16.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 175 / Tagesordnungspunkt 3

Matthias MierschSPD - Einführende Generaldebatte Nachhaltigkeit

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir hier im Deutschen Bundestag dieses Thema ganz exponiert diskutieren. Ich will Ihnen sagen, Frau Weidel – Sie reden von Nachhaltigkeit und Energiepolitik –: Gerade Ihre Fraktion ist doch ein Beispiel dafür, wie es nicht geht. Sie sind diejenigen, die weiter auf Atomkraft setzen wollen, durch die wir 30 000 Generationen nach uns Müll hinterlassen. Alles andere als nachhaltig, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Brinkhaus, ich bin Ihnen dankbar für die Initiative, die wir gemeinsam ergriffen haben. Ich finde, wir müssen lernen – da ich bin voll bei Ihnen; wir als Parlamentarier müssen das kontinuierlich machen; ich freue mich auch immer, das von Ihnen zu hören –, dass wir selbstbewusste Parlamentarier sind; deswegen will ich hier vielleicht etwas unangenehm für die Koalition werden. Ich finde, wir als frei gewählte Abgeordnete haben die volle Verantwortung, eine solche Debatte dann auch konkret zu führen.

Wir haben bei Nachhaltigkeit ein Problem: Nachhaltig kann alles und nichts sein. Die Frage, wie es konkret werden kann, ist eine, die im politischen Raum eigentlich die entscheidende ist. Selbst die globalen Nachhaltigkeitsziele – Stichwort „Bekämpfung des Hungers in der Welt“ – kann man locker unterschreiben. Die Frage ist: Wie komme ich da hin? Ich kann leidenschaftlich über Ziele 2030, 2040, 2050 streiten und damit den Versuch unternehmen, von meinen eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.

Deswegen ein paar sehr konkrete Punkte vonseiten der SPD-Bundestagsfraktion zum Auftakt dieser Debatte. Ich will Ihnen am Anfang sagen, dass ich merke, dass wir, CDU/CSU und SPD, bezüglich einer Gewichtung, welchen Stand Ökonomie, Ökologie und soziale Gerechtigkeit haben, miteinander ringen müssen.

Wenn ich beispielsweise höre, dass die schnelle Inkraftsetzung der Schuldenbremse ein Hauptziel der nachhaltigen Entwicklung ist, dann sage ich: Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten definieren als Erstes: Was soll dieser Staat leisten? Wir brauchen in dieser Phase Investitionen in Digitalisierung, in Bildung, in Infrastruktur. Und dann können wir gerne darüber reden, wie wir die Einnahmeseite gestalten, ob Schulden notwendig sind, ja oder nein. Aber als Erstes brauchen wir einen starken, handlungsfähigen Staat.

(Beifall bei der SPD)

Das ist sozialer Zusammenhalt, das ist nachhaltige Entwicklung auch für künftige Generationen.

Herr Kollege Brinkhaus, ich habe gelesen, wie Sie in der „Welt“ gesagt haben: Wenn wir eine richtige Nachhaltigkeitsprüfung gehabt hätten, dann wäre die Grundrente nicht gekommen. – Ich habe mich darüber ehrlicherweise gefreut, weil wir daran ja gesehen haben, was das für eine Leistung war, dass wir es in dieser Großen Koalition geschafft haben, das auf den Weg zu bringen. Dazu sage ich Ihnen: Nachhaltigkeit hängt, glaube ich, ganz viel mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt zusammen, dass die Gemeinschaft, wenn es darum geht, die Lebensleistung von jemandem anzuerkennen, der sein ganzes Leben gearbeitet hat, es aber trotzdem nicht zur Alterssicherung reicht, sagt: Wir sorgen für Würde. – Dann überlegen wir meinetwegen auch gemeinsam noch mal, wie wir die Finanzierung sicherstellen; aber Nachhaltigkeit und Grundrente sind kein Widerspruch, sondern ein notwendiges Paar im Hinblick auf die wichtige Frage der Alterssicherung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn ich über die nationalen Nachhaltigkeitsziele rede, dann bin ich auch bei den globalen Fragen. Hier sehen wir doch: Der Markt ist nicht per se nachhaltig. Der Markt braucht Regeln. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn wir den Hunger, die Armut in der Welt bekämpfen wollen, dann haben verdammt noch mal auch deutsche und europäische Unternehmen eine Verantwortung. Wir brauchen ein Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode!

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Auftakt – das ist ja belächelt worden von einigen hier in diesem Haus – für die nächste Debatte ist mit Sicherheit das Klimaschutzgesetz; denn es enthält einen jährlichen Überprüfungsmechanismus, mit dem wir die Regierung kontrollieren können. Die Philosophie, man müsse eine Charta für Energie schaffen, ist wieder so eine Nebelkerze von Peter Altmaier; leider ist er heute nicht da, ich hätte ihn gerne direkt darauf angesprochen. Vielleicht hat er es noch nicht ganz verinnerlicht, aber das Klimaschutzgesetz legt jährliche Ziele fest. Und da hat er zu liefern.

Wenn er jetzt vom Ausbau der erneuerbaren Energien spricht, dann sage ich: Wir haben im Kohleausstiegsgesetz einen Anteil von 65 Prozent an erneuerbaren Energien festgeschrieben. Und es war Peter Altmaier, der noch vor wenigen Wochen den Solardeckel forderte, also den Ausbau von Photovoltaikanlagen behindert hat. Ich hätte mir gewünscht, dass er statt in seine Charta etwas mehr Arbeitskraft in die wirklich wichtigen Felder gesteckt hätte. Jetzt muss er es jedenfalls tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Überlegung für den Kanzleramtsminister – er spricht noch –: Wenn diese Debatte dazu genutzt werden soll, Nachhaltigkeit sichtbar zu machen, dann nehmen Sie mal den Vorschlag mit, ob wir vielleicht an jedem Ministerium eine große Tafel anbringen, die über das Jahr hinweg anzeigt, ob diese Häuser tatsächlich ihre CO

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich an einem weiteren Punkt die Regierung ansprechen. Wir haben das größte Konjunkturprogramm in der Nachkriegsgeschichte auf den Weg gebracht: 130 Milliarden Euro. Das ist Geld, mit dem wir nachhaltige Entwicklung sehr schnell realisieren können. Aber wenn ich höre, dass beispielsweise bei dem großen Thema „Mobilität der Zukunft“ – Stichwort „Ausbau Ladeinfrastruktur“, „ÖPNV“ – das Verkehrsministerium sagt: „Davon kann dieses Jahr noch nichts abfließen, weil wir erst an Förderrichtlinien arbeiten“, dann kann ich nur sagen: Das stellt mich als Abgeordneten des Bundestages nicht zufrieden. – Wir haben dieses Konjunkturpaket hier beschlossen, damit es einen konjunkturellen Anreiz schafft. Deswegen muss hier richtig Dampf drauf. Ich bitte die Regierung, wirklich im Sinne dieser Beschlusslage zu handeln und nicht an neuen Plänen zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Unterm Strich muss man sagen: Ich glaube, dass das Thema nachhaltige Entwicklung immer wieder konkret auf die Tagespolitik zurückgeführt werden muss. Wir haben beispielsweise noch nicht über Landwirtschaft, Nitratbelastung etc. geredet. Das alles steht auch auf dieser Agenda. Wir müssen als Parlamentarier diese Debatten nutzen, um glaubwürdig darzulegen, dass wir auf Worte Taten folgen lassen. Dazu ist die Debatte heute ein guter Auftakt. Ich bin mir sehr sicher: Weitere Parlamente werden diesen Gedanken aufgreifen, um dieses Land in eine gute Zukunft zu führen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Fraktionsvorsitzende Christian Lindner.

(Beifall bei der FDP)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7470401
Wahlperiode 19
Sitzung 175
Tagesordnungspunkt Einführende Generaldebatte Nachhaltigkeit
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