Katja MastSPD - Einführende Generaldebatte Nachhaltigkeit
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte über Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Zieldebatte, sondern auch eine Handlungsdebatte. Nachhaltigkeit muss man auch definieren. Bei aufmerksamem Zuhören heute wurde klar, dass sie sehr unterschiedlich definiert wird. Deshalb will ich für mich und für die SPD-Bundestagsfraktion noch mal definieren, was Nachhaltigkeit ist.
Sie bedeutet nicht, wie Herr Lindner suggeriert, nur Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen; sie bedeutet, Ökonomie, Ökologie und Soziales in Einklang zu bringen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mit diesem In-Einklang-Bringen meine ich dauerhaftes In-Einklang-Bringen.
Deshalb, lieber Toni Hofreiter, bin ich froh, dass wir es in dieser Legislatur nicht nur geschafft haben, beim Ausstieg aus der Atomenergie zu bleiben, sondern dass wir auch aus der Kohle aussteigen. Das ist nämlich das größte ökologische Ziel dieser gemeinsamen Regierung, und ich finde, beim Thema Ökologie haben wir geliefert.
(Beifall bei der SPD)
Ich spreche hier aber auch zur sozialen Säule der Nachhaltigkeit, weil sie in der Debatte bisher eine untergeordnete Rolle gespielt hat.
Der Sozialstaat hält unser Land zusammen. Sogar in unserer Verfassung steht: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“. Der Sozialstaat ist der Kitt. Er bedeutet Zusammenhalt, zum Beispiel in Form von Nachbarschaftshilfe, aber auch die Absicherung über soziale Sicherungssysteme, und der Sozialstaat – und deshalb ist es mir so wichtig, dass wir nicht nur bei Ökonomie und Ökologie stehen bleiben – ist der Garant für Wohlstand und Wachstum in unserem Land. Auch das gehört zum Sozialstaat dazu.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Unsere Handschrift als SPD vor Corona, während Corona und nach Corona ist, dass wir den Sozialstaat in der Bundesrepublik Deutschland ausbauen, weil er den Menschen Sicherheit gibt.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb geht es uns um Folgendes:
Der Sozialstaat bzw. soziale Sicherheit heißt erstens, dass wir würdevolle Arbeit heute und in Zukunft organisieren, garantieren und mitgestalten, indem wir für Schutz und Chancen im Wandel sorgen. Das haben wir heute im Kabinett mit der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes gemacht.
(Beifall bei der SPD)
Wir machen das, wenn wir endlich dazu kommen, Werkverträge und Leiharbeit in der deutschen Fleischindustrie zu verbieten,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
und wir machen es, wenn wir hoffentlich zusammenkommen bei einem Lieferkettengesetz, das nicht nur den deutschen Arbeitsmarkt in den Blick nimmt oder nur bis zu den Grenzen Europas wirkt, sondern international, weltweit dafür sorgt, dass Anstand und Respekt überall dort gelten, wo deutsche Unternehmen produzieren und Handel betreiben. Das ist würdevolle Arbeit.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Christian Dürr [FDP]: Fragt mal den deutschen Mittelstand, ob das wirklich hilft!)
Zweitens geht es beim Sozialstaat um Sicherheit. Es geht darum, Lebensrisiken abzusichern. Es geht darum, Vorsorge zu treffen und zu unterstützen, wenn Menschen sich nicht selbst helfen können. Das haben wir an vielen Punkten gemacht, zum Beispiel beim Rentenpakt. Das tun wir aber auch mit dem Kinderzuschlag, den seit Corona dreimal so viele Leute in unserer Republik bekommen.
(Beifall bei der SPD)
Sozialstaat bedeutet drittens soziale Gerechtigkeit. Ja, soziale Gerechtigkeit ist mehr als Generationengerechtigkeit. Natürlich ist Generationengerechtigkeit wichtig; das ist der Inbegriff von Nachhaltigkeit, aus der Forstwirtschaft kommend. Es geht aber um mehr: Es geht um Verteilungsgerechtigkeit, es geht um Leistungsgerechtigkeit, es geht um Chancengerechtigkeit, es geht um Geschlechtergerechtigkeit, und es geht um Teilhabegerechtigkeit. Das mag sich für viele – bei der FDP gibt es jetzt Lachen – wie eine Aufzählung anhören,
(Christian Dürr [FDP]: Nein! Das hat mit Lachen nichts zu tun, Frau Kollegin Mast! Das ist die Sorge!)
dahinter stecken aber ganz konkrete Maßnahmen, wie der soziale Arbeitsmarkt, der Teilhabegerechtigkeit ermöglicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Bei dem Ziel, mehr Frauen in die Führungspositionen der Wirtschaft zu bekommen – auch in die Vorstände von börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen –, geht es um Geschlechtergerechtigkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Herr Brinkhaus – mein Kollege Miersch hat Sie schon angesprochen –, ich habe mich richtig geärgert über Ihr Zitat in der „Welt“ am Wochenende. Dass Sie behaupten, die Grundrente sei nicht nachhaltig,
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ja! In dieser Form!)
das ist haushalterisch betrachtet, hat aber nichts mit Leistungsgerechtigkeit zu tun;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Christian Dürr [FDP]: Also haushalterisch!)
es hat nichts damit zu tun, dass wir die Rentenversicherung damit stabilisieren und die Anerkennung steigern.
(Christian Dürr [FDP]: Das war ein sehr guter Hinweis, Frau Mast!)
Da haben wir eine fundamental unterschiedliche Haltung zum Thema Nachhaltigkeit.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Oldschool-FDP-Denken!)
Die SPD steht für diesen Sozialstaat ein. Wir wissen, er muss sich weiterentwickeln, weil Digitalisierung, Globalisierung und demografischer Wandel den Sozialstaat vor neue Herausforderungen stellen. Für uns ist aber klar, dass es darum geht, dass die Menschen nicht Bittstellerinnen und Bittsteller im Sozialstaat sind,
(Christian Dürr [FDP]: Doch! Sie machen Sie dazu! Die Bittsteller-Republik!)
sondern dass sie im Sozialstaat auf Augenhöhe behandelt werden, dass der Sozialstaat ihr Partner ist. Dafür haben wir ein Konzept; wir wissen, wie wir das weiterentwickeln wollen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da ist der Weg aber noch weit, Katja!)
Deshalb ist für uns klar: Wir stärken das Soziale und bringen es in Einklang mit Ökonomie und Ökologie. Damit handeln wir nachhaltig und mit Weitblick.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Lukas Köhler.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7470408 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 175 |
Tagesordnungspunkt | Einführende Generaldebatte Nachhaltigkeit |