Rainer SpieringSPD - Abstrakte Normenkontrolle – Düngeverordnung
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Protschka, Sie sollten Ihren eigenen Antrag mal lesen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er nicht!)
Sie haben uns ja jetzt ziemlich viel von den bäuerlichen Existenzen erzählt. Ich habe gelernt, dass alle Kolleginnen und Kollegen von der CDU und CSU Großgrundbesitzer sind; das lasse ich mal so im Raum stehen. Ich glaube aber, das ist nicht der Fall.
Viel schlimmer, Herr Protschka, ist etwas völlig anderes. Sie streben ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an.
(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Der weiß doch gar nicht, was das ist!)
Jetzt machen Sie Folgendes – ich will Ihnen das gerne mal vorlesen, wenn Sie Ihren eigenen Antrag nicht kennen –: Sie behaupten, die Änderung der Düngeverordnung schränke die Berufsausübungsfreiheit und die Eigentumsgarantie in unverhältnismäßiger Weise ein. Aus Ihrem Redebeitrag ist dazu ja nichts herausgekommen. Da Sie sich jetzt auch als naturwissenschaftlicher Experte darstellen, würde ich an beidem große Zweifel äußern.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt wird es aber noch viel schlimmer – und da wird der Antrag der AfD meiner Ansicht nach hochgradig gefährlich –:
(Zuruf von der AfD: Oh! – Weiterer Zuruf von der AfD)
– Nein, für die Landwirtschaft. – Gesetzt den Fall, wir wären so bekloppt und würden Ihnen heute folgen, dann würden Sie das Bundesverfassungsgericht zwingen, zwischen Ihren vermeintlichen Eigentumsrechten und einem wesentlich höheren Gut abzuwägen, nämlich der Unversehrtheit von Boden, Luft und Wasser.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Stephan Protschka [AfD])
Wenn Sie das Bundesverfassungsgericht dazu zwingen würden, diese Abwägung zu treffen, dann wäre das Urteil klar. Und wissen Sie, wen Sie dann an den Pranger stellen würden? Die Landwirte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das wäre völlig unverhältnismäßig, völlig ungerecht und – ich sage Ihnen das mal auch im Zusammenhang mit den Landwirten – eine Mordsschweinerei.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich sage Ihnen aus siebenjähriger Erfahrung: Es gibt Anträge, die sind überflüssig. Einige sind nicht zeitgemäß, einige oder viele von der AfD sind nicht europarechtskonform, und es gibt Schaufensteranträge. Ihren Antrag würde ich heute unter „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ fassen. Deswegen werden wir ihn ablehnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die FDP schreibt: Es gibt „Regionen mit zu hohem Gülleaufkommen“. – Erst mal herzlichen Dank für die Erkenntnis. Jetzt kommt die Antwort der FDP darauf: Sie wollen den Wirtschaftsdünger auf die Straße bringen; das steht ja in Ihrem Antrag.
(Zurufe von der SPD)
Bei uns heißt so etwas: Gülletourismus.
Jetzt komme ich ja aus einer Region, die wirtschaftlich stark ist – Albert Stegemann ist auch einer ihrer Vertreter –, mit einer allgemein starken Veredelungswirtschaft. Wir haben aber anliegende Regionen – die kennt man vielleicht in Rheinland-Pfalz nicht so – wie das wunderschöne Weserbergland, den Hochsauerlandkreis, die Nordsee, Ostfriesland, und was glauben Sie, mit welcher Begeisterung die applaudieren, wenn wir genau den von Ihnen vorgeschlagenen Gülletourismus einführen? Deswegen lehnen wir Ihren Antrag natürlich auch ab.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich bekenne für die SPD ganz eindeutig: Wir wollen Landwirtschaft. Wir wollen Landwirtschaft in Deutschland, und zwar aus vielen Gründen: um eine Struktur zu erhalten, die über viele Jahrhunderte gewachsen ist, mit eigenständigen Landwirtinnen und Landwirten; um unserer Kulturlandwirtschaft willen, die wir unbedingt brauchen. Das hat auch etwas mit unserem Gefühl für unsere Regionen zu tun, wo wir tief verankert sind.
Aber wir brauchen auch die Güter, die unser Leben ausmachen: Boden, Luft, Wasser. Deswegen glaube ich auch, dass wir neben dem, was Europa uns androht – Geldzahlungen und, und, und –, vor allen Dingen die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen haben, damit sie das mitbekommen, was wir auch mitbekommen haben, nämlich die Unversehrtheit unserer natürlichen Umgebung und eine Perspektive, auch in Zukunft gute Böden, saubere Luft und reines Wasser zu haben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Frage, die Sie hier aufwerfen – die hat Johannes Röring eben aufgeworfen –, ist die der Messnetze. Da macht sich natürlich dann auch eine etwas klüngelige Politik in Deutschland bemerkbar. Als man sich vor 30 Jahren entschlossen hat, die Messnetze zu nutzen, da waren das natürlich Immissionsmessnetze. Es gab noch gar nicht die Möglichkeit, diese mit Emissionsmessnetzen zu koppeln.
Wenn wir mit den Landwirtinnen und Landwirten und auch mit unserer Bevölkerung gut umgehen wollen, dann nutzen wir das, was dieses Deutschland kann, nämlich die Digitalisierung, um Daten zu erheben, um das alles überprüfen zu können. Wir müssen ein Immissionsmessnetz mit einem Emissionsmessnetz koppeln, wie es die Universität Gießen vorgeschlagen hat.
Ich sage Ihnen: Wir können das. Dann können wir in der Tat auch nach dem Verursacherprinzip vorgehen, und dann können wir Ross und Reiter nennen. Wir werden feststellen, dass ein Großteil der Landwirte sich ordnungsgemäß verhält. Und einige sind eben nicht so ordentlich; denen können wir dann auf die Finger klopfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mir geht es aber noch um einen anderen Begriff, und der heißt Respekt: Respekt vor den Menschen, die in diesem Wirtschaftsbereich arbeiten; dazu hat der Sozialminister heute einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir müssen sie alle mitnehmen, alle, die in diesem Prozess arbeiten. Sie müssen alle das Gefühl haben, dass sie anständig behandelt werden: der Fleischer, die Fleischerin, die Fleischereiverkäuferin und der Fleischereiverkäufer, die Leute, die an den Arbeitsbändern stehen, die Leute, die in diesem Land unter teilweise miserablen Umständen leben.
Wenn wir uns mit dem System der Fleischwirtschaft in Deutschland auseinandersetzen, dann müssen wir die Kette von A bis Z durchleuchten. Dann werden wir auch den Landwirtinnen und Landwirten und unserer Bevölkerung gerecht werden. Aber wir müssen das in einem Kreislauf sehen und Respekt für alle Menschen haben, die in diesem Bereich arbeiten.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Kollegin Carina Konrad hat das Wort für die Fraktion der FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7469271 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Abstrakte Normenkontrolle – Düngeverordnung |