10.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 10

Carl-Julius CronenbergFDP - Arbeitsschutzkontrollgesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft, weil wir im großen Konsens der Auffassung sind, dass die Missstände bei Arbeitsschutz, Unterbringung und Entlohnung endgültig beendet werden müssen. Tausende Beschäftigte erleben tagtäglich unhaltbare Zustände – Hubertus Heil hat es beschrieben –; Hunderte anständige Betriebe leiden unverschuldet unter Imageverlust.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Arbeitsschutz gehört zur DNA der sozialen Marktwirtschaft. Davon profitieren wir alle: Beschäftigte, Unternehmen und Verbraucher. Schauen wir uns die Missstände und Kernelemente des Gesetzentwurfs näher an.

Die umfangreichen Kontrollen in NRW haben gezeigt: Die meisten Verstöße liegen gegen das Arbeitszeitgesetz vor. Hier greifen Sie den Vorschlag des FDP-Sozialministers Heiner Garg aus Schleswig-Holstein auf und verpflichten Betriebe zur elektronischen Zeiterfassung; das ist richtig und gut so.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU] – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht die FDP gut!)

Das nächste große Problem ist die Unterbringung meist ausländischer Beschäftigter in Sammelunterkünften. Insbesondere im Umfeld der sehr großen Fabriken ist geradezu ein Missbrauchssumpf entstanden. Die Wohnverhältnisse sind jenseits aller Standards – der Minister hat es geschildert –, und dazu kommt Mietwucher. Aber hier liefert mir der Gesetzentwurf zu wenig. Niemand zieht nur deshalb um, weil er nicht mehr beim Werkvertragsunternehmer beschäftigt ist. Hier erwarten die Freien Demokraten mehr als eine Klarstellung.

(Beifall bei der FDP)

Praktisch alle Missstände in der Branche resultieren allerdings schon heute aus Verstößen gegen Recht und Gesetz. Die unhaltbaren Zustände sind Folge aus einem Mix von Weggucken und ebenso zahnlosen wie unzureichenden Kontrollen, und das schon seit Jahren, nicht erst seit Corona; das wurde erwähnt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir haben keinen Mangel an Regulierung, sondern einen Mangel an Rechtsdurchsetzung. Mit Verlaub: Auch bei ein paar mehr Kontrollen, wie sie heute laufen, werden die schwarzen Schafe in der Branche Ihnen immer einen Schritt vorausbleiben. Da reichen Ausschüsse und Bundesfachstellen in Berlin nicht aus. Bringen Sie Ordnung in den Zuständigkeitswirrwarr der Behörden, und vernetzen Sie effektiv die Kontrollbehörden in einer Taskforce Fleisch.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Nächster Punkt: Verbot von Zeitarbeit. Sie wissen doch genau, dass Zeitarbeiter voll im betrieblichen Arbeitsschutz integriert sind und auch nach Tariflohn bezahlt werden. Es geht offensichtlich nicht mehr nur um Arbeitsschutz, sondern auch um das Verbot eines bewährten, aber bei Ihnen politisch ungeliebten arbeitspolitischen Instruments. Damit treffen Sie empfindlich Handwerk und Mittelstand.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wie wollen Sie den Herstellern von Nürnberger Rostbratwürstchen – das wurde gerade schon erwähnt – erklären, dass sie zur nächsten Grillsaison ihre Produktion nicht mehr hochfahren können?

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Wie können Sie von der CDU zulassen, dass der Wursthersteller aus dem Sauerland für die nächste Salamisonderaktion bei einer Lebensmittelkette kein Angebot mehr abgeben kann, weil er die Belegschaft nicht mehr vorübergehend aufstocken darf?

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beschäftigte können auch befristet eingestellt werden! Wo ist das Problem?)

So stärken Sie die Marktmacht der Fleischkonzerne. Das können Sie nicht ernsthaft wollen.

(Beifall bei der FDP)

Und kommen Sie nicht mit dem Argument: Der Dorfmetzger sei raus; das Gesetz gelte erst ab 50 Mitarbeitern. – Hunderte erfolgreiche und anständige Handwerksbetriebe und Fleischverarbeiter von Schleswig-Holstein bis ins Allgäu liegen über dem Schwellenwert. Denen müssen Sie dann erklären, warum Sie mit den Big Five der Fleischindustrie in einen Topf geworfen werden. Die Abgrenzung allein anhand der Mitarbeiterzahl trifft die Falschen. Hier werden Sie nachbessern müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Unverständlich bleibt, dass Sie nicht den Tarifpartnern die Chance geben, einen Flächentarif mit anschließender Allgemeinverbindlichkeit zu vereinbaren.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Anlauf dazu gibt es doch schon! Da ist man sich nicht näher gekommen! – Zuruf von der SPD: Die wollen gar nicht!)

Die Sozialpartner können verlorenes Vertrauen wiederherstellen und vor allem Rechtssicherheit schaffen. Nie war die Gelegenheit dazu günstiger als jetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Es geht um vollen Arbeitsschutz für alle Beschäftigten und fairen Wettbewerb für anständige Unternehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Carl-Julius Cronenberg. – Um was geht es?

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der Kollege Ernst wollte eine Zwischenfrage stellen!)

– Aber wer zu spät kommt, den bestraft die Präsidentin. Tut mir leid, er ist fertig. Vielleicht gibt es ja eine andere Möglichkeit.

Nächste Rednerin: Amira Mohamed Ali für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7468959
Wahlperiode 19
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Arbeitsschutzkontrollgesetz
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