17.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 18

Judith SkudelnyFDP - COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ursprünglich die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt worden ist, war die Intention, den Unternehmen so lange Zeit zu geben, sie so lange nicht in die Insolvenz zu schicken, bis staatliche Hilfen organisiert werden können, bis staatliche Hilfen bei den Unternehmen ankommen. Damals war die Entscheidung richtig und wichtig.

(Zuruf von der FDP: Genau!)

Heute allerdings sehen wir, dass nicht nur von Covid-19 betroffene Unternehmen keinen Insolvenzantrag stellen: Die Zahl der Unternehmen, die Insolvenzanträge stellen, liegt im Moment deutlich unter der Zahl von vor einem Jahr. Selbst im regulären Wirtschaftsverkehr scheiden Unternehmen aus. Im Moment schieben wir eine Bugwelle an Insolvenzen vor uns her, und das ist eine Gefahr für die gesamte Wirtschaft in Deutschland.

(Beifall der Abg. Dr. Florian Toncar [FDP] und Wolfgang Wiehle [AfD])

Deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir wieder zur Normalität kommen. Aber Sie, liebe Große Koalition, wollen die Insolvenzantragspflicht nur für diejenigen Unternehmen einführen, die komplett pleite sind, die heute schon zahlungsunfähig sind, und die Insolvenzantragspflicht für die Unternehmen aussetzen, die überschuldet sind und – Achtung! – eine negative Fortführungsprognose haben. Denn entgegen dem, was mein Vorredner gesagt hat, reicht die Überschuldung nicht; die Fortführungsprognose muss negativ sein, der Geschäftszweck darf nicht funktionieren. Dann ist man insolvenzantragspflichtig. Und selbst diese Insolvenzantragspflicht wollen Sie aussetzen.

Jetzt gibt es die Unternehmen – Schausteller, Gastronomiebetriebe, aber auch die Veranstaltungsbranche –, die eine negative Fortführungsprognose haben, weil wir entsprechende Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung eingeführt haben. Bei denen ist es richtig, dass eine Überschuldung und eine negative Fortführungsprognose nicht zu einer Insolvenzantragspflicht führen. Aber ganz ehrlich, liebe Große Koalition: Diese Unternehmen brauchen nicht den Schutz vor dem Insolvenzrecht; sie brauchen eine wirtschaftliche Perspektive, wieder arbeiten zu können.

(Beifall des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP])

Allen anderen Unternehmen, denjenigen nämlich, die vielleicht aus ganz anderen Gründen eine negative Fortführungsprognose haben, sollte die Politik das Signal geben: Leute, von euch erwarten wir, dass ihr etwas tut, dass ihr aktiv werdet, dass ihr in ein Sanierungsverfahren geht. – Dadurch, dass Sie auch für diese Unternehmen die Insolvenzantragspflicht weiter aussetzen, erhöhen Sie die Gefahr, dass weitere Gläubiger in Mitleidenschaft gezogen werden und noch mehr Insolvenzen kommen werden, als wir ohnehin schon zu erwarten haben.

(Beifall des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP])

Deswegen brauchen wir keine dauerhafte Insolvenzantragspflicht aufgrund von Überschuldung und negativer Fortführungsprognose. Was wir brauchen, sind Perspektiven. Und wir brauchen ein Sanierungsverfahren für kleine und mittlere Unternehmen. Mit dem ESUG haben wir eine gesetzliche Lösung geschaffen, die große Unternehmen in Anspruch nehmen können. Das macht im Moment viele Sanierungsberater sehr glücklich – gegönnt sei es ihnen; sie machen einen guten Job. Aber kleine und mittlere Unternehmen können sich das im Moment nicht leisten. Und wir brauchen im Moment gerade für diejenigen eine Perspektive, deren Betrieb durch Covid-19, durch den Lockdown, beeinträchtigt ist, deren Geschäftsmodell aber funktionsfähig ist. Für sie müssen wir auch im Sanierungsrecht Perspektiven schaffen.

Wir haben dazu übrigens einen Antrag geschrieben. Eigentlich sollte für diese Unternehmen bereits ein Sanierungskonzept vorliegen, und zwar bis Mitte dieses Jahres. Sie haben es jetzt für Ende dieses Jahres angekündigt. Wenn es schneller gehen soll, schreiben Sie einfach unseren Antrag ab und übernehmen ihn in einen Gesetzentwurf. So schaffen wir ein funktionierendes System, und auch die kleinen und mittleren Betriebe haben Perspektiven.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Gökay Akbulut.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7470676
Wahlperiode 19
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz
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