17.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 16

Volker UllrichCDU/CSU - Bundesverfassungsgerichtsgesetz (Auslandeinsätze)

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, den die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in den Deutschen Bundestag einbringt, der eine Ergänzung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vorsieht, und zwar in der Form, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr durch ein gesondertes Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht überprüft werden sollen und können. Als Voraussetzung für dieses Verfahren sieht der Gesetzentwurf vor, dass entweder ein Viertel der Mitglieder des Hauses oder eine Fraktion einen entsprechenden Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht stellen kann.

Ich werde Ihnen jetzt begründen, warum wir diesem Antrag nicht folgen können und Ihnen empfehlen werden, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles andere würde uns auch überraschen!)

Zunächst einmal will ich deutlich machen, dass es sich der Deutsche Bundestag seit dem Streitkräfteurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 nicht einfach macht, unsere Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätze zu schicken.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: 13 Einsätze!)

Jeder Einsatz, egal ob er ein größeres Kontingent umfasst oder nur vier oder fünf Soldaten, wie im Fall von Darfur, wird in zwei Lesungen, in zwei Durchgängen im Deutschen Bundestag beraten. Jeder Einsatz wird durch namentliche Abstimmung hier im Deutschen Bundestag entschieden, womit dokumentiert wird, wie jeder einzelne Bundestagsabgeordnete zu den Auslandseinsätzen steht.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das sagt doch nichts über die Rechtskonformität aus!)

Es gibt nichts, was im Deutschen Bundestag mit größerer Sorge behaftet ist als unsere Auslandseinsätze. Deswegen will ich zunächst einmal zum Ausdruck bringen, dass dieses Parlament die Entscheidung mit höchster Sorgfalt vornimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Johannes Fechner [SPD])

Wenn Sie sich Ihren Gesetzentwurf ansehen, dann werden Sie feststellen, dass er ein Stück weit inkonsistent wirkt, und zwar deswegen, weil Sie die Verfahren des Organstreits und der abstrakten Normenkontrolle vermischen. Wenn ein Auslandseinsatz verabschiedet wird und der Deutsche Bundestag nicht beteiligt wird, dann kann das ohnehin bereits im Organstreitverfahren gerügt werden. Deswegen brauchen wir dieses neue Verfahren nicht.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist kein Organstreitverfahren!)

Aber es ist etwas seltsam, dass Sie als Zugangsvoraussetzungen entweder die Fraktionsgröße im Deutschen Bundestag, also mindestens 5 Prozent, oder ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages nehmen. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie eine Art Organstreitverfahren wollen oder ob Sie ein Verfahren wollen, welches sich an der abstrakten Normenkontrolle anlehnt.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist es beides nicht!)

Wenn Sie beides vermischen, dann haben Sie – bei allem Respekt – das System des Zugangs zum Verfassungsgericht nicht verstanden. Das wird in diesem Antrag deutlich gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Ich will auch materiell-rechtlich vor diesem Antrag warnen. Zunächst einmal muss man sich ja fragen: Was ist eigentlich Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts? Prüfungsmaßstab ist nämlich nicht die Rechtsordnung als solche, sondern Prüfungsmaßstab wird die Frage werden: Liegt ein System kollektiver Sicherheit vor? Prüfungsmaßstab wird damit auch werden: Wie sind denn eigentlich die Voraussetzungen in den jeweiligen Einsatzgebieten? Damit machen Sie letztendlich etwas, was schwierig ist, was Deutschland schwächen würde. Sie werden durch diesen Antrag das Bundesverfassungsgericht zu einem neuen Akteur der Außenpolitik machen.

(Widerspruch des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE])

Haben Sie eigentlich das Bundesverfassungsgericht schon selbst gefragt, ob es ein Akteur der Außenpolitik werden möchte?

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das entscheidet der Gesetzgeber!)

Wenn Sie nämlich so weit gehen, dass Sie die Frage der Staatsleitung in der Außenpolitik nicht nur auf Bundestag und Bundesregierung übertragen, sondern auch noch ein Gericht hinzuziehen, ein Gericht, das auch noch drei Monate Zeit hat, um ein Urteil zu fällen, dann wird passieren, dass wir am Ende des Tages außenpolitisch handlungsunfähig werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Klar! Das ist die größte Sorge, die Sie haben!)

Dann werden uns unsere Verbündeten nicht mehr vertrauen, weil jeder, der für die Bundesrepublik Deutschland im Ausland unterwegs ist, deutlich machen muss, dass er keine letztendliche Kompetenz hat, über entscheidende Fragen, auch der Bündnisfähigkeit, zu entscheiden, sondern dass jedes Mal auch die Gefahr besteht, dass die entscheidenden Fragen vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

Ich glaube, das Bundesverfassungsgericht ist ein Gericht, welches Handlungen des Deutschen Bundestages, aber auch Grundrechtsverletzungen zu beurteilen hat. Aber das deutsche Verfassungsgericht soll keine Außenstelle des Internationalen Strafgerichtshofs werden oder einer Letztauslegung von Völkerrecht anheimfallen. Das wäre falsch.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Einhaltung von Völkerrecht!)

Entscheidend ist: Die Beurteilung der Frage, ob ein Einsatz der deutschen Bundeswehr angemessen ist, ob er in ein internationales Gefüge passt und ob er völkerrechtlich zulässig ist, obliegt diesem Hohen Haus; das obliegt dem Deutschen Bundestag. Wir sollten uns nicht durch ein Gesetz schwächen, indem wir den Deutschen Bundestag als direkte Volksvertretung entmachten, damit unsere Bündnisfähigkeit abmildern und letztlich zu einer Situation kommen, wo wir im Gefüge der Verfassungsorgane dem Bundesverfassungsgericht etwas aufdrücken, was dieses selber gar nicht will.

Deswegen empfehle ich in unserem eigenen Interesse, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ullrich. – Nächster Redner ist der Kollege Tobias Matthias Peterka, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7470654
Wahlperiode 19
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Bundesverfassungsgerichtsgesetz (Auslandeinsätze)
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