Johannes SchrapsSPD - Schutz von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie
Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manche Themen begleiten uns über längere Zeit durch die politische Arbeit, weil es auch sehr grundsätzliche Themen sind. Das Thema Rechtsstaatlichkeit ist sicherlich eines dieser Themen, das völlig zu Recht immer wieder – übrigens auch durch Anträge aus allen demokratischen Fraktionen in diesem Haus – auf unserer Tagesordnung steht. Ich freue mich über die vielen positiven Rückmeldungen zu diesem Antrag. Ich glaube, es ist wichtig, wenn gerade nach langjähriger Arbeit dann irgendwann konkrete Ergebnisse auf dem Tisch liegen.
Die Achtung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist Grundpfeiler der Europäischen Union. Beide Grundwerte bedingen einander. Ohne Achtung des Rechtsstaatsprinzips kein demokratisches Gemeinwesen. Ohne demokratische Herrschaftsform und demokratische Ordnung ist irgendwann über kurz oder lang mit der Abschaffung des Rechtsstaats zu rechnen. Das können wir an einigen europäischen Staaten leider beobachten. Weil diese Werte so essenziell für uns sind, lohnt es sich auch, für sie zu streiten und sie zu schützen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist deshalb ganz wichtig – Michael Roth hat es gesagt –, dass das Thema Rechtsstaatlichkeit eine der wichtigen Prioritäten im Arbeitsprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist. Ein erster wichtiger Erfolg ist der Beschluss des Europäischen Rates aus dem Juli. Mit dem Beschluss, die finanziellen Interessen der Union im Einklang mit den Werten aus Artikel 2 des EU-Vertrages zu schützen, im gleichen Atemzug die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit ganz konkret zu unterstreichen und die Einführung einer Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts und des EU-Wiederaufbauprogramms zu beschließen, kommen wir doch jetzt endlich zu Fortschritten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Kollege Kuhle, wir haben den Antrag vor der parlamentarischen Sommerpause in den parlamentarischen Prozess eingebracht und ihn in dieser Woche in den Ausschüssen beschlossen. In der Debatte heute können wir auch schon die einen oder anderen Erfolge feststellen; denn es gibt den Beschluss des Rates. Vor der parlamentarischen Sommerpause brauchten wir Platz in den Debatten und in den Ausschüssen für wichtige Entscheidungen im Zusammenhang mit Corona.
Ich glaube, es ist auch ganz gut, dass wir das heute diskutieren; denn in Kürze wird die EU-Kommission den ersten jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit veröffentlichen. Parallel wird – das hat der Staatsminister gerade angesprochen – auch der von der deutschen Ratspräsidentschaft für Oktober angesetzte Rechtsstaatsdialog im Ministerrat geführt. Ich denke, mit dieser Debatte können wir noch für ein bisschen Rückenwind sorgen.
Die Grundlage für die Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist dieser Dialog, dessen Notwendigkeit wir in der Debatte hier auch immer wieder gehört haben. Denn es geht nicht darum, jemanden zu bestrafen, sondern es geht darum, ein gemeinsames Verständnis von Rechtsstaatlichkeit als Grundlage für unser demokratisches Gemeinwesen fest zu verankern.
(Beifall bei der SPD)
Durch das Etablieren dieses kontinuierlichen Dialogs unter Einbeziehung aller Mitgliedstaaten – das ist mehrfach betont worden – und durch die Einführung einer Konditionalitätsregelung machen wir einen ganz wichtigen Schritt.
Das einzige Instrument zur Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit – das sogenannte Artikel-7-Verfahren – erfordert bisher die Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten; die damit verbundenen Schwierigkeiten kennen wir alle. Der neue Mechanismus sieht jetzt die Notwendigkeit einer qualifizierten Mehrheit für eine Zustimmung im Rat vor. Als Parlamentarier – das muss man ehrlicherweise sagen – hätten wir uns gewünscht, dass die Sanktionen bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit im Rat nicht mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden sollen, sondern erst mit qualifizierter Mehrheit abgewendet werden können. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied, der eine etwas niedrigere Hürde bedeutet hätte.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie bei uns ja zustimmen!)
Deshalb halten wir in diesem Antrag an dieser Forderung fest; denn mit der konkreten Ausgestaltung und der technischen Umsetzung der Konditionalität wird sich der Rat noch weiter intensiv beschäftigen müssen, und er wird sich auch mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parlament auseinandersetzen müssen.
Für die Verhandlungen auf europäischer Ebene geben wir der Bundesregierung und den Kolleginnen und Kollegen im EP mit diesem Antrag auf jeden Fall viel Rückenwind und eine klare Botschaft: Um Demokratie und Freiheitsrechte in der Europäischen Union zu bewahren, muss die EU ihre Grundwerte wirkungsvoll schützen. Jeder Schritt dorthin ist schwer umkämpft und gleichzeitig essenziell wichtig.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Zum Abschluss möchte ich gerne noch meinen beiden Mitberichterstattern Volker Ullrich und Philipp Amthor für das Zustandekommen des Antrags herzlich danken. Mir ist klar, wie schwierig es ist mit einer Partei wie der Fidesz in den Reihen der Europäischen Volkspartei – umso schöner und umso größeren Respekt, dass wir diesen Schritt hier heute gemeinsam gehen konnten. Ich bitte um eine große Zustimmung des Hauses.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Tja, ich will nur sagen: Wenn jeder 40 Sekunden überzieht, sind wir heute noch um Mitternacht hier, also ich nicht mehr, aber Sie.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7471180 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 177 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie |