Christoph MeyerFDP - Demokratie, handlungsfähiger Staat, Finanzen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir heute auch über fiskalische Nachhaltigkeit sprechen. Denn ohne fiskalische, ohne ökonomische Nachhaltigkeit sind all die anderen Facetten, die heute schon hier angeklungen sind und auch morgen und übermorgen besprochen werden, oftmals nichts. Ohne solide Finanzen verlieren wir die Handlungsfähigkeit unseres Staates.
Wenn wir eine Bestandsaufnahme machen, wo wir im Jahre 2020 stehen, dann sehen wir: Die Sozialausgaben wachsen seit 2014 deutlich schneller als das Bruttoinlandsprodukt. Jeder zweite Euro im Bundeshaushalt wird für Soziales ausgegeben. Im Rentensystem gibt es Mehrausgaben durch Leistungserweiterungen
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: War dringend nötig!)
seit 2014 bis 2025 von ungefähr 178 Milliarden Euro – ein beispielloser Anstieg der impliziten Verschuldung.
Wenn man sich das alles vergegenwärtigt, Herr Jung, dann müssen Sie, ehrlich gesagt, eigentlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Definition von Nachhaltigkeit durch diese Große Koalition in den letzten Jahren gerade nicht gelebt wurde
(Beifall bei der FDP)
und dass es eigentlich an der Zeit ist, zu einer Trendumkehr zu kommen.
Wenn wir uns ehrlich machen, dann müssen wir uns eingestehen, dass diese Große Koalition die Früchte des Aufschwungs in den letzten Jahren verfrühstückt, verkonsumiert hat. Wir haben keine Grundlage für solide Finanzen. Das war auch jedem Haushaltspolitiker in den letzten Jahren klar. Es war vor allem auch vor Corona klar. Und nun kommen Corona, der Lockdown und die wirtschaftlichen Folgen dazu. Während Sie hier noch an der schwarzen Null, an einem ausgeglichenen Haushalt festhalten wollen, formulieren Ihr Finanzminister und die Staatssekretärin im Finanzministerium schon munter das Gegenteil, dass nämlich Corona – und das ist unsere Befürchtung – offensichtlich der Einstieg in den nächsten Dammbruch ist, der Deckmantel, um die Schuldenbremse weiter auszuhöhlen.
Genau deswegen haben wir mit neuen Forderungen in unserem Antrag ein Beispiel gesetzt, wie man sehr deutlich zu einer ökonomischen Nachhaltigkeit kommen kann. Die wichtigsten Punkte sind, dass wir ökonomische Nachhaltigkeit im Gesetzgebungsverfahren verankern wollen, dass wir einen Schlussstrich unter die Umgehungspraxis bei der Schuldenbremse setzen wollen, was das Thema implizite Schulden angeht – die Verbindlichkeiten, die immer weiter in die Zukunft verschoben werden –, und dass wir aktuell ein Moratorium für alle neuen Ausgaben fordern, die nicht für die Krisenbewältigung notwendig sind. Wenn Sie das alles beherzigen würden, dann könnten wir in der Tat hier im Haus in den nächsten zwei Tagen auch über Nachhaltigkeit diskutieren.
(Beifall bei der FDP)
Das gefällt nicht jedem; das ist unbequem. Es ist einfacher, Geld auszugeben, als zu gucken, wo man Geld einsparen kann, wo man konsolidieren kann. Aber, wie gesagt, wenn Sie es ernst meinen mit Nachhaltigkeit und ernst meinen mit dieser ganzen Woche, dann müssten Sie eigentlich genau dazu kommen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Kollege Meyer. – Der nächste Redner: für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Sven-Christian Kindler.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7470444 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 175 |
Tagesordnungspunkt | Demokratie, handlungsfähiger Staat, Finanzen |