29.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 178 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 08, ...

Metin HakverdiSPD - Allgemeine Finanzdebatte

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind nach wie vor – das war heute in der Debatte nicht so ganz klar – in einer Krise. Die Pandemie hat das ganze Land bis heute einem riesigen Stresstest unterzogen. Seit März dieses Jahres ist eine Menge passiert: Wir hatten einen Lockdown, Homeschooling, Homeoffice – mal besser, mal schlechter –, Angst vor Entlassungen, Sorge vor Überforderung des Gesundheitssystems. In dieser Phase konnten wir sehr froh sein, dass wir einen starken leistungsfähigen Staat haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben eine Menge gemacht. Wir haben sehr viel Geld in die Hand genommen: mit zwei Nachtragshaushalten mit einem Volumen von über einer halben Billion Euro in diesem Haushaltsjahr. Wir haben mit dem Kurzarbeitergeld viele Tausend Menschen vor der Arbeitslosigkeit bewahrt und einen ökonomischen Schock fürs ganze Land verhindert.

Aber die Unsicherheit bleibt, weil wir keinen wirksamen Impfstoff haben, weil wir kein wirksames Medikament haben. Diese Unsicherheit hat nach wie vor Konsequenzen: für die Stimmung im Land ganz allgemein, für die Wirtschaft, und – das muss man sagen – bei den einen oder anderen Demonstrationen, die es in den letzten Wochen gab, hatte sie auch Konsequenzen für die Demokratie.

Deshalb müssen wir mit diesem Haushalt auch ein Zeichen an unser Land senden: Wir handeln. Wir werden das gemeinsam durchstehen, die Gesundheit der Menschen erhalten und den Karren so schnell es irgend geht wieder flottmachen.

(Beifall bei der SPD)

Dafür nehmen wir noch einmal viel Geld in die Hand. Wir nehmen viel Geld in die Hand für den Krankenhauszukunftsfonds. Das Konjunkturpaket setzen wir im nächsten Jahr natürlich fort. Für die Kurzarbeiterregelung, die wir bis Ende 2021 verlängern, stellen wir die Bundesagentur zum Beginn des Jahres 2022 schuldenfrei, komme was wolle.

(Peter Boehringer [AfD]: Das wird richtig teuer! Extrem teuer!)

Hinzu kommt eine Investitionsinitiative, die historisches Ausmaß hat – das ist hier schon gesagt worden –: Von jetzt bis 2024 investieren wir 270 Milliarden Euro. Das ist die größte Investition in der Geschichte unserer Landes – ein richtiges und historisches Zeichen zu diesem Zeitpunkt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube aber, wir sollten noch mehr tun. Zusätzlich würde ich mich freuen, wenn wir gemeinsam mit der Union unsere Programme noch passgenauer machen für die, für die de facto immer noch ein Berufsverbot besteht. Ich denke hier zum Beispiel an die Reise- und Veranstaltungsbranche.

(Otto Fricke [FDP]: Selbstständige!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, während die Coronapandemie stattfindet, bleibt die Welt um uns herum nicht stehen. Während der Haushaltsberatungen – sie dauern bis zur zweiten Dezemberwoche – wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Egal wie diese Wahl ausgeht, Europa wird in Zukunft mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen müssen. Wir haben in der Krise festgestellt, dass wir zu abhängig sind von Wertschöpfungsketten bis nach Asien; dies macht uns sehr anfällig. Wir sehen, dass sowohl die gesundheitliche Entwicklung als auch die wirtschaftliche Situation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union an uns nicht spurlos vorbeigehen, auch menschlich nicht an uns vorbeigehen. Das Virus macht an der Grenze eben keinen Halt.

Lassen Sie uns diese Krise deshalb auch nutzen, um uns national, aber auch auf europäischer Ebene handlungsfähiger zu machen. Wir werden hier in den kommenden Monaten wichtige Entscheidungen hinsichtlich des EU-Haushalts und des Recovery Fund, des Wiederaufbaufonds, treffen. Das könnte tatsächlich ein Hamilton-Moment werden.

Wir sollten diese Krise, wie wir das schon oft in der Vergangenheit gemacht haben, zum Anlass nehmen, uns zu fragen: Reicht das? Können wir als einzelnes Land tatsächlich im Konzert der Mächtigen – USA, China, Indien usw. – mitspielen? Können wir unsere Art, zu leben, global pflegen und verteidigen? Wir sollten die EU einen Schritt souveräner machen. Denn nur so können wir in Zukunft unseren eigenen nationalen Interessen auf der Weltbühne Gehör verschaffen.

Souveränität setzt aber auch finanzielle Handlungsfähigkeit voraus. Deshalb müssen wir, auch hier in diesem Haus, unsere Sichtweise auf EU-Eigenmittel und die Refinanzierungsmöglichkeiten der Europäischen Union den neuen globalen Herausforderungen anpassen.

Die Pandemie hat uns in den letzten sieben Monaten einiges gelehrt. Wir haben gelernt, dass wir nur solidarisch einer Krise entgegenwirken können. Wir haben gelernt, dass die Verantwortung tragen, die Abstand halten und Maske tragen – für alle, für Arbeitsplätze, für die Möglichkeit, Schulen offen zu halten, und für gesundheitlich besonders verletzliche Menschen. Wir haben auch gelernt, dass wir einen handlungsfähigen Staat brauchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das will ich an dieser Stelle auch noch mal sagen: Wir haben gelernt, dass wir ohne einen Sozialstaat keine Pandemie bekämpfen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])

Wir werden in diesem Jahr und in den nächsten Jahren handeln. Ja, es gibt weiterhin Ungewissheiten. In der Wissenschaft gibt es Ungewissheiten, in der Wirtschaft und auch im privaten Umfeld. Unsere Antwort mit diesem Haushalt ist: Wir sind bereit. Was immer nötig ist, werden wir tun, um die Menschen in unserem Land vor gesundheitlichen Schäden zu schützen, um wirtschaftlichen Schaden abzuwenden und um unser solidarisches Gemeinwohl zu stärken. Die Menschen in unserem Land können sich auf uns verlassen.

Ich freue mich auf die Haushaltsberatung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Letzter Redner in der allgemeinen Finanzdebatte ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Tankred Schipanski.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7473210
Wahlperiode 19
Sitzung 178
Tagesordnungspunkt Allgemeine Finanzdebatte
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