Gerald UllrichFDP - Stand der Deutschen Einheit 2020
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist immer noch ein Bericht zum Zustand der deutschen Einheit nötig. Das ist nicht unbedingt vorteilhaft, zeigt aber auch, was 40 Jahre kommunistische Diktatur im Osten wirklich hinterlassen haben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Einerseits haben wir die wirtschaftlichen Probleme im Osten immer noch. Ja, wo kommen sie her? Ich selber bin Unternehmer im Osten; ich glaube, ich habe da einigen Einblick. Ich kann Ihnen sagen: Als wir damals gegründet haben, ist die Bürokratie um uns herum schneller gewachsen, als unsere Betriebe überhaupt wachsen konnten. Hätten es nicht so viel Bürokratie, nicht so viel Bevormundung gegeben, wären wir heute auch schon ein kleines Stückchen weiter.
(Beifall bei der FDP)
Das ist der Grund, warum wir im Osten relativ kleine Firmen haben, warum wir wenig große Firmen im Osten haben. Wir hatten nicht die Möglichkeit der Skalierung, wie man sie im Westen hatte. Ein weiterer Punkt war der schleppende Ausbau der Infrastruktur, zumindest in den ersten Jahren; da hat man aufgeholt. Die demografische Entwicklung und der Wegzug vieler junger Menschen – das wurde heute schon mehrfach gesagt – taten ihr Übriges.
Es wird wirklich Zeit, dass man den Osten einfach mal machen lässt. Was wir wollen, ist nicht unbedingt die maximale Förderung. Wir wollen einfach machen, damit wir uns entwickeln können. Das ist es, was der Osten braucht. So kommen wir weiter.
(Beifall bei der FDP)
Was wir auf gar keinen Fall brauchen, ist eine Ostquote. Glauben Sie mir bitte, kein Mensch im Osten möchte der Quotenossi sein, der in irgendeiner Firma schneller aufsteigt als ein westdeutscher Kollege, nur weil er aus dem Osten kommt. Das ist völliger Quatsch.
(Beifall bei der FDP)
Am Ende wollen wir selbstbewusste Nettozahler sein, die in den Länderfinanzausgleich einzahlen und nicht nur aus ihm herausnehmen.
Das zweite große Thema in dem Bericht, den Sie vorgelegt haben, Herr Wanderwitz, ist die Demokratie. Da sehe ich wirklich schlimme Dinge. Schauen wir uns die drei Hauptpunkte an: Erst einmal stellen wir fest, dass alle Menschen in Deutschland die Idee der Demokratie sehr gut finden. Der Unterschied zwischen Ost und West ist bei der Frage nach der Umsetzung deutlich größer: Die finden die Leute im Osten schlechter gelungen als die im Westen. Den größten Unterschied gibt es aber beim Punkt „Vertrauen in die Demokratie“. Im Osten liegt das Vertrauen weitaus stärker danieder als im Westen.
Herr Wanderwitz, wir müssen uns auch mal Gedanken machen, warum das so ist. Auf Ihrem Stuhl saß bis vor Kurzem noch jemand anders; das wissen Sie.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wie hieß der denn?)
Derjenige hat auch Rückgrat gezeigt.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Was?)
Dann kam die Bundeskanzlerin, die während eines offiziellen Staatsbesuches in Südafrika vor laufender Kamera die Rückgängigmachung einer Wahl in Deutschland gefordert hat. Glauben Sie mir, das hat in puncto „Vertrauen in die Demokratie“ einen riesengroßen Bruch in Ostdeutschland gebracht.
(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Reginald Hanke [FDP] – Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Auf diesen Applaus bin ich weiß Gott nicht stolz. Aber das ist leider die Wahrheit. – Ihr Vorgänger blieb standhaft, Ihr Vorgänger wurde gefeuert. Das Ende der Geschichte kennen Sie, glaube ich.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ihre Fraktion schämt sich!)
Aber wenn alles gut geht, dann wird Ihr Vorgänger morgen zum CDU-Chef in Thüringen gewählt. Und wenn es noch weiter gut geht, wird er vielleicht sogar der nächste Ministerpräsident in Thüringen.
Wenn es gut geht, kommen Sie jetzt zum Ende.
(Beifall des Abg. Frank Junge [SPD])
Herr Wanderwitz, meine Bitten an Sie: Werden Sie bei Ihren Betrachtungen auch auf dem linken Auge nicht blind, bleiben Sie aber wachsam auf dem rechten Auge – das ist richtig –, und analysieren Sie im nächsten Bericht das Thema Radikalismus genauer.
Herr Kollege, Ihre Redezeit!
Und bleiben Sie standhaft.
Danke.
(Beifall bei der AfD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Da schämt sich die FDP! – Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)
Jetzt bitte wieder ein bisschen Ruhe. – Danke schön. Jetzt kommt nämlich der nächste Redner. Das ist Matthias Höhn für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
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Electoral Period | 19 |
Session | 177 |
Agenda Item | Stand der Deutschen Einheit 2020 |