18.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 177 / Tagesordnungspunkt 30

Michael Roth - Schutz von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele hier im Hause wissen es: Die Europäische Union ist nicht in erster Linie ein Binnenmarkt oder eine Währungsgemeinschaft, sondern wir sind vor allem und zuerst eine Werte- und eine Rechtsgemeinschaft, und diese Werte und diese Rechte verpflichten uns alle.

Den Vätern und Müttern des vereinten Europas wäre es vor Jahrzehnten vermutlich nicht in den Sinn gekommen, dass es im Inneren der Europäischen Union einmal ernsthaft zu Gefährdungen, Infragestellungen und Verletzungen der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit kommen könnte. Umso wichtiger ist es, dass wir diesen Verletzungen Rechnung tragen.

Bislang verfügt die Europäische Union über ein Instrument mit sehr hohen Hürden, an dessen Ende der Entzug des Stimmrechtes für ein Mitgliedsland steht, nämlich das sogenannte Artikel-7-Verfahren. Wir alle wissen: Niemandem schmeckt das so richtig; wir kommen nicht richtig voran, gleichwohl Artikel-7-Verfahren derzeit gegen Ungarn und Polen geführt werden. Die Verfahren laufen noch.

Insofern bedanke ich mich bei den Fraktionen, die heute diese Debatte hier auf die Tagesordnung gesetzt haben. Ich bedanke mich für die Initiative insbesondere auch der Koalitionsfraktionen. Ich habe den Eindruck, dass die Mehrheiten für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit im Deutschen Bundestag inzwischen größer sind als noch vor einigen Jahren. Ich bin diesem Thema seit meinem Amtsantritt vor sieben Jahren in besonderer Weise verpflichtet, und es war nicht immer selbstverständlich, in dieser Offenheit darüber zu reden. Deshalb vielen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist Rückenwind für die Verhandlungen der Bundesregierung – die Ratspräsidentschaft ist angesprochen worden –, weil eine unserer Prioritäten die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit ist. Wir wollen mit Ihrer Unterstützung zwei neue Instrumente einführen:

Das erste Instrument – um es auf den Punkt zu bringen –: Wenn irgendwo die Rechtsstaatlichkeitsprinzipien verletzt werden, dann soll es zukünftig weniger Geld aus der EU geben – technisch formuliert: Rechtsstaatskonditionalität. Wir verhandeln derzeit mit dem Europäischen Parlament auf Grundlage einer Ratsschlussfolgerung darüber, ob auf Vorschlag der Kommission mit entsprechender qualifizierter Mehrheit des Rates eine solche Rechtsstaatskonditionalität auf den Weg gebracht werden kann. Es sind schwierige Verhandlungen, aber ich bleibe optimistisch.

Hinzu kommt ein zweites Instrument. Zum allerersten Mal in der Geschichte des vereinten Europas wird die Europäische Kommission einen Rechtsstaatsbericht vorlegen, auf dessen Grundlage wir einen Rechtsstaatscheck im Rat einführen werden, und diesem Rechtsstaatscheck müssen sich alle Mitgliedstaaten unterziehen. Wir werden die generelle Lage der Rechtsstaatlichkeit bewerten, aber eben auch Land für Land darüber sprechen, was gut läuft und was besser laufen kann.

Ich kann nicht über den rasanten Zuwachs von Antisemitismus in anderen Ländern reden, wenn ich nicht auch kritisch über den wachsenden Antisemitismus in Deutschland spreche. Es geht um das, was uns alle betrifft. Deswegen hilft uns eine oberlehrerhafte Attitüde der Besserwisserei überhaupt nicht. Wir alle tragen Verantwortung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb ist es das Ziel der Bundesregierung, wieder ein gemeinsames Verständnis von Rechtsstaatlichkeit zu erreichen. Derzeit – ich muss es ganz offen sagen – spaltet dieses Thema. Das passt aber nicht zu einem Europa, das der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Unabhängigkeit der Justiz und den Menschenrechten verpflichtet ist.

Deshalb danke ich Ihnen noch einmal herzlich, und ich würde mich freuen, wenn das, was Sie uns als Ambition und als Erwartung mit auf den Weg geben, am Ende der Ratspräsidentschaft auch erfolgreich zum Abschluss gebracht werden kann.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Corinna Miazga, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7471173
Wahlperiode 19
Sitzung 177
Tagesordnungspunkt Schutz von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie
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