11.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 174 / Zusatzpunkt 21

Johann SaathoffSPD - Aktuelle Stunde zum Fall Nawalny

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Chrupalla, wissen Sie, wofür Sie mir leidtun? Kein Wort des Bedauerns, keine Genesungswünsche an Herrn Nawalny, nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU], Dr. Christoph Hoffmann [FDP] und Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Karsten Hilse [AfD]: Hat das irgendein Redner vorher gemacht?)

Sie haben Ihre Menschenwürde einfach draußen an den Haken gehängt und reden hier über Dinge, die eigentlich nicht im Kontext stehen. Dafür tun Sie mir leid.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Die Vergiftung von Alexej Nawalny war ein verabscheuungswürdiges Verbrechen. Es war nicht einfach nur eine Vergiftung, wenn man bei Vergiftungen überhaupt von „einfach“ sprechen kann, es war ein Mordversuch. Diese Straftat muss transparent aufgeklärt werden, und die Verantwortlichen müssen dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Nawalny wurde am 20. August in Tomsk vergiftet. Er lag daraufhin zwei Tage in einem Krankenhaus in Omsk, ehe er am 22. August, übrigens aufgrund einer zivilgesellschaftlichen Initiative, nach Deutschland geflogen und dort auch fachgerecht behandelt wurde. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich denjenigen danksagen, die durch ihre Kontakte die medizinische Behandlung von Herrn Nawalny in Deutschland erst möglich gemacht haben –

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

ein hervorragendes Beispiel der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit. Diese Woche ist zu erfahren, dass Herr Nawalny aus dem Koma erwacht und ansprechbar ist. Wir freuen uns über diese Nachricht und wünschen Alexej Nawalny von Herzen gute, schnelle und vor allen Dingen vollständige Genesung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich sage: „Das Attentat muss aufgeklärt werden“, ist Folgendes zu beachten: Die Vergiftung von Herrn Nawalny geschah in Russland. Sie erfolgte mit einem in Russland entwickelten militärischen Nervenkampfstoff. Folglich können die Ermittlungen auch nur aus Russland erfolgen. Alle Zeugen, alle Spuren dieser Straftat, die im Übrigen auch einen Verstoß gegen das Chemiewaffenübereinkommen darstellt, alle Beweismittel befinden sich in Russland. Es stellen sich aufgrund dieses Attentats viele Fragen an die russische Führung, und zwar nicht nur in Deutschland, wo Herr Nawalny behandelt wird; diese Fragen an die russische Führung stellt sich die gesamte Welt.

Im Übrigen müsste die russische Seite ein eigenes Interesse an der Aufklärung haben, damit dieser Verschwörungsdschungel mit Theorien in alle Richtungen, den wir auch heute hier erleben, endlich ein Ende hat

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU])

und damit diese Straftat die internationalen Beziehungen Russlands nicht noch nachhaltig belastet. Wenn die russische Seite sich in ihren Augen grundlosen Beschuldigungen ausgesetzt fühlt, dann kann es nur eine Lösung dafür geben: nämlich schnelle, transparente Aufklärung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Verbindungen und die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sind aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, viel mehr als nur die diplomatischen Kontakte der Regierungen. Russland ist genau wie Deutschland und jedes andere Land der Erde mehr als nur seine politische Führung – viel, viel mehr als nur seine politische Führung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt unendlich viele Partnerschaften zwischen Deutschland und Russland in der Zivilgesellschaft. Es gibt hervorragend funktionierende Städtepartnerschaften, wo die Belange des öffentlichen Lebens miteinander abgeglichen werden, wo voneinander gelernt wird, wo miteinander sich entwickelt wird, und zwar friedlich und solidarisch und gemeinsam zwischen Russen und Deutschen. Es gibt Hochschulpartnerschaften, wo man wissenschaftliche Austausche miteinander unternimmt und sich gegenseitig letzten Endes – ich könnte es auf Platt sagen – schlauer macht, sich gegenseitig dabei hilft, Dinge weiterzuentwickeln. Es gibt Tausende, Abertausende von persönlichen Freundschaften, in denen Russen und Deutsche eng miteinander verbunden sind. Das nur auf die Kontakte der Regierungen zu verengen, würde dem Ganzen nicht gerecht werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Vergiftung von Herrn Nawalny als einem der bekanntesten Oppositionspolitiker verurteilen wir ausdrücklich. Dennoch stellen wir darüber hinaus nicht alles infrage, was uns mit Russland verbindet, sondern wir wollen Brücken bauen, wir wollen Verbindungen schaffen, und wir wollen Verbindungen erhalten;

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu wem?)

denn ohne Brücken und ohne Verbindungen werden wir keine gemeinsame Zukunft haben können.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Menschen sich begegnen, dass sie sich verstehen. Das hört man ja auch hier im Hause. Hören und Verstehen sind nämlich nicht das Gleiche. Oder ostfriesisch platt: „Mit Kopp versteihst du, mit Hart begrippst du.“ Oder wie Antoine de Saint-Exupéry sagt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort hat die Kollegin Renata Alt für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7469647
Wahlperiode 19
Sitzung 174
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Fall Nawalny
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