10.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 22

Friedrich StraetmannsDIE LINKE - Änderung des Bundeswahlgesetzes

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das aktive und das passive Wahlrecht müssen gerade auch in Zeiten einer Pandemie gewahrt bleiben und deshalb angepasst werden. Hierin sind wir uns völlig einig. Doch wie Sie hier an dieses Problem herangehen, ist absolut inakzeptabel.

Seit Beginn der Krise sind wir als Parlament immer wieder den Versuchen der Regierung ausgesetzt, Kompetenzen an sich zu reißen. Ich erinnere mich noch an eine Woche im März, als der Vorschlag eines Notparlaments im Raum stand, der erst nach massiver Kritik wieder zurückgenommen wurde. Genau so eine Selbstbeschneidung versuchen Sie uns jetzt wieder unterzujubeln. Da machen wir als Linke nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die ganze Zeit galt der Grundsatz, dass das Wahlrecht Sache des Parlaments und seiner Gremien ist. Damit haben Sie vor Kurzem gebrochen, als Sie Ihr Pseudo-Wahlrechtsreförmchen im Koalitionsausschuss beschlossen haben. Ja, Ihnen reicht die absolute Mehrheit für eine Wahlrechtsreform. Aber bei diesem hochsensiblen Thema, der Ausgestaltung unserer parlamentarischen Demokratie, war es bisher gute Sitte, möglichst alle Fraktionen zu beteiligen.

Mit diesem Gesetzentwurf gehen Sie nun noch einmal einen Schritt weiter. Sie wollen den Freibrief dafür, als Exekutive an der Kandidatenaufstellung herumschrauben zu dürfen. Das Wahlrecht ist aber Sache des Parlaments, und das wissen Sie. Wir sind absolut offen dafür, Vorkehrungen für die Kandidatenaufstellung in Pandemiezeiten zu treffen. Dabei muss es sich aber um klare gesetzliche Festlegungen handeln, in welchem Rahmen sich die Kandidatenaufstellung zu bewegen hat. Ihre blumigen Sätze, wie die Aufstellungen denn aussehen könnten, sind nichts als Nebelkerzen, wenn keinerlei Verbindlichkeit besteht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

Die Entscheidung, wie die Kandidatinnen und Kandidaten für das Parlament bestimmt werden, hat eben nichts in den Händen der Exekutive verloren.

Mir ist auch gar nicht klar, für welche Notsituationen Sie hier eigentlich vorsorgen wollen. Wenn sich die Situation derart verschärft, dass wir als Parlament nicht mehr in der Lage sind, ein Gesetz zu verabschieden: Glauben Sie ernsthaft, dass in einem solchen Fall reguläre Wahlen abgehalten werden könnten? Ich bin mir sehr sicher: Für diesen Fall müsste eigentlich wesentlich mehr nachjustiert werden als nur bei der Kandidatenaufstellung.

Mir scheint es, als ginge es Ihnen noch um etwas anderes. Sie wollen nicht nur die Mitsprache des Bundestages beschneiden, sondern ganz besonders auch die des Bundesrates. Man hört aus den Reihen der Regierung ja immer wieder, wie genervt Sie vom Austausch mit den Ministerpräsidenten und ‑präsidentinnen sind. Föderalismus kann anstrengend sein, aber ich halte es für eine absolut richtige Lehre aus dem nationalsozialistischen Staatsaufbau, dass wir ein föderales System haben, in dem sich verschiedene Ebenen untereinander kontrollieren und austarieren.

Deswegen müssen wir Ihren Gesetzentwurf in der vorliegenden Form ablehnen; denn es ist selten eine gute Idee, wenn Entscheidungen, die normalerweise ausdiskutiert und von vielen Menschen gemeinsam getroffen werden, plötzlich von einer Person alleine getroffen werden sollen, erst recht, wenn diese Person Horst Seehofer ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Straetmanns. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Britta Haßelmann, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7469312
Wahlperiode 19
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Änderung des Bundeswahlgesetzes
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