10.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 19

Christian WirthAfD - Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU

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Herr Präsident! Werte Kollegen! Liebe Mitbürger! Ein Satiriker sagte vor nicht langer Zeit: In 20 Jahren wird es nur noch zwei Staaten in der EU geben, die Engländer, weil sie nicht rauskommen, und die Deutschen, weil sie an die EU glauben. In Ersterem hat er sich geirrt. Es bleibt also noch etwas Hoffnung.

Wieder gibt es Bewegung beim Thema Freizügigkeit und Nachzug, wieder einmal in die falsche Richtung. Aus der EU kommt nie etwas, das auch nur das kleinste bisschen Bremse an die Migration legt. Aus der EU wird auch nie etwas kommen, das auch nur den kleinsten Unterschied zwischen den Nationalstaaten respektiert und anerkennt. Nicht zuletzt aus diesen Gründen hat das britische Volk sich dafür entschieden, sich der europäischen Zwangsjacke zu entledigen. Nicht zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode passen wir deshalb unsere Gesetzgebung an. Es geht um Anpassungen, die nicht nötig gewesen wären, wenn die Bundesregierung ihr politisches Gewicht nicht in falscher Arroganz dazu eingesetzt hätte, den Briten jede Reform in der EU zu verweigern, Anpassungen, die wir schon lange hinter uns hätten, wenn es nicht die Strategie der EU gewesen wäre, die Briten für ihre Volksabstimmung zu bestrafen, statt auf eine Zukunft in Partnerschaft und Freundschaft hinzuarbeiten.

Natürlich ist Rechtssicherheit nun, wo die Briten frei sind, wichtig. Deswegen kann man den diesbezüglichen Regelungen auch durchaus zustimmen. Aber es wäre nicht die Bundesregierung, wenn sie nicht in vorauseilendem Gehorsam im Rahmen der Freizügigkeit ein Trojanisches Pferd in diesen Gesetzentwurf eingebaut hätten. Sie führen einen neuen Begriff in das Freizügigkeitsgesetz ein, den das Gesetz in Deutschland so noch nicht kennt, nämlich den der „nahestehenden Person“. Nicht mehr nur Verwandtschaft, Ehe und eingetragene Lebensgemeinschaften sollen aufenthaltsberechtigt sein, nein, ausreichend ist nach Absatz 4a jegliche Verwandtschaft, ohne im Sinne von § 1589 BGB in gerader oder Seitenlinie verwandt und somit Familienangehöriger zu sein, und nach Absatz 4c jede Person, die irgendwie bescheinigen kann, mit einem Aufenthaltsberechtigten zusammengelebt zu haben. Sie geben sich zwar in der Einleitung des Gesetzentwurfs bemüht: Natürlich sei es wichtig, eine zusätzliche „Belastung der Sozialsysteme“ zu vermeiden, und natürlich wollen Sie keine „verstärkte Zuwanderung“. Aber wenn Sie das nicht wollen, dann lassen Sie den Unsinn, den Sie ins Gesetz geschrieben haben.

(Beifall bei der AfD)

Sie haben sich in der Euro-Krise und in der Flüchtlingskrise, bei den Maastricht-Kriterien und jetzt bei der Coronakrise über europäisches Recht hinweggesetzt. Jetzt buckeln Sie wieder und freuen sich klammheimlich, dass man Ihnen von der EU wieder vorschreibt, wie man Deutschland schaden kann. Mit der Definition einer nahestehenden Person, direkt im Unterpunkt a, erweitern Sie den Begriff auf alle und jeden, mit dem man irgendeine gemeinsame Abstammung nachweisen kann. Sie haben keinerlei Beschränkungen nach oben oder unten, weder in Ihrem Gesetz noch im Bürgerlichen Gesetzbuch, auf das Sie sich berufen. Wenn man irgendwo einen gemeinsamen Vorfahren im 18. Jahrhundert findet, ist man nahestehende Person. Das ist dogmatisch unsauber, rechtlich unsinnig und tatsächlich eine Katastrophe, wenn man an die Migration denkt.

(Beifall bei der AfD)

In Punkt c verlangen Sie eine „ordnungsgemäß bescheinigte … Gemeinschaft“. Das könnte schwammiger kaum formuliert sein, vor allem da so eine Gemeinschaft ja vor allem im Ausland bestanden haben soll. Schon jetzt hat man mit allerlei gefälschten amtlichen Dokumenten aus dem Ausland zu kämpfen. Was soll jetzt noch auf Echtheit geprüft werden: eine gemeinsame Stromrechnung aus dem Libanon? – Nein, Sie vermischen in Ihrem Antrag zu viel. Sie erlauben keine ausreichende Debatte über diese sehr grundsätzliche Ausweitung des Begriffs der nahestehenden Person. Trennen Sie die Teile in Ihrem Antrag; dann können wir zumindest über den Brexit-Teil reden. So ist diese merkwürdige Schimäre schon jetzt inakzeptabel und schlimmstenfalls ein ganz bewusst so vermengtes Trojanisches Pferd.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7469280
Wahlperiode 19
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU
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