Christian LindnerFDP - Einführende Generaldebatte Nachhaltigkeit
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorredner sprach davon, man müsse Worten Taten folgen lassen. In dieser Debatte ist viel von Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit ökologischen Fragen des Klimaschutzes die Rede gewesen, und da ist jeder gefordert, seinen Beitrag zu leisten. Wir haben als Fraktion unseren bescheidenen Beitrag dazu geleistet, indem wir als erste Fraktion dieses Hauses klimaneutral sind.
(Lachen der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Unser Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann und ich selbst haben unsere privaten CO
(Beifall bei der FDP – Carsten Träger [SPD]: Einfach ein bisschen Geld hinlegen, dann läuft das!)
– Ja, das ist genau das Prinzip, das Sie beschreiben: mit einem marktwirtschaftlichen Mechanismus CO
(Carsten Träger [SPD]: Man muss es sich nur leisten können! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich fände gut, wenn diese Debatte hier für uns alle ein Anlass wäre, darüber nachzudenken, ob der Deutsche Bundestag insgesamt nicht das erste CO
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU])
Lassen Sie uns bitte unterstreichen, dass Nachhaltigkeit nicht nur in ökologischer Hinsicht bedeutsam ist, sondern uns auch in ökonomischer Hinsicht in die Verantwortung nimmt. Um es plakativ in einem Satz zu sagen: Es schmelzen die Eisberge, und die Schuldenberge wachsen. Und beides müssen wir mit gleicher Aufmerksamkeit bekämpfen.
(Beifall bei der FDP)
Lassen Sie mich bei der ökologischen Frage beginnen: Was ist eigentlich aus der Klimakanzlerin geworden? Was ist aus dem Klimakabinett geworden? Es gab die Bilder aus Grönland mit dem damaligen Umweltminister. Was ist daraus geworden? Nun legt Peter Altmaier den Finger in die Wunde und beschreit, wir bräuchten einen nationalen Klimakonsens. Für mich ist das nichts anderes als das Eingeständnis, dass die bisherige Klimapolitik, die seit 2005 betrieben worden ist, offensichtlich nicht wirksam war. Das belegen ja auch die Demonstrationen der Fridays-for-Future-Bewegung. Sie demonstrieren ja nicht gegen uns oder gegen mich, weil sie Formulierungen blöd finden, sondern sie demonstrieren gegen Union und SPD, weil Sie offensichtlich keine Glaubwürdigkeit in der Klimafrage haben.
(Beifall bei der FDP – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und gegen Sie, Herr Lindner! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Was schlagen Sie denn vor?)
– Und deshalb schlage ich vor, Frau Kollegin, dass wir uns auf die Instrumente konzentrieren, die wirklich wirksam sind.
Die Denkfabrik Agora, die jetzt nicht regelmäßig von liberalen Politikern zitiert wird, hatte klar nachgewiesen, dass der CO
(Zuruf des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD])
Geboten und Subventionen haben auch Sie als Unionsfraktion mit auf den Weg gebracht. Frau von der Leyen hat heute in ihrer Rede noch zusätzliche Einzelmaßnahmen angekündigt. Das wird uns nicht weiterbringen. Wenn Frau von der Leyen für die Europäische Union heute das Einsparziel 55 Prozent vorgibt, dann brauchen wir morgen auch bei der politischen Methodik eine Trendwende: Markt und Wettbewerb sind die besten Klimaschützer, und deshalb sollten wir auf sie systematisch vertrauen.
(Beifall bei der FDP)
Im Übrigen wäre ein solcher Innovationswettbewerb für uns auch eine wirtschaftliche Chance, die Spitzentechnologien im Cleantech-Bereich hervorzubringen, die wir auf den Weltmärkten auch rentabel verkaufen können, ein doppelter Nutzen zur Sicherung unseres Wirtschaftsstandorts sowie ein Beitrag zur Überlebensfrage der Menschheit. Das scheint aber nicht überall angekommen zu sein, auch nicht im Umfeld der Bundesregierung. Wenn ich sehe, dass das Umweltbundesamt noch im November 2019 eine Studie vorgelegt hat, nach der sozusagen der Goldstandard, um die Klimaneutralität 2050 zu erreichen, sei, dass wir uns ab 2030 – ich zitiere – vom Wirtschaftswachstum befreien, dann kann ich darin kein gangbares Szenario für die Industrienation Deutschland erkennen.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU])
Im Gegenteil: Wenn das Umweltbundesamt davon spricht, dass wir uns vom Wirtschaftswachstum über einen Zeitraum von 20 Jahren, 2030 bis 2050, befreien sollten, dann kann ich das angesichts von Kurzarbeit und von Menschen, die um ihre wirtschaftliche Existenz in der Coronazeit fürchten, nur als blanken Zynismus begreifen.
(Beifall bei der FDP)
Wir brauchen beides: ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit sowie eine prosperierende Wirtschaft. Denn, Herr Miersch, wie soll das eigentlich gehen? Wie funktioniert denn Ihr handlungsfähiger Staat, von dem Sie hier gesprochen haben, in einer alternden Gesellschaft, die aufgrund von Migration zusätzlich sozialen Integrationsbedarf hat? Wie soll das, wenn weniger Menschen erwerbstätig sind, anders gehen als dadurch, dass wir wirtschaftliche Prosperität haben?
Übrigens: Die Handlungsfähigkeit des Staates ist nicht nur ein Gebot der Gegenwart, sondern auch künftige Generationen, die heutigen Kinder und Enkel, haben dereinst ein Recht auf einen handlungsfähigen Staat. Deshalb muss selbstverständlich die Schuldentragfähigkeit – man könnte auch sagen: die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen – ein wesentliches Ziel sein.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU])
Schnellstmöglich müssen wir deshalb zur Politik der ausgeglichenen Haushalte, wie sie unser Land seit 2011 ja verfolgt, zurück.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)
– Ja, natürlich. Das macht jeder Kaufmann im Mittelstand: Während der Krise löst er Reserven und Rücklagen auf, nutzt das, was er an Eigenkapital hat, um über die Krise zu kommen. Aber wenn er einen Tag weniger lange solide wirtschaftet als notwendig, dann ist es die nächste Krise, die ihn aus der Kurve wirft und in die Leitplanke führt.
(Beifall bei der FDP)
Insofern: Natürlich müssen die öffentlichen Haushalte wieder resilient werden, und das gelingt durch die Haushaltsneutralität. Dann müssen wir hinsichtlich der Nachhaltigkeit fragen, wie und wofür wir öffentliche Aufwendungen eigentlich einsetzen.
Herr Brinkhaus, dass Sie hier allen Ernstes einen Generationencheck verlangen, ist doch nun wirklich angesichts der Politik der vergangenen Jahre, die Sie zu verantworten haben, Ausdruck von Humor. Sie haben ein Rentenpaket beschlossen, bei dem die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt auf 80 Milliarden Euro anwachsen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Jetzt kommt es wieder! Sie gönnen den jungen Leuten von heute ihre Rente nicht! Sie wollen, dass die jungen Leute bis 70 arbeiten!)
Die Sozialversicherungsbeiträge werden in den 20er-Jahren auf über 40 Prozent steigen. Da brauche ich keinen Generationencheck, um Ihnen zu sagen: Diese Politik treibt einen Keil zwischen die Generationen.
(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun!)
Deshalb: Verehrte Anwesende, liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Staat hatte im vergangenen Jahr 1 Billion Euro an Sozialausgaben – bei niedrigster Arbeitslosigkeit und höchstem Beschäftigungsstand erstmals mehr als 1 Billion Euro! –, und deshalb, Herr Miersch, ist die Frage nicht: Wie bekommen wir zusätzliches Geld ins System, über Schulden oder über Steuererhöhungen? Nein, das ist nicht die Alternativsituation; das ist eine Scheinalternative. Es muss die Frage gestellt werden, wie wir die bisherigen Staatsausgaben so neu verteilen, dass sie nicht nur in den Gegenwartskonsum gehen, sondern beispielsweise durch die Stärkung von Bildung, Forschung, Innovation und Infrastruktur auch künftigen Generationen zugutekommen. Das ist die entscheidende Frage.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank. – Als Nächste spricht für Die Linke die Kollegin Amira Mohamed Ali.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7470402 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 175 |
Tagesordnungspunkt | Einführende Generaldebatte Nachhaltigkeit |