Jens BrandenburgFDP - Berufliche Bildung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Wie so oft diskutieren wir heute über die berufliche Bildung. Das ist ärgerlich – nicht weil sie diese Aufmerksamkeit nicht verdient hätte, sondern weil sich die Koalition auch heute mal wieder nicht zu relevanten Entscheidungen durchringen kann. Dabei wären mutige Schritte heute notwendiger denn je.
Corona hat die berufliche Bildung hart getroffen. Ausbildungsmessen fallen aus, die Berufsorientierung lief de facto auf Sparflamme, Berufsschulen waren geschlossen und oft schlecht auf digitale Lehre vorbereitet. Ausbildende Betriebe kämpfen ums Überleben. Viele Ausbilder sind in Kurzarbeit. Auszubildende sorgen sich um ihre Übernahme. Wir haben es eben gehört: Für neue Auszubildende stehen in diesem Jahr fast ein Zehntel weniger Plätze zur Verfügung, und gleichzeitig bewerben sich immer weniger Schulabgänger um eine berufliche Ausbildung.
Corona hat Probleme verschärft, die vorher schon sichtbar waren. Und was macht die Bundesregierung?
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts!)
Sie meint, mit einer kleinen Prämie sei ja schon alles getan. Frau Karliczek, kein Betrieb dieser Welt macht die Entscheidung für oder gegen eine dreijährige Ausbildung an 2 000 Euro mehr oder weniger fest. Das ist lächerlich!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie es ernst meinen, stärken Sie die Ausbildung dauerhaft. Wir Freie Demokraten haben ja einen „Azubi-Pakt 2030“ vorgeschlagen, der Ausbildungen vollständig steuer- und abgabenfrei stellt. Das entlastet Betriebe und gönnt auch Auszubildenden etwas mehr in der Tasche. Stärken Sie die Berufsschulen mit einem Digitalpakt 2.0, der auch in pädagogische Konzepte, Lehrerfortbildungen und in professionelle IT-Kräfte an den Schulen investiert. Und schaffen Sie in allen Branchen endlich verlässliche Umsatzperspektiven, damit sich Betriebe die Ausbildung überhaupt wieder leisten können.
(Beifall bei der FDP)
Corona darf nicht zur Bildungsbremse werden. Hören Sie auf mit symbolischen Miniprämien, und kümmern Sie sich um die großen Baustellen. Die berufliche Bildung hätte es verdient.
Ja, Corona ist zur Ausbildungsbremse geworden. Aber, Frau Karliczek, Sie haben das Gaspedal auch vorher schon nicht gefunden. Mit Symboldebatten und Schaufensteretiketten wie „Bachelor Professional“ haben Sie viel wertvolle Zeit verloren. Jetzt geht es um einen Blick nach vorne. Jede Krise ist ja auch eine Chance für Neues.
Wir Freie Demokraten wollen die 20er-Jahre zur Turbodekade für die berufliche Bildung machen: Sorgen wir mit einer „Exzellenzinitiative berufliche Bildung“ für einen neuen Innovationsschub. Bringen wir auch an Gymnasien Azubis in die Klassen, um authentisch für ihre Berufe zu werben. Machen wir die Berufsschulen fit für die digitale Arbeitswelt – mit digitalen Lernmethoden, modernen Lernfabriken
(Dr. Götz Frömming [AfD]: „Lernfabriken!“)
und kreativen Maker Spaces. Stärken wir internationale Kompetenzen mit einer europäischen Austauschagentur und mit internationalen Berufen, bei denen Auslandsaufenthalte in der Ausbildungsordnung fest vorgesehen sind. Und erleichtern wir endlich den über 2 Millionen jungen Ungelernten ihren Weg in die berufliche Qualifikation.
(Beifall bei der FDP)
Es gibt wirklich viel zu tun. Packen Sie es endlich an!
Einen letzten Punkt möchte ich noch herausgreifen, weil er heute zur Entscheidung ansteht: Menschliche Begabungen und Talente sind vielfältig. Sie zeigen sich eben auch in sozialen Kompetenzen und in der Fähigkeit, theoretische Erkenntnisse in ganz praktische, innovative Anwendungen zu übersetzen. Deshalb haben wir Freie Demokraten hier im Bundestag beantragt, die 13 deutschen Begabtenförderungswerke für die besten Talente aus der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu öffnen. Sie alle reden doch ständig von Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit; aber das geht Ihnen jetzt zu weit. Die Hochschulstipendiaten wollen Sie in einem akademischen Elfenbeinturm isolieren. Was befürchten Sie denn eigentlich? Immerhin, die Grünen haben sich erfreulicherweise unserer Forderung angeschlossen; sie wollen aber ausgerechnet in den politiknahen Stiftungen erst mal unter sich bleiben.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wundert mich nicht!)
Warum sollen denn bei der Heinrich-Böll-Stiftung Germanisten und Theaterwissenschaftlerinnen über den Klimawandel diskutieren, wenn gleichzeitig der Förster und die Anlagenmechanikerin außen vor bleiben müssen? Das ist scheinheilig.
(Beifall bei der FDP)
Große Talente gibt es nicht nur an den Hochschulen. Also, zeigen Sie, dass Sie es ernst meinen, und stimmen Sie heute unserem Antrag zu.
Wir Freie Demokraten wollen weltbeste Bildung für jeden.
Sie meinen es ernst mit der Redezeit.
Ich komme zum Ende. – Es geht um dein Talent, deine Zukunft, und dafür kämpfen wir.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Dr. Jens Brandenburg. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Birke Bull-Bischoff.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7469375 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 174 |
Tagesordnungspunkt | Berufliche Bildung |