17.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 16

Karl-Heinz BrunnerSPD - Bundesverfassungsgerichtsgesetz (Auslandeinsätze)

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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Manches von dem, was der Kollege Ullrich angesprochen hat, könnte ich jetzt mit vollster Inbrunst wiederholen,

(Beifall des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU])

weil verfassungsrechtliche Fragen als solche richtig beantwortet wurden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung, werte Kolleginnen und Kollegen, den Entwurf eines Gesetzes, eingebracht durch Bündnis 90/Die Grünen, das vorsieht, Auslandseinsätze jeglicher Art durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre verfassungsgemäße Legalität zu überprüfen.

Ich sage es Ihnen vorweg: Dieser Gesetzentwurf ist abzulehnen; denn er gefährdet zum einen die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Quatsch!)

und zum anderen die Sicherheit unserer Einsätze, ohne dass hierfür eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit besteht.

(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Erlauben Sie mir an dieser Stelle, dies auch zu begründen.

Zum einen: Nach dem Entwurf sollen nicht nur ein Viertel der Mitglieder des Bundestages antragsberechtigt sein, sondern auch einzelne Fraktionen. Wie groß diese Fraktionen sind, sagt der Entwurf nicht. Dass damit die politische Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung und des Bundestages herbeigeführt werden kann, kann man nur erahnen. Sie vermischen hier die Antragsfähigkeit der abstrakten Normenkontrolle und des Organstreitverfahrens. Beide Verfahren sind aber strikt zu trennen. Und es gibt gute Gründe, diese abstrakten Rechtsfragen nur nach Antrag einer qualifizierten Mehrheit zu prüfen. Die Rechtsfolgen als solche sind fragwürdig.

Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zuletzt spricht gegen diesen Antrag, dass eine Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen schlicht nicht geboten ist. Die Entscheidung über Auslandseinsätze aller Art, ob zur Verteidigung oder im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit, obliegt nicht nur der Abstimmung durch die Regierung, sondern auch dem Beschluss des Deutschen Bundestages. Das ist das Wesen unserer Parlamentsarmee. Mit diesem Beschluss des Bundestages ist die gefestigte und langjährige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbunden; denn es überprüfen bereits zwei Verfassungsorgane die Rechtmäßigkeit, nach einer sehr umfassenden Debatte und einer umfassenden Erörterung.

Auch über kurzfristige Auslandseinsätze muss der Bundestag immer qualifiziert unterrichtet werden. Bundestag und Bundesregierung sind Verfassungsinterpreten, die sich umgehend mit der Frage der Legalität von Auslandseinsätzen beschäftigen.

Zudem geht es bei der Entscheidung über Einsätze der Bundeswehr im Kern weniger um rechtliche, schon gar nicht um verfassungsrechtliche, vielleicht völkerrechtliche Fragen. Es geht aber im Wesentlichen um politische Fragen.

(Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

Wir sollten bedenken, welche politische Signalwirkung ein solcher Machtzuwachs des Bundesverfassungsgerichts bei der Frage von Auslandseinsätzen auf unsere Bündnispartner hätte. Aus guten Gründen hat sich das höchste deutsche Gericht bei diesen schwierigen sicherheitspolitischen Abwägungsentscheidungen bisher äußerst zurückgehalten und der Politik einen extrem weiten Einschätzungs- und Ermessensspielraum zugestanden.

Aus diesen rechtlichen und politischen Erwägungen heraus und weil es keine Rechtsschutzlücke gibt, –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

– ist der Antrag abzulehnen. Wir werden auf jeden Fall nicht diese Rechtsunsicherheit schaffen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtssicherheit! Rechtsunsicherheit haben wir jetzt!)

Wir wollen Handlungsfähigkeit des Bundestages herstellen bzw. behalten, und dies nicht auf Kosten der Sicherheit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brunner. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Jürgen Martens, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7470657
Wahlperiode 19
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Bundesverfassungsgerichtsgesetz (Auslandeinsätze)
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