Uli GrötschSPD - Aktuelle Stunde – Extremismus bekämpfen
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist nicht die Debatte, in der man abwägen oder darüber diskutieren muss, was jetzt hier schlimmer ist, Linksextremismus oder Rechtsextremismus. Aber einen Satz erlauben Sie mir, Frau von Storch: Der größte Unterschied zwischen der Gewalt von links und der Gewalt von rechts ist der, dass die Gewalt von rechts seit der Wiedervereinigung in Deutschland knapp 200 Menschenleben gefordert hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf von der AfD: Oh Gott! – Gegenruf von der LINKEN: So ist es!)
Aber darum soll es mir jetzt nicht gehen, sondern um Folgendes: Das vorletzte Wochenende hier draußen vor dem Reichstag gab einen Einblick in die Traumwelt von Demokratiefeinden. Sie ergötzen sich an den Bildern, aber ich muss Sie enttäuschen: Zu keinem Zeitpunkt bestand letztendlich die Gefahr, dass irgendjemand den Reichstag stürmen könnte, und garantiert – dieser Überzeugung bin ich – passieren diese Szenen so auch nie wieder.
90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger halten so wie ich und viele andere hier die Coronamaßnahmen für notwendig. Allen anderen Menschen, seien es Hippies, Impfgegner, Stuttgart-21-Gegner oder wer auch immer, die da mitmarschieren, Seite an Seite mit der AfD, mit Reichsbürgern, Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretikern, sage ich: Wer sich nicht eindeutig abgrenzt, ist Teil der braunen Soße.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Diese Demos sind ein gefundenes Fressen für Rechtsextremisten. Wir wissen, dass seit Ende April bundesweit mehr als 90 Kundgebungen gegen Coronamaßnahmen stattgefunden haben, bei denen Rechtsextremisten den Ton angaben. Anticoronademos sind von Rechtsextremisten unterwandert, und so war das nach allem, was wir wissen und bisher gesehen haben, eben auch am 28. August 2020 vor dem Reichstag.
Aber ich möchte nicht nur über Feinde der Demokratie draußen reden, sondern auch hier im Bundestag und in Länderparlamenten.
(Jürgen Braun [AfD]: Genau! Über Herrn Geisel! SED-Geisel!)
Die AfD duldet Rechtsextreme und Faschisten in ihren Reihen. Einige werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Ihren rechtsextremen Flügel mussten Sie wenigstens formal auflösen. Ihre Jugendorganisation wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Die AfD selber ist als Partei ein Prüffall.
(Beifall bei der SPD)
Sie gehören nicht in dieses Hohe Haus.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das bestimmen Sie doch nicht! Wir sind die größte Oppositionspartei!)
Sie gehören in kein Parlament auf dieser Welt.
(Beifall bei der SPD)
Aber wir bekämpfen Extremismus nicht nur vor dem Hohen Haus und in diesem Hohen Haus. Wir wollen die schwarzen Schafe auch aus den Sicherheitsbehörden vertreiben. Für die Bekämpfung rechtsextremistischer Umtriebe im öffentlichen Dienst hat das Bundesamt für Verfassungsschutz eine eigene Abteilung, und ich danke von dieser Stelle aus für diesen richtigen und auch wichtigen Schwerpunkt.
Auch in der digitalen Welt und in den sozialen Netzwerken wird die Luft eng für Extremisten und Hetzer. Unserer Bundesjustizministerin haben wir es zu verdanken, dass Facebook und Co strafbare Inhalte nicht nur löschen müssen, sondern dass sie von unseren Strafverfolgungsbehörden auch konsequent geahndet werden. Dafür haben wir 300 Stellen allein im Bundeskriminalamt geschaffen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Braun [AfD]: China ist begeistert!)
Wir haben ein großes Netz an Präventionsprogrammen in Deutschland aufgespannt, wo Bundesprogramme wie „Demokratie leben!“ und die jeweiligen Länderprogramme ineinandergreifen. Das werden wir weiter ausbauen; denn die Nachfrage ist hoch, die Notwendigkeit sogar noch höher, auch – die Bundesjustizministerin hat das eben deutlich gemacht – die Notwendigkeit für ein Demokratiefördergesetz in Zeiten wie diesen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Bundesfamilienministerin fordert richtigerweise einen auf Dauer angelegten Sachverständigenrat, der sich dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widmen und Strategien im Umgang mit extremistischen Tendenzen und den Feinden der Demokratie entwickeln soll. Wir bekämpfen Extremismus auf allen Ebenen. Verfassungsfeinde und rechte Netzwerke genießen gerade bei uns, bei der SPD, höchste Priorität, schon immer und gewissermaßen aus unserer DNA heraus, aber heute eben ganz besonders.
Ich betone das, weil gestern vor 20 Jahren Enver Simsek vom NSU-Terrortrio mit fünf Schüssen in den Kopf hingerichtet wurde. Seitdem haben wir fast 100 weitere Opfer rechten Terrors zu beklagen. Wir werden die Opfer niemals vergessen. Ich hätte Enver Simseks Angehörigen hier gerne gesagt, dass heute alles besser ist und dass wir den Rechtsextremismus unter Kontrolle haben. Leider kann ich das nicht. Einige sitzen heute sogar in Parlamenten. Wir zählen über 32 000 Rechte, so viele wie noch nie. Sie begehen immer mehr Straftaten, und sie sind immer gewalttätiger und brutaler. Aber ich glaube, wir alle können den Angehörigen von Enver Simsek und allen Opfern rechtsextremistischer Gewalt versprechen, dass wir wachsam sind und dass wir unser Bestes geben, um dieses Kapitel zu überwinden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Mathias Middelberg, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7469007 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Extremismus bekämpfen |