Konstantin KuhleFDP - Änderung des Bundeswahlgesetzes
Sehr geehrter, lieber Herr Präsident!
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Oh!)
Wir sprechen heute über das 25. Änderungsgesetz zum Bundeswahlgesetz, und es gibt innerhalb der politischen Parteien und zwischen den politischen Parteien sowie den Fraktionen hier im Haus ja eine sehr ausgiebige Debatte über den Zusammenhang zwischen politischen Prozessen und Digitalisierung. Das war vor Corona richtig, und das ist während Corona richtig. Es ist auch nach Corona weiter erforderlich, dass politische Prozesse an die Digitalisierung angepasst werden.
(Beifall bei der FDP)
Wir müssen über digitale Parteitage sprechen, wir müssen über eine digitale Kandidatenaufstellung sprechen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber es gab bei mir in den letzten Monaten durchaus die eine oder andere Sitzung, die digital stattgefunden hat und etwas kürzer ausgefallen ist. Manche sind sogar ganz ausgefallen, und man muss sagen: Die Digitalisierung hat hier durchaus eine segensreiche Wirkung auf den einen oder anderen politischen Prozess, und wir sollten diesen Weg deswegen weitergehen. Wir sind daher als Freie Demokraten auch offen, darüber zu diskutieren.
(Beifall bei der FDP)
Hier geht es heute aber um Personenwahlen. Es geht hier um die Aufstellung von Bewerberinnen und Bewerbern zum Deutschen Bundestag, und ich finde, bei der Aufstellung von Personen – innerparteilich, aber vor allem, wenn es um Parlamentswahlen geht – müssen wir besonders vorsichtig sein; denn diesen besonderen Charakter einer Personenwahl – wenn man sich ein Bild von einer Person machen will, wenn man vielleicht zwei oder drei Personen zur Auswahl hat, denen Fragen stellen und sie nebeneinander vergleichen will – hat man in dieser Form eben nur in einer Präsenzveranstaltung, und es bedarf sehr guter Gründe, das durch eine digitale Veranstaltung zu ersetzen. Ich finde, wir müssen sehr vorsichtig und sehr behutsam sein, wenn wir so was durch eine Kombination aus Onlinevorstellung und Briefwahl – so ist es hier ja gedacht – ersetzen wollen.
Dafür gibt es auch ein rechtliches Argument, nämlich den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Es gibt ja die Wahlrechtsgrundsätze im Grundgesetz, und es gibt den Grundsatz der Öffentlichkeit, der durch das Bundesverfassungsgericht festgeschrieben wurde und besagt, dass die Öffentlichkeit wahrnehmen muss, wie der Willensbildungsprozess bei einer Wahl vonstattengeht. Dazu gehört, dass man sämtliche Teilelemente einer Wahl nachvollziehen kann. Wenn das Ganze nur online und per Briefwahl erfolgt, dann muss man besonders achtsam sein, wie man so was ausgestaltet. Das ist ein besonders sensibler Vorschlag.
Es mag in Zeiten einer Pandemie richtig sein, darüber zu diskutieren. Was aber jedenfalls nicht geht – und damit bin ich beim formellen Argument –, ist, das dann im Wege einer Rechtsverordnung zu machen. Das kann nicht sein.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir können bei einem so gravierenden Eingriff in die Öffentlichkeit der Wahl das Ganze nicht bloß auf dem Rechtsverordnungswege regeln.
Lieber Kollege Mahmut Özdemir, diese Parlamentsbeteiligung, die hier im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen ist, ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht; denn das ist nur auf die Tatbestandsseite bezogen.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Der Wahlprüfungsausschuss beschließt: „Es gibt eine Pandemie oder eine Naturkatastrophe“, und dann macht das Bundesministerium des Innern irgendwas. – So steht es in Ihrer Vorlage, und das ist zu kurz gesprungen; das wird dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahlen und auch den anderen Wahlrechtsgrundsätzen nicht gerecht.
Deswegen ist das ein weiterer Schritt, mit dem das Parlament seiner Domäne, dem Wahlrecht, durch eine übergriffige Exekutive beraubt wird,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wie wir es übrigens auch bei der Diskussion über das Wahlrecht erleben, wo es um die Verkleinerung des Bundestages geht, und wie wir es in der Pandemie auch bei der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite erleben, wo auch ein antizipierter Notzustand aufrechterhalten wird, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.
Herr Kollege Kuhle, mir bricht das Herz, aber Sie müssen aufhören.
Diese Befürchtung haben wir auch im Zusammenhang mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf, und deswegen muss das deutlich von der Exekutive auf das Parlament verlagert werden. Dann kann man über alles reden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Kuhle. – Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Straetmanns, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 19 |
Session | 173 |
Agenda Item | Änderung des Bundeswahlgesetzes |