29.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 178 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 10

Birgit Malsack-WinkemannAfD - Ernährung und Landwirtschaft

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Nahrung kann töten. Besonders Kinder fallen Infektionen und Vergiftungen durch kontaminierte Lebensmittel zum Opfer. In Deutschland sind Salmonellen das höchste Risiko. Jedes Jahr werden rund 200 000 Erkrankungsfälle gemeldet.

Nur zum Vergleich: Stand 20. August 2020 gab es in ganz Deutschland rund 229 000 Covid-19-„Fallzahlen“. Die sogenannten Fallzahlen spiegeln jedoch nicht die Zahl der an Covid-19 tatsächlich Erkrankten wider, sondern allein die Zahl der positiv Getesteten.

Stand 17. August 2020 gab es seit vielen Wochen – sogar nach den offiziellen Daten des RKI – laut Professor Bhakdi, einem Facharzt für Mikrobiologie sowie Infektionsepidemiologie, kaum neue Fälle einer Covid-19-Erkrankung.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie haben die falsche Rede dabei!)

Demgegenüber gibt es Listerien in der Wurst, Salmonellen im Ei, Bakterien in der Milch. Die Lebensmittelskandale häufen sich.

Nach dem Wilke-Skandal kündigte Ministerin Klöckner endlich mehrere Initiativen an. Und was kam dabei heraus? Neue Regeln für Lebensmittelkontrollen, genauer gesagt: Frau Klöckner will allen Ernstes die Zahl der Pflichtkontrollen verringern. In Fleischbetrieben wie Tönnies, die zur höchsten Risikoklasse zählen, sollen in Zukunft nur noch wöchentliche statt tägliche Kontrollen stattfinden. Und andere Lebensmittelbetriebe, die bisher monatlich kontrolliert wurden, sollen künftig nur noch vierteljährlich kontrolliert werden.

Frau Ministerin verkauft diese ihre lebensgefährlichen Pläne als „mehr Lebensmittelsicherheit durch gezieltere Kontrollen“.

(Alois Gerig [CDU/CSU]: Lebensmittel waren noch nie so sicher wie heute!)

Was Sie jedoch verschweigen, ist: Probleme bei Betrieben werden oft erst durch Pflichtkontrollen bemerkt. Zudem orientiert sich die Zahl der Lebensmittelkontrolleure an der Zahl der Kontrollen. Werden diese Vorgaben verringert, führt dies dazu, dass weniger Kontrolleure benötigt werden.

Das aber scheint Ihnen, Frau Klöckner, zupasszukommen. Die Organisation Foodwatch kam im Dezember 2019 in einer Studie zu dem Ergebnis, dass jede dritte Kontrolle in Lebensmittelunternehmen wegen Personalmangels entfällt. Wohlgemerkt: jede dritte!

Laut Angaben des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure gibt es bundesweit circa 2 500 Lebensmittelkontrolleure; rund 1 500 zusätzliche werden – nach den alten Regelungen – benötigt. Da passt es doch hervorragend, nicht wahr, dass nach dem neuen sogenannten Sicherheitssystem mit wesentlich weniger Pflichtkontrollen auch wesentlich weniger Kontrolleure benötigt werden, oder?

Nein, Sie, Frau Klöckner, haben aus den Vorfällen bei Wilke und Tönnies offensichtlich nichts gelernt.

(Beifall bei der AfD – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Von was reden Sie hier eigentlich?)

Mit Ihren absurden Plänen ebnen Sie nur und ausschließlich den Weg für den nächsten Lebensmittelskandal.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir diskutieren gerade den Haushalt! Das haben Sie schon bemerkt, oder?)

Wie sieht eine der Gesundheit der Bevölkerung angemessene Lebensmittelüberwachung jedoch wirklich aus? Wird Ihr Vorhaben verwirklicht, Frau Ministerin, wird der Personalmangel in den Behörden zwangsläufig verstärkt. Deshalb bedarf es einer grundlegenden Reform der Lebensmittelüberwachung.

Derzeit haben wir sage und schreibe rund 400 politisch abhängige Behörden, die unter immensem Personalmangel leiden. Darüber hinaus halten die Behörden die allermeisten Kontrollergebnisse geheim. Als Bürger und Steuerzahler fragt man sich daher, was mit dem Etat von 62 Millionen Euro für 2019 und sogar 65 Millionen Euro für 2020 für das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, eine Bundesoberbehörde unter Ihrer Verantwortung, Frau Ministerin, überhaupt geschieht. Denn diese Bundesoberbehörde soll gerade das Risikomanagement im Bund-Länder-Verhältnis zentral koordinieren und über die Durchführung der Lebensmittelüberwachung Bericht erstatten.

Das aber bedeutet nicht, dass Sie, Frau Klöckner, nunmehr zentral Ihre Aufgaben zur Kontrolle der Lebensmittelsicherheit in Bezug auf Pflichtkontrollen verringern, sondern dass Sie diese Kontrollen mit dem entsprechend künftig gut noch auszubildenden Personal erhöhen.

Ihre Behörde muss die ihr übertragenen Risikomanagementaufgaben endlich ernsthaft wahrnehmen und zudem alle negativen und gesundheitsgefährdenden Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen ohne jede Einschränkung transparent machen, also veröffentlichen.

(Beifall bei der AfD)

Denn nur eine große Anzahl an Pflichtkontrollen, Klarheit und Transparenz schaffen einen Anreiz für Lebensmittelbetriebe, sich an Hygienevorschriften überhaupt zu halten, und nur das sorgt für Klarheit und Sicherheit bei Verbrauchern.

Ihr Ministerium erhält jährlich immer mehr Millionen des Steuerzahlers. Was soll das, wenn Sie Ihre Aufgaben nicht wahrnehmen? Wohin verschwinden die Gelder?

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die Redezeit ist gleich zu Ende! Sprechen Sie auch noch zum Thema?)

Die Steuerzahler sind nicht für die Regierung da, sondern die Regierung für die Steuerzahler, und nur dafür wurde Ihnen Verantwortung übertragen.

(Beifall bei der AfD)

Verantwortung bedeutet aber nicht, Diäten einzukassieren, auf irgendwelchen Empfängen herumzustehen

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu viel Geld für Essen hat doch Ihre Fraktion ausgegeben!)

und Schönwetterreden zu schwingen, während ringsum alles den Bach heruntergeht.

Sie alle vermitteln hier den Eindruck, als seien Sie Mitglieder der Bordkapelle der leckgeschlagenen Titanic, die ihren Swinging-Jazz spielt, bis sich der halbe Dampfer – nämlich unser Land – senkrecht stellt und im großen weiten Ozean versinkt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Nein, werden Sie sich endlich der wahren Sorgen und Nöte der Menschen unseres Landes bewusst, und erfüllen Sie die Aufgaben, für die Sie von den Bürgern gewählt worden sind! Eine wirksame Lebensmittelsicherheitskontrolle und eine artgerechte Tierhaltung für gesunde Nahrung sind dafür die Grundlage, und dafür stehen wir, die AfD.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Malsack-Winkemann. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ursula Schulte, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7473270
Wahlperiode 19
Sitzung 178
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
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