Dagmar FreitagSPD - Aktuelle Stunde - Hinrichtung Navid Afkaris und die deutsche Iranpolitik
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kolleginnen! Ja, fassungslos blicken wir auf die Vollstreckung des Todesurteils gegen den iranischen Olympiateilnehmer Afkari: vollstreckt ohne rechtsstaatliches Verfahren, mit einem Geständnis unter Folter abgepresst. Die Familie konnte nicht mal Abschied nehmen.
Iran ist aber auch ein Land – das wissen die wenigsten – mit einer jahrhundertealten und immer noch sehr vitalen Sportkultur, von der die Frauen allerdings bislang ausgeschlossen sind.
Ringen ist eine besonders populäre Sportart im Land. So ist es überhaupt kein Wunder, dass der beste Ringer des Landes zum Problem wurde, ja, zur Bedrohung für dieses Regime, allein aufgrund seiner klaren Haltung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sport ist politisch, auch wenn er sich das nicht immer eingestehen will. Doch wo ist jetzt der organisierte Sport mit seinen ansonsten so omnipräsenten Vertretern? Ja, Präsident Bach hatte ein Gnadengesuch eingereicht. Und, ja, man sei geschockt, hieß es nach der Exekution aus den Reihen von IOC und DOSB. Ich glaube das im Übrigen auch. Dennoch: Ich muss den Finger in diese Wunde legen. Die furchtbare Tragödie des Ringers Navid Afkari ist zugleich auch eine Tragödie des internationalen Sports, der nämlich mittlerweile wieder zur Tagesordnung übergegangen ist – wie immer, möchte man fast resigniert anfügen.
Ganz anders allerdings die Athleten: Weltweit positionieren sie sich, stellen angesichts dieses furchtbaren Schicksals von Navid Afkari klare Forderungen, beispielsweise Maximilian Klein von Athleten Deutschland – ich zitiere –:
Das Internationale Olympische Komitee und die Weltverbände müssen das iranische Regime mit sofortiger Wirkung vom internationalen Sportsystem ausschließen. Die Tatenlosigkeit des IOC ist inakzeptabel … Iranische Athletinnen und Athleten sollten weiterhin unter neutraler Flagge starten dürfen und geschützt werden. … Die Sanktionen müssen sich gegen das Regime und die politische Führung richten. Auch das iranische olympische Komitee muss vom IOC suspendiert werden …
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der AfD und der FDP)
Das, meine Damen und Herren, sind klare Forderungen in Richtung IOC, denen sich im Übrigen auch international agierende Athletenvereinigungen angeschlossen haben. Es sind die mündigen und selbstbewussten Athleten, die nicht nur in unserem Land, sondern weltweit Zeichen für Menschenrechte setzen. Das ist ein Beispiel für das, was Sie abfällig mit „Black Lives Matter“ abtun.
(Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)
Eins ist auch klar: Menschenrechte sind nicht verhandelbar.
(Beifall der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])
Sehr geehrte Damen und Herren, es geht nicht darum, dass der Sport Regierungen zu Fall bringen soll. Das kann keine Sportorganisation. Was aber wirklich frustriert, ist die immer wiederkehrende Strategie des IOC und vieler Sportverbände, in Tatenlosigkeit zu versinken, mit dem Argument, man müsse die Souveränität des betreffenden Landes respektieren. Aber ich bin der festen Überzeugung: Der Sport kann, nein, er muss Zeichen setzen;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
denn die Möglichkeiten hat er schließlich.
Dass das IOC ganz empfindlich reagieren kann, wenn beispielsweise Einmischung in die Autonomie eines Nationalen Olympischen Komitees vermutet wird, haben wir am Beispiel Kuwait gesehen. Kuwaits Nationales Olympisches Komitee wurde im Vorfeld der Olympischen und Paralympischen Spiele in Rio 2016 suspendiert.
Wenn es also um vermeintliche oder auch tatsächliche Einmischung staatlicher Stellen in die gerne betonte Autonomie des Sports geht, bedient sich das IOC ohne jegliches Zögern seines durchaus vorhandenen politischen Instrumentenkastens. Zum Beispiel darf das iranische Team demnächst nur unter neutraler Flagge starten. So etwas tut gerade autoritären Regimen weh; das haben wir schließlich in der Causa Russland gesehen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, nur bedauernde Worte und dann, um im Bild zu bleiben, der Ausfallschritt zur Tagesordnung, das ist nach der Hinrichtung von Navid Afkari endgültig zu wenig.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Letzter Redner ist der Kollege Peter Beyer, CDU/CSU.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Bijan Djir-Sarai [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7471205 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 177 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Hinrichtung Navid Afkaris und die deutsche Iranpolitik |