Rainer SpieringSPD - Ernährung und Landwirtschaft
Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen!
Was du ererbt von deinen Vätern hast,erwirb es, um es zu besitzen! Was man nicht nützt, ist eine schwere Last.
Das ist nicht von Rukwied, sondern von Goethe.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Wenn Sie das einmal sinnbildlich auf die heutige Zeit übertragen, erkennen Sie: Das ist nicht eine Verpflichtung für die Landwirtschaft, sondern eine Verpflichtung für alle Väter und Mütter in diesem Land. Das heißt im Klartext: Wir haben das zu erhalten, was man uns in einem guten Zustand gegeben hat: Boden, Luft und Wasser. Das ist sinnbildlich das, was Goethe uns mitgibt, was wir für unsere Kinder und Kindeskinder zu schützen haben.
(Beifall bei der SPD)
Kein Wirtschafts-, Öko- und Sozialbereich ist so komplex wie die Landwirtschaft. Es gibt keine einfachen Antworten. Wir hatten gestern ein Gespräch mit der Initiative „Land schafft Verbindung Deutschland“. Ich werde jetzt ein paar Punkte nennen, die man uns mitgegeben hat: Anerkennung, faires Verhalten, angemessene Verteilung von Mitteln im Einklang mit Gesellschaft und Landwirtschaft, Stärkung regionaler Kulturlandschaft, Steigerung der Wertschöpfung in der Landwirtschaft. Kurz: Man kann besser an der Landwirtschaft Geld verdienen als in der Landwirtschaft. Das, Kolleginnen und Kollegen, haben wir zu ändern.
Eine Kernbedingung dafür ist ein gemeinsames Fundament und das wahre Benennen der Zielkonflikte. Ich möchte jetzt auf ein paar Felder eingehen: Wenn wir die Landwirtschaft nüchtern als einen Teil von Ernährungswirtschaft betrachten, dann haben wir es mit drei unabhängigen Wirtschaftskreisläufen zu tun, die ineinander greifen. Das sind die Landmaschinentechnologie, die Saatgutindustrie, die Chemie, dann die Landwirtschaft als Produktionszweig selber und dann nachgelagert der gesamte Bereich der Fleischindustrie, der Fleischverarbeitung und des Lebensmitteleinzelhandels. Ich würde mich jetzt gern jedem einzelnen Feld zuwenden.
Wenn wir uns dem Bereich der Landmaschinentechnologie, der Saatgutherstellung und der Chemie nähern, dann stellen wir fest: durch die Bank gut bezahlte Arbeitsplätze, ordentliche Verhältnisse an den Arbeitsplätzen, hohe Erträge durch hohe Innovationskraft. Das wird gespeist durch wissenschaftliche Leistung und durch die Tätigkeit der jeweils dort anwesenden Kolleginnen und Kollegen. Hier ist es unsere Aufgabe, deutlich besser zu unterstützen.
Die Firmen sind dazu in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen. Tun wir das als Staat auch? Sind wir genügend ausgerüstet mit 4 G/5 G, mit Breitband? Nein. Wir können unsere Intelligenz nur auf die Felder bringen, wenn der Staat dort seine Aufgabe wahrnimmt. Da besteht, Kolleginnen und Kollegen, durchaus Verbesserungsbedarf.
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen eine deutlich bessere Verzahnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem, was wir tun.
(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])
Wir sind aber in diesem Bereich in der Lage, es zu tun. John Deere und The Climate Corporation halten jeweils Datensätze für 40 Millionen Hektar. Unsere landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst nur 17 Millionen Hektar. Haben wir die Datensätze dazu? Haben wir die Kenntnisse? Nein. Da muss man die Frage stellen: Warum haben wir sie nicht? Weil wir weder die Infrastruktur aufbauen noch die gesetzlichen Regelungen schaffen, um dafür Sorge zu tragen, dass die Daten und Datenmengen an ihre jeweiligen Adressaten kommen. Da besteht deutlicher Verbesserungsbedarf. Wir müssen endlich die IT-Plattform der Bundesrepublik Deutschland für die Landwirtschaft an den Start bringen.
(Beifall bei der SPD)
Das Ziel bei allem Vorgehen muss sein, die natürlichen Ressourcen sorgfältig einzusetzen, und zwar nach einem alten Schlosserspruch: So wenig wie möglich und so viel wie nötig. Davon, Kolleginnen und Kollegen, sind wir, weil wir nicht digitalisiert sind, weil wir nicht die Verzahnung der Datensätze haben, leider noch weit entfernt. Aber wir haben als SPD eine Forderung für den Haushalt aufgestellt: Wir möchten, dass alle Güllefässer in Deutschland GPS-ausgerüstet sind, wir alle Verfahrwege kennen, wir den jeweils Eintragenden und den jeweils Austragenden kennen, damit die Datensätze vorliegen und wir diejenigen, die Verursacher sind, benennen können und vor allen Dingen die, die nicht Verursacher sind, schützen können.
(Beifall bei der SPD – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Was für ein bürokratisches Monstrum!)
Ich komme zur Afrikanischen Schweinepest und zum Export. Wie hoch ist der Preis? Der Import großer Mengen an Futtermitteln und ein großer Eigenverbrauch an Wasser haben eine Nitratbelastung und den Verlust von Phosphor zur Folge, und das bei einem Preis von 1,27 Euro pro Kilogramm Fleisch. Das ist ökologisch sinnlos, sozial sinnlos und leider auch ökonomisch sinnlos.
(Beifall bei der SPD)
Die Antwort muss sein: Weniger ist mehr. Das bedeutet: Wir wollen bessere Tierhaltungssysteme, größere Ställe, mehr Licht, mehr Luft, bessere Lebensbedingungen für die Tiere, weniger Tiere, mehr Geld für den Landwirt für die Erzeugung der Tiere.
(Beifall bei der SPD)
Dazu haben wir einen Forderungskatalog zur Förderung der regionalen Vermarktung aufgestellt: Obst und Gemüse für Kindergärten, Schulen, Universitäten und die großen Mensen der Betriebe, welch ein Absatzmarkt. Aber wir müssen ihn fördern. Wir müssen auch die regionalen Schlachthöfe fördern. Hubertus Heil hat mit seinem Gesetz dafür gesorgt, dass die ganz großen Schlachthöfe in ihrer Konkurrenzsituation gegenüber den kleinen Schlachthöfen geschwächt werden. Und deswegen unterstützen wir nachhaltig den Gesetzentwurf von Hubertus Heil. Ich hatte letzte Woche Gespräche mit großen Fleischverarbeitern. Die haben im Regelfall kein Problem mit Werkverträgen. Die haben im Regelfall kein Problem mit Zeitarbeitsverträgen. Aber sie haben ein Problem damit, dass die vier großen Schlachthöfe permanent Gesetze unterlaufen. Und deswegen müssen wir Hubertus Heil nachhaltig unterstützen.
(Beifall bei der SPD)
Ein letztes Wort an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Südwesten. Ich hatte Ihnen versprochen – und das werden wir halten –, wegen der Situation im Handwerk auf Hubertus Heil zuzugehen. Wir werden keine Zugeständnisse bei der Zeitarbeit machen. Wir werden keine Zugeständnisse bei den Werkverträgen machen. Aber wir werden uns dafür einsetzen, dass sich die Situation des Handwerks verbessert und es den Machenschaften der Schlachtindustrie Paroli bieten kann.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Spiering. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Ihnen, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473265 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 178 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |