Frank SchwabeSPD - Aktuelle Stunde - Demokratie und nationale Souveränität in Belarus
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Auch ich will mich bedanken und ein Lob aussprechen, gerichtet an die mutigen Menschen in Belarus. In erster Linie – das haben zwei Rednerinnen und Redner schon vor mir gesagt; ich will es aber auch noch mal hervorheben – sind es mutige Frauen, die im Übrigen von zumeist vermummten Männern daran gehindert werden, für Demokratie einzutreten. Das sind Swetlana Tichanowskaja, Marija Kolesnikowa und Swetlana Alexijewitsch und viele andere, die dort entsprechend unterwegs sind. Wir sind in großer Sorge um diese Frauen – wir machen das ja in großer Einigkeit deutlich –, und wir widmen ihnen eine große Aufmerksamkeit. Die aufgeklärte Welt ist diesen engagierten Frauen, diesen engagierten Menschen, zu Dank verpflichtet.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Margarete Bause [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich freue mich über die große Einigkeit, die wir hier im Hohen Haus haben, jedenfalls von da bis dort. Das gilt auch für das, was Herr Lutze hier für die Linksfraktion deutlich gemacht hat. Wir bangen und hoffen alle miteinander mit denen, die in Belarus für Demokratie und Freiheit einstehen.
Es ist aber nicht nur Belarus. Nach meiner Ansicht gibt es Anzeichen für eine vielleicht aufkommende Zeitenwende. Wir haben ein Jahrzehnt eines aufkommenden Autoritarismus in Europa hinter uns. Ich finde, wir können Anzeichen dafür erkennen, dass sich das Ganze jetzt wieder in eine andere Richtung entwickeln kann.
Immerhin ist in Ungarn ein Oppositionspolitiker zum Bürgermeister der Hauptstadt gewählt worden. In Polen war der Ausgang der Präsidentschaftswahl unter diesen schwierigen Bedingungen ganz knapp. In der Türkei war es möglich, dass in den großen Städten Oppositionelle als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gewählt wurden. Das können wir als Demokratinnen und Demokraten auch mal selbstbewusst zur Kenntnis nehmen. Möglicherweise läutet das, was wir in Belarus sehen, eine Zeitenwende in Europa ein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich lade Belarus ausdrücklich dazu ein – so wie viele andere auch –, 48. Mitgliedstaat des Europarats zu werden; Russland ist ja zum Glück Mitglied geblieben als 47. Mitgliedstaat. Dann wären fast alle europäischen Staaten außer dem Kosovo und dem Vatikan mit dabei. Die Grundvoraussetzung dafür ist aber, Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte durchzusetzen und in der Tat in Belarus die Todesstrafe abzuschaffen.
Das, was wir zurzeit erleben, ist allerdings mit solchen internationalen Standards nicht vereinbar. Wir sehen eben massive Wahlfälschungen. Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommen kann, daraus eine Legitimation abzuleiten. Lukaschenko hat keine Legitimität. Wahrscheinlich ist es sogar so, dass die Wahlergebnisse komplett spiegelverkehrt zu dem sind, was das offizielle Wahlergebnis ausdrückt. Wir sehen brutalste Gewalt auf den Straßen. Und es werden Menschen auf den Straßen in Belarus totgeprügelt, während hier in Deutschland alle Menschen noch für die absurdesten Dinge wie Chemtrails friedlich auf die Straße gehen können und nicht daran gehindert werden. Das zu vergleichen, ist wirklich absurd und ist ein Hohn für die Menschen, die dort um ihre Freiheit kämpfen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Wir sehen, dass politische Gefangene in Haft sind.
Ich will mich bei all denjenigen bedanken, die dafür sorgen – und das ist sehr spannend –, dass wir in der Lage sind, die Situation überhaupt zu bewerten, mitzubekommen, was dort los ist – ich will unter anderem Nechta erwähnen –, und die mit ihrer Plattform in den sozialen Medien sicherstellen, dass wir mit dabei sein können. Und ich glaube, auch das läutet eine neue Zeit von Transparenz ein. Es hat sich auch in Belarus gezeigt, dass die Versuche, soziale Medien und das Internet zu unterdrücken, am Ende nicht gefruchtet haben. Wir wissen, was dort los ist, und ich finde, das ist bemerkenswert. Und wir müssen denjenigen, die das dort tun und die für Transparenz sorgen, sehr dankbar sein, weil sonst wahrscheinlich Schlimmeres passiert wäre, auch mit den mutigen Menschen, die dort entsprechend demonstrieren.
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen alles dafür tun, mitzuhelfen, dass Belarus im 21. Jahrhundert ankommt, dass die internationalen Organisationen tätig werden können. Die OSZE ist prädestiniert für solche Fragen. Aber ich will auch noch mal den Europarat erwähnen. Wir haben die Venedig-Kommission, die in der Lage wäre, für Belarus auch ein Stück weit Leitplanken mit zu entwickeln, wie man das Land entsprechend modernisieren kann.
Russland ist mehrfach angesprochen worden. Ich erwarte – und das können wir leider bisher nicht sehen – absolute Zurückhaltung aus Russland. Das wird eingefordert aus dem Westen. Es ist mehrfach deutlich gemacht worden: Das ist eben kein Ost-West-Konflikt, und Russland würde am Ende den eigenen Kredit in Belarus, den es hat, verspielen, wenn es daraus seinerseits einen solchen Ost-West-Konflikt machen würde. Deswegen muss es höchste Zurückhaltung bei allen geben, aber eben auch in Russland.
Auch wir sollten uns zurückhalten, was die Einflussnahme für den einen oder den anderen angeht. Wo wir uns aber nicht zurückhalten sollten, das ist die Frage von Menschenrechten, Rechtsstaat und Demokratie. Ganz im Gegenteil: Da müssen wir klar sein. Und deswegen freue ich mich, dass viele von Ihnen sich auch für einzelne Personen einsetzen. Ich tue das bei Aliaksandr Kabanau, Blogger aus Brest, Sprecher der Nominierungsgruppe rund um die Präsidentschaftskandidatin Tichanowskaja. Er wurde am 15. Juni verhaftet, und er muss freigelassen werden, wie die anderen politischen Gefangenen auch.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Herr Lukaschenko, entlassen Sie Belarus in eine Zukunft von Freiheit und Demokratie, die des 21. Jahrhunderts würdig ist!
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Sebastian Brehm das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7470394 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 175 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Demokratie und nationale Souveränität in Belarus |