Helge LindhSPD - Konsequenzen aus dem Brand in Moria
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Baumann, dass Sie den Begriff „Hirn“ verwenden, ist mutig in diesem Zusammenhang.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Des Weiteren stelle ich fest, dass Politiker von der Linken, von SPD, Grünen und CDU auf Malta und in Griechenland waren. Die AfD war bei Assad in Syrien. Das macht den ganzen Unterschied in diesem Hause aus.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Angesichts der Situation von Moria ist man hin- und hergerissen. Ich glaube, man muss das Dilemma benennen. Einerseits sagt das Herz einem: Wir müssten die 13 000 Menschen – eigentlich noch mehr – aufnehmen – im Zweifelsfall in Deutschland angesichts der viel zu langen Zeit, die wir zugewartet haben.
(Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
Andererseits sagt eben der Verstand, dass das mit Griechenland in der gegenwärtigen Situation gar nicht realisierbar ist, weil die Regierung das nicht mitmacht, dass wir da selber in der Koalition ehrlicherweise keinen Konsens haben und bis auf Weiteres auch nicht zu einem solchen Konsens finden werden und dass auch im Sinne einer europäischen Lösung eine solche Entscheidung am Ende nicht verantwortungsbewusst sein kann. Das ist das Dilemma, in dem wir uns bewegen.
Ich spreche, glaube ich, für viele Abgeordnete, auch aus den Regierungsfraktionen, dass uns das keine Ruhe lässt und uns auch schlaflose Nächte bereitet,
(Zuruf des Abg. Michel Brandt [DIE LINKE])
die aber harmlos und lächerlich sind im Vergleich zu den vielen schlaflosen Nächten der Menschen auf Moria.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Vor diesem Hintergrund hat Politik gewirkt. Auch der sozialdemokratische Druck seitens der Fraktion, seitens unserer Parteivorsitzenden hat dafür gesorgt, dass wir, anders als noch vor einer Woche, jetzt von ungefähr 2 750 Menschen sprechen können, die in Deutschland – zum Teil im Alleingang, zum Teil aber im europäischen Zusammenschluss – aufgenommen werden. Das ist eine deutlich veränderte Situation gegenüber dem Zustand vor einer Woche. Und es ist richtig, dass wir so entschieden haben.
(Beifall bei der SPD)
Wir drängen weiterhin. Der abwesende Innenminister kann mit einer Einvernehmenserklärung dafür sorgen, dass Länder und damit auch Kommunen Menschen aufnehmen können. Das ist unsere Forderung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Und wir stehen für eine neue Systematik der Familienzusammenführung, die auch für deutliche Entlastungen sorgen würde. Und wir fordern, dass es weitere Aufnahmen geben wird – das hat Norbert Walter-Borjans unmissverständlich artikuliert –, aber dies eben mit europäischen Partnern.
(Beifall bei der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Kümmert euch doch mal um die deutschen Arbeitgeber!)
Kommen wir jetzt aber zu einem anderen Punkt und zu all den Ritualen, die wir hier erleben. Ich frage daher, wenn wir in der jetzigen Situation immer einfordern, wir dürften keine Pull-Faktoren schaffen: Was ist mit den Push-Faktoren? Ich erwähnte schon Assad. Sprechen wir hier nicht von Menschen, die nicht nur reine Reaktionswesen sind, sondern die ein Herz haben und die leben? Wenn es hier heißt, 2015 dürfe sich nicht wiederholen, dann entgegne ich: Die Menschlichkeit, die wir seinerzeit erlebt haben und auf die wir als Gesellschaft stolz sein dürfen, sollte sich sehr wohl wiederholen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir von einem deutschen Alleingang sprechen oder von einem deutschen Sonderweg, dann ist ein deutsches Vorbild, eine deutsche Schrittmacherfunktion etwas, auf das wir, glaube ich, angesichts unserer Geschichte stolz sein können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
An die Antragstellerinnen und Antragsteller gerichtet, erlaube ich mir aber auch, zu sagen – –
Herr Lindh, Sie müssen das jetzt wirklich schnell sagen.
Sie wollten mir letztens eine Minute mehr geben, ich erinnere mich!
(Heiterkeit bei der SPD)
Wenn Frau Göring-Eckardt von einem Alibiangebot oder einem Scheinangebot spricht, dann möchte ich schon darauf hinweisen, dass es im Bundesrat unter grüner Beteiligung nicht gelungen ist, zustande zu bringen, dass erleichterte Landesaufnahmeprogramme möglich werden. Denn auch Grüne erleben eben, was es bedeutet, in Regierungsverantwortung zu stehen. Dann ist es nicht so einfach, auf der einen Seite Forderungen zu stellen, während man auf der anderen Seite in der Regierungspraxis anders handelt. So ist es nicht in Ordnung, wenn Sie mit namentlichen Abstimmungen versuchen, die Sozialdemokratie und ganz viele Abgeordnete, die in dem Dilemma stecken, das ich eben beschrieben habe, vorzuführen.
Herr Lindh, bitte.
Das ist keine verantwortungsbewusste Politik, sondern das nenne ich ein Scheinangebot.
(Beifall bei der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Können das jetzt alle so machen und einfach weitersprechen?)
Vielen Dank, Helge Lindh. – Nächste Rednerin: Linda Teuteberg für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7470932 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 177 |
Tagesordnungspunkt | Konsequenzen aus dem Brand in Moria |