von uns vorgeschlagene Beteiligungsbremse sieht daher insbesondere Folgendes vor: Für jede neue Staatsbeteiligung muss innerhalb eines Jahres eine bestehende Beteiligung beendet werden.

(Lachen des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])

Der Wert der veräußerten Beteiligung muss mindestens dem der neuen Beteiligung entsprechen.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Um Gottes willen!)

So schaffen wir einen Anreiz, bestehende Beteiligungen immer wieder auf ihren Sinn zu überprüfen. Das braucht eine soziale Marktwirtschaft als permanenten Prozess. Ich bitte daher um Ihre Unterstützung für unseren Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Oh Mann! Oh Mann! – Jan Korte [DIE LINKE]: Es läuft wirklich nicht gut bei der FDP! Es läuft nicht!)

Jetzt erteile ich das Wort dem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7468936
Wahlperiode 19
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Marktwirtschaft - Einführung einer Beteiligungsbremse
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