Oliver KaczmarekSPD - Berufliche Bildung
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mal mit Corona an, weil Corona bestehende Herausforderungen auch in der Berufsausbildung schonungslos offengelegt, aber auch neue Probleme geschaffen hat.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nicht Corona! Der Shutdown!)
Vor allem aber hat Corona auch unterstrichen: Die Sicherung und die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung ist eine herausragende Zukunftsaufgabe, und das muss sich auch in unserem politischen Handeln und auch in unseren politischen Debatten ablesen lassen.
Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist angespannt. Allein in Nordrhein-Westfalen haben von 30 Arbeitsamtsbezirken zu Beginn des Ausbildungsjahres 18 Bezirke weniger Stellen als Ausbildungsbewerberinnen und ‑bewerber gemeldet. Das zeigt: Wir müssen dafür arbeiten, dass es keinen Coronajahrgang gibt.
(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])
Dazu müssen wir zwei Dinge im Auge behalten:
Erstens. Wir wollen so viele Ausbildungsplätze wie möglich erhalten. Deshalb ist es gut – und das ist keine Petitesse, Herr Brandenburg –, dass wir Unternehmen unterstützen, die ihre Ausbildungsplätze auch im neuen Ausbildungsjahr halten oder zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen oder die Auszubildenden anderer Betriebe übernehmen. Das ist vielleicht nicht die gesamte Kostenübernahme, das ist aber jedenfalls ein Zeichen der Wertschätzung und eine Investition in die Zukunft, die wir vornehmen.
(Beifall bei der SPD)
Zweitens. Wir müssen dafür sorgen, dass trotz Corona bestehende Ausbildungen ordentlich weitergeführt und abgeschlossen werden können. Der BIBB-Hauptausschuss hat das übrigens auch in seiner Stellungnahme zum Berufsbildungsbericht ausgeführt. Wie geht es weiter mit Prüfungen? Wie wirkt sich Kurzarbeit aus? Wie organisieren wir Verbundausbildungen und vieles mehr? Es ist deshalb gut, dass die Allianz für Aus- und Weiterbildung das aufgegriffen hat. Aber eine Erklärung allein reicht nicht. Wir erwarten jetzt, vier Monate nach der Erklärung der Allianz, dass die Bundesregierung die offenen Fragen klärt und dafür sorgt, dass Auszubildende trotz Coronafolgen ihre Ausbildung aufnehmen, fortsetzen oder beenden können. Hier braucht es mehr Tempo in der Umsetzung. Darum bitten wir Sie ganz herzlich, Frau Ministerin.
(Beifall bei der SPD)
Der Berufsbildungsbericht zeigt aber auch strukturelle Defizite auf. Ich will da Beispiele nennen: Der demografische Wandel verändert natürlich entscheidend die Rahmenbedingungen für Berufsausbildung. Immer häufiger heißt es nicht mehr: Auszubildende konkurrieren um Ausbildungsplätze, sondern immer häufiger heißt es: Ausbildungsbildungsplätze und Unternehmen konkurrieren um Auszubildende. Es ist eine Aufgabe für die Unternehmen, dafür zu sorgen, mit attraktiven, qualitativ hochwertigen Ausbildungen Perspektiven zu schaffen, dass Leute sich für diese Ausbildungsberufe entscheiden. Übrigens gelingt das meist in Betrieben mit funktionierender Sozialpartnerschaft, mit Jugend- und Auszubildendenvertretungen viel besser als in anderen Unternehmen. Die Unternehmen müssen diese Aufgabe in ihrem eigenen Interesse erledigen, insbesondere in den Branchen, in denen immer noch Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, wie im Hotel- und Gaststättengewerbe und im Einzelhandel, um nur zwei Beispiele zu nennen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es ist aber auch eine Aufgabe für uns als Staat, dafür zu sorgen, dass wir alle mitnehmen, auch die, die nach der Schule noch etwas Zeit brauchen, die noch Vorbereitung brauchen. Ausbildungsbegleitende Hilfen und assistierte Ausbildung sind zwei Instrumente, mit denen wir zeigen: Wir geben niemanden auf. – Deshalb ist es gut, dass wir sie in dieser und der vorangegangenen Wahlperiode gestärkt haben, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Eine Ausbildung, die ein ganzes Leben reicht, ein Arbeitsleben in einem Beruf – das ist keine Perspektive mehr; das wissen die jungen Leute am besten. Die Herausforderung Weiterbildung spüren sie jeden Tag. Da müssen wir ihnen auch nichts Neues erzählen. Deshalb ist es gut, dass die Koalition hier geliefert hat. Wir haben das Berufsbildungsgesetz novelliert. Wir haben das Aufstiegs-BAföG novelliert. Wir haben eine Nationale Weiterbildungsstrategie und das Qualifizierungschancengesetz beschlossen. Das alles steht heute schon im Gesetzblatt und verbessert die Weiterbildungsmöglichkeiten für Beschäftigte.
Wir brauchen aber auch zukünftig bessere Finanzierungswege, die miteinander verschränkt und lebenslang verfügbar sind. Statt BAföG und AFBG, also Aufstiegs-BAföG, nebeneinander brauchen wir gemeinsame oder zumindest eng verzahnte Instrumente für lebensbegleitendes Lernen, beruflichen Aufstieg oder auch Umorientierung, eine echte Unterstützung eben für lebensbegleitendes Lernen, die weit in die Zukunft reicht.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kaczmarek, Sie denken an die Redezeit?
Ich bin gleich fertig. – Berufsausbildung als feste Grundlage für den weiteren Wohlstand in unserem Land, für Teilhabe, für ein in der Zukunft sicher Aufgestelltsein, das ist eine Riesenherausforderung für uns alle. Da heißt es: Nicht schwurbeln, sondern anpacken!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Oliver Kaczmarek.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Bei uns wird abgeschnitten!)
– Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen. Ich habe bei Ihnen auch 20 Sekunden zugegeben.
(Ulli Nissen [SPD]: Oje!)
Keine Verschwörungstheorien hier oben!
(Nicole Höchst [AfD]: Verschwörungspraktiken!)
– Was haben Sie gerade gesagt?
(Nicole Höchst [AfD]: Bitte? – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Verschwörungspraktik“ hat sie gesagt!)
– Ach, Sie haben mit sich selber geredet von der Verschwörungspraktik. Gut. Das glaube ich, dass Sie mit sich selber geredet haben.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner: Dr. Thomas Sattelberger.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7469380 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 174 |
Tagesordnungspunkt | Berufliche Bildung |