10.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 11

Norbert MüllerDIE LINKE - Ganztagsbildung im Grundschulalter

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Grünen gebührt der Dank, heute diesen Antrag hier vorgelegt zu haben; da will ich mich von meiner Vorrednerin klar abgrenzen. Ich finde vieles in dem Antrag der Grünen zum Rechtsanspruch auf Ganztag im Grundschulalter gut und richtig. Aber – aber! – was wir in dieser Debatte eigentlich gar nicht mehr gebrauchen können und was ich echt auch nur noch schwer aushalte, sind Sonntagsreden der Redner der Koalition darüber, wie man den Ganztag jetzt mal machen müsste.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Werte Bundesregierung, liebe Koalitionsfraktionen, es ist euer Job, hier einen Rechtsanspruch zu schaffen. Wir warten seit drei Jahren, dass das endlich ins Verfahren kommt, nachdem im Koalitionsvertrag Anfang 2018 geregelt wurde – ich lese Ihnen das gerne noch mal vor –:

Wir werden einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter schaffen.

Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass das der Koalitionsvertrag für die 19. und nicht für eine x-beliebige spätere Wahlperiode ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat die Bundesregierung vor fast einem Jahr das Sondervermögen für den Ganztagsausbau aufs Gleis gehoben und inzwischen sogar noch mal Geld nachgeschoben. Aber woran hängt es denn nun, dass der Rechtsanspruch heute hier nicht vorliegt? Der Kollege Matthias Seestern-Pauly von der FDP hat gesagt: Man muss aufpassen, dass man aus den Fehlern lernt, die beim Kitaausbau gemacht worden sind. – Ich würde das umdrehen, lieber Matthias. Ich würde sagen: Die Bundesregierung hat aus dem gelernt, was beim Kitaausbau passiert ist. Die haben das nur nicht als Fehler verstanden. Sie haben den Rechtsanspruch beschlossen, sich dafür kräftig auf die Schultern klopfen lassen, schöne Sonntagsreden gehalten, aber die Kohle im Wesentlichen nicht mitgegeben, mit der Konsequenz, dass den Kitaausbau bezahlen durften: Länder, Kommunen, Eltern – über zum Teil völlig überteuerte Elternbeiträge – und die Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen mit schlechten Arbeitsbedingungen und viel zu geringen Gehältern. Die haben den Kitaausbau bezahlt. Wenn der Plan ist, dass das beim Ganztagsausbau, beim Rechtsanspruch auf Ganztag im Grundschulbereich, genauso laufen wird, Frau Ministerin, dann werden die Länder das nicht mitmachen. Ich verstehe an der Stelle, ehrlich gesagt, auch, dass sie nicht bereit sind, dieselbe Nummer noch mal mitzumachen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn der Rechtsanspruch auf Ganztag nun kommt und Sie sich verständigen können, dann eben nur, wenn die Bundesregierung tiefer in die Tasche greift. Das wird aus den genannten Gründen anders gar nicht gehen. Abgesehen davon wissen wir, wie die Pandemie insbesondere in die kommunalen Haushalte reinhaut. Das heißt, der Bund kann sich eben nicht damit begnügen, weniger als 50 Prozent der Investitionskosten für die baulichen Maßnahmen, für die Umsetzung des Ganztages zur Verfügung zu stellen; da wird deutlich mehr fließen müssen. Und ja, wir müssen auch über Betriebskosten und Personal reden, aber nicht nur darüber reden. Am Ende werden Sie das Geld dafür mitliefern müssen, damit das Ganze kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Was brauchen wir? Erstens. Wir brauchen – das habe ich jetzt ausführlich beschrieben – endlich Ihren Vorschlag für die Umsetzung des Rechtsanspruches, damit wir von den Sonntagsreden wegkommen. Zweitens. Wir brauchen verbindliche Qualitätsstandards, damit nicht das Gleiche passiert wie beim Kitaausbau, das heißt eine Verbindlichkeit bei der Fachlichkeit, das heißt gesetzliche Regelungen, wie viele Fachkräfte pro Kind oder wie viele Kinder pro Fachkräfte. Das heißt, wir müssen die Beitragsfreiheit von vornherein mitdiskutieren. Und das heißt: Wir brauchen ausreichend Fachkräfte. Selbst die Koalition hat im Koalitionsvertrag ja schon festgeschrieben, dass die Herausforderungen beim Ganztag nur umsetzbar sein werden, wenn ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen; das steht wenige Absätze davor. Ich hoffe, das ist nicht die Hintertür, um am Ende zu sagen: Der Rechtsanspruch kommt nicht.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Was in der Debatte fehlt, ist die Perspektive der offenen Kinder- und Jugendarbeit – das hat hier noch niemand gesagt –

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Das haben alle Fraktionen erwähnt! Es haben alle darüber gesprochen!)

der Jugendverbände, der Sportverbände. Wir müssen aufpassen, dass die am Ende beim Ganztag nicht hinten runterfallen. Deswegen sage ich: Guter Ganztag heißt auch, dass offene Kinder- und Jugendarbeit in den Kommunen am Ende nicht hinten runterfallen darf. Die Arbeit der Jugendverbände, der Sportvereine usw. usf. muss weiter ermöglicht werden. Aber als Allererstes brauchen wir Ihren konkreten Vorschlag, wie das Ganze gehen soll, damit wir konkreter weiterdiskutieren können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Charlotte Schneidewind-Hartnagel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielen Dank. – Letzte Rednerin in der Debatte für die Fraktion der CDU/CSU ist die Kollegin Dr. Silke Leunert.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7468987
Wahlperiode 19
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Ganztagsbildung im Grundschulalter
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine