Edgar FrankeSPD - Zukunft der Krankenhäuser
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Milliarden für moderne Kliniken – so oder ähnlich waren Presseberichte zum Krankenhauszukunftsgesetz überall überschrieben. In der Tat – wir haben es eben gehört –: 4,3 Milliarden Euro sollen in die Kliniken, in Digitalisierung, IT-Infrastruktur und auch in die Modernisierung der Notfallversorgung, investiert werden.
Wir wissen aber alle – Lothar Riebsamen hat es eben gesagt –: Eigentlich sind die Länder zuständig. Sie haben viele Krankenhausstandorte, aber sie sind nicht immer in der Lage – und ich will es mal so sagen: sie wollen auch manchmal nicht –, ihrer Investitionspflicht nachzukommen. Deshalb ist es ausdrücklich zu begrüßen, Herr Minister, dass diese Koalition sich der Sache angenommen hat und dass wir 70 Prozent der 4,3 Milliarden Euro bereitstellen. 3 Milliarden Euro vom Bund sollen in die Modernisierung unserer Kliniken fließen. Das ist ein großer politischer Erfolg; das kann man wirklich einmal sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Unsere medizinische Versorgung ist weitaus besser, als immer gesagt wird. Das haben wir, glaube ich, auch in der Coronapandemie gelernt. Wir sind gut gerüstet. Durch die große Anzahl von Betten, insbesondere auch durch die Ausweitung der Anzahl der Intensivbetten sind wir sehr gut durch die Pandemie gekommen. Die Krankenhäuser und deren Mitarbeiter, die Ärztinnen und Ärzte und die Pfleger, haben vorbildlich mitgeholfen, dass wir die schrecklichen Bilder, die wir in Frankreich und in Italien gesehen haben, nicht auch in Deutschland sehen mussten, was auch deshalb möglich war, weil wir gehandelt haben, indem wir frühzeitig versucht haben, mit einer Zahlung von 560 Euro pro Tag Betten freizuhalten.
Es ist allerdings so – das muss man auch kritisch sagen –: Die kleinen Häuser haben von dieser Pauschale profitiert, die großen eher ein Minusgeschäft gemacht. Den pauschalen Rettungsschirm wird es sicherlich künftig nicht mehr in dem Maße geben, aber die Kliniken können sich pandemiebedingte Mehrausgaben und Erlösrückgänge ausgleichen lassen.
Darüber hinaus stellt sich beim Krankenhauszukunftsgesetz auch die Frage: Wohin geht es mit unserer Krankenhausversorgung? Wie geht es mit unserer Versorgung weiter? Aktuell wird gerade angesichts der Coronapandemie immer diskutiert, inwieweit wir ökonomische Anreize im Krankenhaus abschaffen sollten. Es wird diskutiert, inwieweit ökonomische Prinzipien und auch Renditeerwartungen von privaten Krankenhausbetreibern im Vordergrund stehen und nicht das Wohl der Patienten. Doch wenn es keine ökonomischen Anreize gibt, werden diese durch andere Maßstäbe ersetzt; das wissen wir natürlich. Schon bei den tagesbezogenen Pflegesätzen gab es immer den Anreiz, eine medizinisch nicht notwendige und damit unwirtschaftliche Ausdehnung der Verweildauer zu erzielen.
Dagegen bewirkt ein Wettbewerb um Qualität, dass Menschen die bestmögliche Versorgung bekommen. Aus meiner Sicht ist es sogar eine ethische und moralische Verpflichtung, die verfügbaren Mittel gerade wirtschaftlich zu verwenden mit dem Ziel, dass eben alle die bestmögliche Versorgung erhalten. Allerdings – das sage ich auch –: Das Streben nach Rendite hat sich bei verschiedenen DRGs in der Vergangenheit auch negativ auf die Versorgung ausgewirkt. Hier gibt es viele Praktikerinnen und Praktiker, die das bestätigen können.
Deshalb müssen wir das Fallpauschalensystem grundsätzlich weiterentwickeln. Wir haben bereits den Bereich der Pflege aus den Fallpauschalen herausgenommen. Nun lohnt es sich nicht mehr, auf Kosten der Pflege zu sparen. Das war, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein großer Fortschritt, den wir als Sozialdemokraten durchgesetzt haben.
(Beifall bei der SPD)
Aber damit haben wir das grundlegende Problem der Finanzierung von Krankenhäusern nicht gelöst. Im Gegenteil: Krankenhäuser sind weiterhin gezwungen, Investitionen aus den Betriebserlösen zu finanzieren. Gerade diese Investitionen müssen endlich auskömmlich sein. Deswegen kann man hier vom Bundestag nur an die Länder appellieren, dass sie ihre Hausaufgaben gerade bei der Neu- und Umstrukturierung der Krankenhausversorgung machen und endlich mehr investieren. Auch in diesem Jahr werden rund 3 Milliarden Euro fehlen.
Der Bund hat aber nicht nur hier im Krankenhauszukunftsgesetz, sondern auch in anderen Bereichen Schritte unternommen, zum Beispiel um bedarfsnotwendige Kliniken in strukturschwachen Regionen finanziell besser auszustatten. Es gibt einen Bundeszuschuss von 400 000 Euro. Davon profitieren allein 100 Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser bekommen das Geld, weil sie bedarfsnotwendig für die Versorgung sind. „ Bedarfsnotwendig“ sind sie, weil sie erstens in dünn besiedelten Regionen liegen und zweitens der Weg ins nächste Krankenhaus zu weit wäre. Wir brauchen diese Krankenhäuser, obwohl sie wenige Operationen durchführen, obwohl sie weniger Diagnosen stellen und damit weniger Einnahmen haben, weil gerade viele ambulant tätige Ärzte aus der Fläche verschwinden und wir Gesundheitsversorgung immer sektorenübergreifend ansehen.
Nun ist es aber so: Mich als Berichterstatter haben viele Abgeordnete angesprochen, dass in ihrem Bereich ländliche Krankenhäuser einzelne Sicherstellungskriterien, die der Maßstab für die Bundesförderung waren, nicht erfüllen, aber trotzdem eine große Bedeutung für die Region haben. Mich haben in begründeten Einzelfällen viele Leute angesprochen. Ich glaube, wir sollten darüber nachdenken, Herr Minister, ob wir in Ausnahmefällen Öffnungsklauseln schaffen, ähnlich wie bei der Notfallversorgung und in Abstimmung mit den Ländern, um dort, wo es versorgungspolitisch wirklich notwendig ist, einzelnen Krankenhäusern mit Bundesmitteln finanziell zu helfen. Denn abstrakte Kriterien entsprechen oftmals nicht der Lebenswirklichkeit vor Ort. Das ist auch aus meiner Sicht ein wichtiger Punkt.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es ist auch ein Wert an sich, dass wir Häuser im Bedarfsfall als Anlaufstelle zur Verfügung haben. Das ist Daseinsvorsorge im besten Sinne des Wortes. Deswegen brauchen wir unabhängig von der Vergütung einzelner Pfeiler in Zukunft auch eine gewisse Basisfinanzierung der Krankenhäuser. Das heißt, in Zukunft sollten wir auch notwendige Vorhaltekosten unabhängig von der tatsächlichen Auslastung finanzieren, wenn es sachlich geboten ist. Ich glaube, das ist eine Diskussion, die wir als Sozialdemokraten führen wollen und auch führen müssen.
(Beifall bei der SPD)
So könnten wir zum Beispiel auch die Finanzierung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen durch eine bessere Basisfinanzierung der Fachabteilungen stärken. Das ist auch unsere politische Aufgabe für die Zukunft; denn Gesundheitsversorgung für alle bedeutet: unabhängig vom Wohnort, unabhängig vom Alter, unabhängig vom Geldbeutel der Versicherten die bestmögliche Versorgung.
Dazu gehört immer auch die gute Pflege. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass gerade die pflegenden Angehörigen, die in der Coronakrise besonders hart getroffen sind, nicht vergessen werden.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
70 Prozent der Menschen werden zu Hause gepflegt. Deswegen erweitern wir mit diesem Gesetz das Pflegeunterstützungsgeld. Das war uns besonders wichtig. Meine Kollegin Heike Baehrens hat sich sehr dafür eingesetzt.
Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss.
Damit stärken wir die pflegenden Angehörigen. Damit stärken wir die Pflegebedürftigen. Denn gesundheitliche Versorgung muss immer aus Patientensicht gedacht werden. Das war und ist der rote Faden sozialdemokratischer Gesundheitspolitik.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte doch darum, auf die Redezeiten zu achten – auch Sie, Herr Kollege Dr. Franke –, weil wir jetzt schon zeitlich bei einem Sitzungsende gegen Mitternacht sind. Wenn das so weitergeht, werden wir bis 1 Uhr hier sitzen, etwas, was wir vermeiden wollten. Also: Ich werde mit wachsender Zeitdauer der Sitzung auch etwas weniger geduldig.
Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Andrew Ullmann, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7469226 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Zukunft der Krankenhäuser |