Till Backhaus - Aktuelle Stunde - Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme ja – in Anführungsstrichen – aus dem schönsten Bundesland der Welt
(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Na, na, na!)
und aus dem gesündesten und dem sichersten Deutschlands.
(Marianne Schieder [SPD]: Waren Sie schon mal in Bayern?)
– Wenn Sie mir ganz in Ruhe zuhören mögen! – Wir haben tatsächlich lange Zeit gehabt, uns auf die ASP, auf die Afrikanische Schweinepest, vorzubereiten. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat bereits im Jahr 2009 mit diesen Maßnahmen begonnen. Wenn Sie mir jetzt die Fragen stellen: „Sind wir ausreichend vorbereitet? Wie ist das Zusammenspiel national und international, was die Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen anbetrifft, gelaufen? Können wir damit zufrieden sein?“, dann muss ich hier und heute erklären: Nein, ich bin nicht zufrieden.
Eines müssen wir feststellen: Die Afrikanische Schweinepest – das ist hier schon angedeutet worden – ist vor sehr vielen Jahren aus Afrika über das Flugzeug durch den Menschen eingetragen worden. Das nehmen wir doch bitte zur Kenntnis! Dass es uns in Europa nicht gelungen ist, dieses schrecklichen Virus Herr zu werden, ist eine Tragödie.
Deswegen sage ich hier in aller Klarheit auch noch mal ausdrücklich: Während wir bei Corona in Deutschland eine, wie ich glaube, sehr gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gezeigt haben, haben wir bei der ASP zwar auch eine Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern, aber ich nehme auch zur Kenntnis, dass wir Probleme offen und ehrlich ansprechen müssen. Die Probleme liegen sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik und damit letzten Endes auch in der gesamten Gesellschaft. Ich will die Folgen auch offen ansprechen:
Erstens. Es ist uns nicht gelungen, zwischen Deutschland und Polen einen Zaun zu bauen. Das nehme ich zur Kenntnis. Mecklenburg-Vorpommern ist das einzige Land in Deutschland, das zurzeit einen festen Wildschutzzaun baut, der temporär für fünf Jahre errichtet wird. Wenn wir es geschafft hätten, einen solchen Zaun zwischen Polen und den neuen Bundesländern zu errichten, hätten wir diesen Eintrag wahrscheinlich – damit ist uns heute aber nicht mehr geholfen – verhindern können; ich sage das sehr klar und deutlich. Ich bin traurig darüber, dass uns das nicht gelungen ist.
Zweitens. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir jetzt gemeinsam nach Wegen suchen, wie wir zwischen dem Bund und den Ländern auch die Finanzierung sehr schnell auf die Beine stellen können. Das gilt für den Zaun; das gilt aber auch für weitere Maßnahmen.
Man muss auch feststellen, dass wir zwischen dem Bund, den Ländern und der Europäischen Union dringend ein insgesamt abgestimmtes System der Bekämpfungsmaßnahmen zu etablieren haben. Ich weiß auch, dass wir mit Vorwürfen gegenüber der Bundesregierung und den Bundesländern vorsichtig sein sollten. Denn es kann jeden treffen; das sage ich in aller Klarheit.
(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Das hätte Mecklenburg-Vorpommern als Erste treffen können, genauso aber auch Baden-Württemberg, das Saarland oder Nordrhein-Westfalen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Deswegen hat es keinen Sinn, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Das kann einen ganz schnell wieder einholen.
Es ist für mich wichtig, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern – auch wenn der intensive Austausch zwischen den Ländern weitergehen muss – erstens einen festen Zaun gebaut haben, der dreimal pro Woche kontrolliert wird, der im Übrigen 1,50 Meter hoch, 30 Zentimeter tief eingegraben und mit einem Unterwühlschutz versehen ist. Wenn wir das überall gemacht hätten, dann hätten wir das Problem in der Form nicht.
(Zuruf von der FDP: Natürlich!)
Das sage ich sehr klar und deutlich.
Zweitens haben wir eine enge Kooperation zwischen den Veterinärbehörden, und wir haben die Testkapazitäten komplett hochgefahren. Ich glaube, sehr geehrte Frau Bundesministerin, auch die Telefonschaltkonferenz gestern Abend war zielführend in der Richtung, wie wir die Zusammenarbeit intensivieren können, und zwar über Landesgrenzen und Nationen hinaus. Wir erhalten aber zurzeit überhaupt keine Informationen mehr aus Polen über die Situation dort. Ich bedaure das sehr.
Im Übrigen haben wir auch intensive seuchenprophylaktische Übungen gemacht, auch länderübergreifend mit Brandenburg, aber auch nationenübergreifend mit Polen. Ich war der Erste, der die sogenannte Pürzelprämie in Deutschland auf den Weg gebracht hat, mit der wir großen Erfolg haben. Allein in unserem Bundesland sind im Durchschnitt der letzten Jahre etwa zwischen 130 000 und 168 000 Stück Schwarzwild gefallen. Im letzten Jahr waren es 196 000 Stück. Es hilft also.
Meine dringende Bitte ist da: Der Bund möge sich daran – auch an den Kosten – beteiligen, damit wir die Jägerschaft weiter motivieren, uns bei dieser Bekämpfungsmaßnahme zu helfen. Wenn wir sie demotivieren und mit dem Finger auf sie zeigen, kommen wir keinen Millimeter weiter. Im Übrigen sind auch die Landwirte aktiv mit einzubinden.
Dass wir jetzt ein Ernteverbot aussprechen, ist aus meiner Sicht nicht nur richtig, sondern auch zielführend. Wir müssen in diesen Gebieten Ruhe bekommen, und wir müssen diesen Krisenherd so schnell wie möglich ausgeräumt bekommen. Ich nehme aktuell zur Kenntnis, dass angeblich weitere Fälle aufgetreten sind, und zwar in Stadtnähe. Ich hoffe, wir alle wissen, was das bedeuten würde. Auch das nehme ich zur Kenntnis.
Es ist unbedingt wichtig, dass wir weitere Barrieren schaffen. Ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass wir an der Autobahn A11 die Wildschutzzäune komplett neu hergerichtet haben; sie wurden im letzten Jahr fertiggestellt. Ich sage auch ausdrücklich den Landwirten Unterstützung zu. Hier bitte ich um weitere Unterstützung, um die Früherkennung weiter hochzufahren. Wir müssen bei den Nutztierbeständen einen genauen Überblick haben. Von den 250 Betrieben in Mecklenburg-Vorpommern beteiligen sich 70 Betriebe an der Früherkennung.
Ich glaube, wir müssen uns auch auf weitere Entschädigungsregelungen einstellen, und zwar nicht nur in der Landschaftswirtschaft. Wir müssen zu einer Verwertungskette kommen, was die Sauen – die Wildbestände, aber auch die Haustierbestände – angeht.
Wir brauchen weiter eine unverzügliche Beprobung auch bei Verdachtsfällen. Das ist bei uns gesichert. Ich darf an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass das Friedrich-Loeffler-Institut, das seinen Sitz in der Nähe von Greifswald auf der Insel Riems in Mecklenburg-Vorpommern hat, hervorragende Arbeit abliefert.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg und Sachsen wie auch in den anderen Bundesländern leisten hier zurzeit eine wirklich enorme und wichtige Arbeit. Aber auch die Landwirtschaft, die Ernährungswirtschaft und der Lebensmitteleinzelhandel haben in der Coronakrise hervorragende Arbeit abgeliefert. Auch das darf man an dieser Stelle mal sagen. Dass wir diese Herausforderung jetzt in dieser Branche noch zusätzlich bekommen, schmerzt uns sicherlich alle sehr. Ich denke, Sie haben dafür Verständnis. Ich hoffe aber nicht, dass wir uns hier in ein hoffnungsloses Unterfangen begeben. Ganz im Gegenteil: Wir müssen konsequent handeln, ohne Panik, ohne Hysterie, aber konsequent. Alles andere hilft uns nicht weiter.
Wir sind auf dem Boden der Realität angekommen. Von entscheidender Bedeutung ist für mich: Wir müssen den Landwirten, die in der Schweinehaltung mit den drei Ks – Kastenstand, Kastration und Kupierverbot – zu tun haben – und dann kommt noch die Düngeverordnung dazu –, zeigen, dass wir wieder erkennen, dass der Wirtschaftszweig der Land- und Ernährungswirtschaft eine entscheidende Wirtschaftsgrundlage in der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Und ich stehe zu der Landwirtschaft, so wahr ich hier stehe.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein dringender Appell an uns ist: Wir müssen eine Strategie der Vorbeugung, aber auch der schnellen Umsetzung fahren. Wir brauchen des Weiteren ganz klar die Regionalisierung bei den Exportpapieren, und zwar unverzüglich, damit wir da weiterkommen. Ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, dass wir bei der Forcierung der Schwarzwildbejagung insgesamt in Deutschland vorankommen. Da ist noch mal meine dringende Bitte an den Bund, finanzielle Mittel bereitzustellen.
Absatz- und Verwertungsmöglichkeiten für Schweine, auch für Wildschweine, sind zu eröffnen. Auch dazu gibt es aus meiner Sicht gute Vorstellungen seitens der Länder. Wir werden das in der kommenden Woche auf der Agrarministerkonferenz besprechen.
Ich glaube auch, dass es wichtig ist, Unterstützungsmaßnahmen zu prüfen und auch die notwendigen rechtlichen und finanziellen Grundlagen zu schaffen. Wir haben jedenfalls in unserem Bundesland auch in dieser Frage Vorsorge getroffen. Außerdem ist es wichtig, Liquiditätsprogramme, die über die Rentenbank zur Verfügung gestellt werden können, jetzt für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe, aber auch für die Landwirte insgesamt bereitzustellen.
Abschließend: Ich bin überzeugt, dass auch die Biosicherheitsmaßnahmen, das heißt die seuchenhygienischen Maßnahmen, insgesamt in der Schweinebranche deutlich hochgefahren werden müssen. Ich hoffe, wir bewältigen das, und ich gehe davon aus, dass wir zwischen dem Bund, den Ländern und der Europäischen Union schnell zu einvernehmlichen Lösungen kommen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Minister Backhaus. – Die nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7470591 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest |