17.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 176 / Zusatzpunkt 19

Rainer SpieringSPD - Aktuelle Stunde - Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest

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Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Lieber Till Backhaus! Die Diskussion heute finde ich zu großen Teilen ausgesprochen sachgerecht und auch gut. Lieber Hans-Jürgen Thies, ich habe natürlich alles Verständnis dieser Welt dafür, dass du vier Minuten deiner fünf Minuten Redezeit dafür verwendet hast, dich dem Jagdwerk zu widmen; das sei dir zugestanden. Den armen Till Backhaus so abzuwatschen, fand ich unverhältnismäßig. Aber das musst du für dich selber entscheiden.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch ein kurzes Wort zu Gero Hocker sagen, weil mir das zunehmend auffällt. Dr. Hocker,

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Ja!)

wer so auftritt wie Sie, der versucht, das Trump’sche System in Deutschland hoffähig zu machen. Das ist der Trump’sche Ansatz: Sie vernebeln, Sie stellen falsche Tatsachen dar,

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Zum Beispiel?)

und Sie suggerieren Hilfe da, wo keine Hilfe zu bekommen ist.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Zum Beispiel?)

– Ich will Ihnen das mal an folgendem Beispiel zeigen, Herr Dr. Hocker:

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Ja!)

Wenn Sie hier suggerieren, dass die Bundesministerin in der Lage sei, den chinesischen Präsidenten zu irgendwas zu zwingen, dann ist das doch blanker Humbug.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])

Das nehmen Sie einfach mal zur Kenntnis. Das ist reine Trump’sche Manier und nicht besser.

(Zuruf des Abg. Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])

Jetzt würde ich ganz gerne zur Sache kommen. Mich macht das Ganze tief betroffen. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Der Hauptexporteur nach China ist natürlich leider Tönnies.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh! Oh! – Zuruf von der AfD: Oh Mann! Jetzt geht das wieder los!)

Jetzt haben wir einen Rückstau von Tieren zu erwarten. Wenn man die einfache Rechnung aufmacht, dass Tönnies für ungefähr 300 Tage nichts nach China exportieren kann, dann haben Sie eine Millionenzahl von Schweinen, die nicht nach China geliefert werden können. Wir haben berechnet, dass es dabei zu einem Druck auf den europäischen Markt von ungefähr 2 Millionen Schweinen kommt.

Wenn wir jetzt zugrunde legen, dass zur Ernährung ungefähr 300 Kilogramm Futtermittel verwendet werden und 750 Kilogramm Wasser, und wenn das heute mit 1,27 Euro pro Kilogramm Fleisch bewertet wird, dann ist das bitter. Das zeigt, dass das System an eine Grenze gekommen ist, und das ist im Moment krank. Das tut mir für unsere Landwirte bitter, bitter leid.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Till Backhaus und ich haben einen Vortrag von namhaften Wissenschaftlern gehört. Dabei ging es um die Frage von regionaler Kreislaufwirtschaft; das waren sehr hochkarätige Wissenschaftler. Die haben natürlich auch deutlich gemacht: Wenn man in diesem Stile exportiert, dann betreibt man einen Austrag von heimischen Ressourcen ins Ausland. Das bedeutet aber auch, dass man die Verdauungsrückstände hier verarbeiten muss. Das überlastet und stresst Boden, Luft und Wasser.

Der Appell der Wissenschaftler war: Versucht, den Export runterzufahren, und versucht eine regionale Kreislaufwirtschaft. Versucht es! – Ich halte diesen Ansatz für absolut richtig. Er ist auch nachvollziehbar, vor allen Dingen vor folgendem Hintergrund: Wenn mit dem Fleisch Benefit zu machen wäre, dann könnte man es ja zumindest noch wirtschaftlich begründen. Aber im Moment wird das nicht belohnt, und das gilt für alle Betroffenen der Wertschöpfungskette, ob das der Schlachter oder die Schlachterin ist, ob das der Fleischverkäufer oder der Landwirt ist. Denen tritt man, auf Deutsch gesagt, in den … . Das können wir nicht zulassen. Das können wir doch nicht machen in diesem Land!

Der Ratschlag der Wissenschaftler war, die regionale Wirtschaft auch als regionale Wirtschaft zu verstehen. Das bedeutet für mich, dass wir regionale Schlachthäuser fördern,

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Ich lach mich tot!)

und zwar mit Bundes- und Landesmitteln, auch mit kommunalen Mitteln, und dass wir eine Infrastruktur herstellen, die es möglich macht, zu Hause entsprechende Mengen zu schlachten.

Jetzt sage ich noch mal ausdrücklich, an die Kolleginnen und Kollegen aus Süddeutschland und Südwestdeutschland gerichtet: Es sind eure kleinen Höfe, die diesem Marktdruck nicht standhalten werden. Das sind nicht die gigantischen Höfe, sondern das sind eure Höfe. Da kommt es zum Rückstau. Die Großen können eventuell noch preiswerter produzieren; eure kleinen Höfe können das aber nicht.

Es täte mir bitter leid um die wunderschöne Kulturlandschaft in Bayern, in Baden-Württemberg und in anderen Landesteilen, wenn dieser entscheidende Träger der Kulturlandschaft pleitegehen würde, nur weil wir im Fleischbereich ein Wirtschaftssystem fahren, das sich an dieser Stelle als völlig krank erwiesen hat.

Ich bitte Sie alle, das jetzige System der Fleischwirtschaft zu überdenken, in dem wir so ziemlich alle ausplündern. Wir plündern die Kolleginnen und Kollegen aus, wir plündern zum Teil auch unsere Naturressourcen aus, und wir plündern die Landwirte aus. Ich finde, das muss ein Ende haben. Heute ist die Gelegenheit, damit anzufangen.

Herzlichen Dank für Ihr Zuhören.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der nächste Redner: der Kollege Johannes Röring, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7470601
Wahlperiode 19
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest
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