17.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 176 / Zusatzpunkt 19

Susanne MittagSPD - Aktuelle Stunde - Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Till Backhaus! Schon seit einigen Jahren ist die Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest bekannt, und entsprechend lange konnten wir uns in Deutschland auf den Tag vorbereiten, an dem das Virus bei uns erstmals nachgewiesen wird – und das wurde es jetzt.

Die Fälle in Brandenburg haben gezeigt, dass die Landkreise und das Bundesland vorbereitet waren und schnell die entsprechenden Maßnahmen ergreifen konnten. Ebenso hat das Landeskrisenzentrum in Brandenburg reagiert. Es arbeitet wie die anderen grenznahen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen auch bei derartigen Seuchenlagen mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium und Forschungseinrichtungen zusammen, wobei – das haben wir gerade gehört – bei der Zusammenarbeit offensichtlich noch Luft nach oben ist.

Genauso wie nicht vorhersehbar war, wann genau das Virus in Deutschland ist, ist auch aktuell nicht ansatzweise abzuschätzen, wie schnell es wieder eingedämmt werden kann, insbesondere da der Krankheitserreger äußerst widerstandsfähig und langlebig ist. Auch wenn das Schwein schon längst tot ist: Das Virus überlebt. Sogar in der Wurst verarbeitet hält es noch sehr lange durch.

Doch auch für solche Katastrophenfälle gibt es Organisations- und Durchführungspläne, mit denen mehrfach Probeläufe und Echtverläufe stattgefunden haben. Ich erinnere an die Bekämpfung der klassischen Schweinepest Mitte der 90er-Jahre; das hat uns ja auch sehr bewegt. Unser Nachbarland Polen zieht nach dortigen Ausbrüchen vergleichbare Maßnahmen durch. Belgien hat es geschafft, die weitere Ausbreitung zu verhindern, und in Tschechien ist es sogar gelungen, wieder ASP-frei zu werden – aber erst nach zwei Jahren. Auch davon könnte man in der Präventions- und Einsatzplanung lernen.

Bei allen Gegenmaßnahmen wie Sperrzäunen und Wildschweinbejagung bleibt aber immer noch ein unkalkulierbarer Risikofaktor, und das ist der Mensch als Überträger auf das Tier, ohne sich selbst zu gefährden, durch Nachlässigkeit, Gedankenlosigkeit und auch Ignoranz. Der Kollege Backhaus hat das schon dargestellt: Wodurch kommt es denn zur Verbreitung der Afrikanische Schweinepest? Durch den Menschen.

Auch bei aktuellen Fällen kann bisher noch nicht gesagt werden, ob es sich um Tiere handelt, die aus Polen eingewandert sind, oder ob doch wiederum womöglich der Mensch der Überträger war, wie auch vermutlich in Tschechien und ziemlich sicher in Belgien; denn da wurden Hunderte von Kilometern übersprungen durch Wegwerfen infizierter und nichtverbrauchter Lebensmittel.

Deshalb bleibt es wichtig, die Informationskampagnen weiter zu intensivieren und alle verfügbaren Medien und Maßnahmen zu nutzen. Aber auch intensivere Kontrollen werden über längere Zeit notwendig sein. Schon jetzt wirkt sich der regionale Ausbruch auch auf den Ruf aller Brandenburger Schweinehalter aus. Schlachtunternehmen zahlen sofort weniger für die Schweine, und ausländische Großabnehmer verhängen Importverbote für ganz Deutschland.

Was wird bei der Debatte und bei öffentlichen Beiträgen deutlich? Wir führen hier offenbar vornehmlich eine wirtschaftliche Debatte. Wir reden hier eigentlich so gut wie gar nicht über den Schutz der betroffenen Tiere. Der Schutz von Tieren ist inzwischen Staatsziel. Artikel 20a Grundgesetz besagt: Der Staat muss Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung schützen. – Derzeit wird nur über Abschließen, Isolieren und gegebenenfalls Keulen gesprochen, wenn die Hausschweine betroffen sein sollten. Für mich als Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion ist das wenig akzeptabel.

Damit wären wir beim Thema Impfstoff. Ja, es wird an einem Impfstoff geforscht. Aber offenbar ist das Geschäft nicht als rentabel angesehen worden. Auch wenn jetzt alle Notfallpläne ordnungsgemäß abgearbeitet werden: Vernachlässigt wurde die erfolgreiche Entwicklung eines Impfserums gegen ASP, was auch die entscheidende und vorbeugende Maßnahme hätte sein können. Die erfolgreiche Bekämpfung der klassischen Schweinepest in Deutschland hat gezeigt, wie effektiv die Immunisierung zum Beispiel bei den Wildschweinen durch Impfköder sein kann. Die Wirkung ist langfristig deutlich größer als die durch Zäune und Bejagung.

Die vergangenen sechs Jahre, in denen die ASP auf dem Vormarsch war, wurden nicht intensiv genutzt, um einen Impfstoff zu entwickeln, weder für Haus- noch für Wildschweine. In der Regel dauert die Entwicklung für solche Impfstoffe sechs bis acht Jahre. Es wäre also möglich gewesen, diesen in absehbarer Zeit verfügbar zu haben. Und wie Impfstoffforschung forciert werden kann, das sehen wir zurzeit.

Dieser Ansatz wäre, gemessen am drohenden Gesamtschaden für die deutsche Schweinefleischproduktion, vielleicht wirtschaftlich ziemlich sinnvoll gewesen. Bevor wir im Nachhinein über Sondertöpfe und Förderprogramme diskutieren, muss mehr Geld in einen zu entwickelnden Impfstoff gesteckt werden. Auch Schweine sind es um ihrer selbst willen wert, dass man sie vor einer Seuche bewahrt und dass man gerade bei so viel betroffenen und bedrohten Tieren in einen Impfstoff investiert, auch um in Zukunft im besten Fall die ASP auszurotten und nicht die Schweine.

Das Tolle daran wäre, dass aus dem Thema erstmals auch ein Tierschutzthema werden würde; denn es würde sowohl Wildschweine als auch Hausschweine vor einem quälenden Verenden bewahren, und das auch in der Zukunft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Gero Hocker.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7470597
Wahlperiode 19
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest
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