30.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 179 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 04

Dennis RohdeSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Sehr geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den einen oder anderen Debattenbeitrag von der rechten Seite dieses Hauses gehört hat, dann könnte man ja denken, wie gut manche im Verdrängen und Vergessen zum Beispiel der Bilder aus der Lombardei sind. Aber genau das Gegenteil scheint doch der Fall zu sein: Ich glaube, dass die Rechtspopulisten auch in diesem Hause sich der Gefahr dieser Pandemie mehr als bewusst sind, dass sie bewusst negieren, dass sie bewusst runterspielen,

(Sonja Amalie Steffen [SPD]: Genau!)

dass sie bewusst fürs Leugnen des Virus werben, weil sie wollen, dass diese Pandemie in Deutschland voll zuschlägt. Sie sind gemeingefährlich, weil sie wollen, dass es Deutschland schlecht geht, damit es ihnen gut gehen kann. Aber das Spiel lassen wir Ihnen nicht durchgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katharina Landgraf [CDU/CSU] und Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

Wir wollen, dass es Deutschland gut geht, und wir wollen, dass Deutschland gut aus dieser Krise kommt.

(Dr. Marc Jongen [AfD]: Sie wollen Deutschland abschaffen!)

Das geht nur mit Solidarität, das geht nur mit Abstand, und das geht auch nur mit Maske, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin froh und dankbar, dass die Mehrheit des Deutschen Bundestages hinter den Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung steht. Wir alle sind gefordert, nicht nur den gesundheitlichen Schutz unserer Gesellschaft sicherzustellen, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen dieser Pandemie zu bekämpfen. Man kann über Wege streiten, man kann darüber streiten, wie man dahin kommt; aber ich bin der festen Überzeugung: Man muss jetzt entschlossen und man muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln handeln. Einen zurückhaltenden Staat kann sich in dieser Krise keiner leisten.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der Grund, weswegen wir 413 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die wirtschaftlichen, die sozialen und die gesundheitlichen Folgen der Coronapandemie zu bekämpfen. Wir nehmen Geld in die Hand für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für die Sicherung von Arbeitsplätzen, für große und kleine Unternehmen, wir bringen die Digitalisierung in unserem Land voran, wir fördern unsere Krankenhäuser, wir investieren in Forschung und Entwicklung, wir nehmen Geld in die Hand, um unsere Industrie fit zu machen für das 21. Jahrhundert.

Ja, das bedeutet, Schulden zu machen, und ja, auch mehr Schulden, als einem Haushälter in normalen Zeiten eigentlich lieb sein könnte. Aber was ist die Alternative dazu? Das, was hier von einigen gefordert wird? Wir dürfen und wir wollen den Aufschwung, den wir gerade erleben, der sich manifestiert in Wirtschaftszahlen, in den aktuellen Arbeitslosenzahlen, in der Steuerprognose, jetzt doch nicht durch das Streichen von Konjunkturanreizen gefährden.

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Haben wir jetzt Aufschwung oder Notsituation?)

Der Wirtschaftseinbruch ist abgefedert. Viele Branchen sind wieder in schwarzen Zahlen, und denen, die es noch nicht sind, wollen und werden wir helfen. Für uns gilt: Die Schulden, die wir heute machen, die Investitionen, die wir heute tätigen, sind und bleiben die Steuereinnahmen von morgen.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Das sieht Herr Scholz aber anders!)

Und sind wir doch ehrlich: Es gibt einige, auch hier im Hause, die bewusst Axt an unseren Staat anlegen wollen. Es gibt diejenigen, die unter dem Deckmantel der Krise das einreißen wollen, was uns in dieser Krise gerade stark gemacht hat. Wer jetzt fordert, den Bundeshaushalt zusammenzustreichen, keine neuen Einnahmen zu generieren, will in Wirklichkeit doch nur seine Agenda der Privatisierung durchsetzen,

(Beifall bei der SPD)

der ist Lobbyist im Parlament für den Abbau dieses Staates, der gefährdet die innere Sicherheit, der gefährdet die äußere Sicherheit und der gefährdet die soziale Sicherheit.

Ich möchte diejenigen, die das tun, auffordern, dann doch auch bitte ehrlich zu sein. Wer diese Reden hält, der möge doch bitte auch den Rentnerinnen und Rentnern konkret die Rentenkürzung ankündigen, der möge doch bitte den Rentnerinnen und Rentnern ankündigen, dass die Lebensleistung in Zukunft nicht respektiert wird.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Bitte nicht!)

Wer diese Reden hier hält, der möge den Bundespolizisten und den Zollbeamten doch bitte ankündigen, dass die langersehnten und gebrauchten Kolleginnen und Kollegen nicht eingestellt werden und dass die Beförderungen ausbleiben werden.

(Beifall der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD])

Wer diese Reden hier hält, der möge den Bürgerinnen und Bürgern doch bitte auch sagen, dass das mit dem Klimaschutz und der Digitalisierung ausfallen wird.

(Beifall bei der SPD)

Und wer diese Reden hier hält, der möge der deutschen Wirtschaft auch sagen, dass die eingeplanten Konjunkturpakete, die Investitionen in Zukunftstechnologien nicht kommen werden. Das gehört zu einer ehrlichen Debatte dann nämlich auch dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Aber, das müssen wir nicht tun. Unsere Verfassung ist an dieser Stelle eindeutig. Sie sagt nämlich: Du musst in Krisenzeiten nicht den Staat kaputtsparen, damit du kurzfristig die abstrakte Schuldenbremse einhältst. – Darum ist es auch richtig, jetzt viel Geld für die Bekämpfung dieser Krise in die Hand zu nehmen. Darum ist es richtig, den Staat gerade in der Krise zu stärken, damit er ein verlässlicher Partner für die Menschen in diesem Land sein kann und damit er sein Versprechen erfüllen kann, nämlich die Sicherstellung von sozialer, von innerer und von äußerer Sicherheit.

(Beifall bei der SPD)

Das Versprechen nach sozialer Sicherheit lösen wir insbesondere mit Dingen wie der Kurzarbeit ein, ein Instrument, um das uns viele Staaten beneiden und das vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land eine Beschäftigungsperspektive bietet. Umso dumpfer – gerade weil uns so viele Staaten darum beneiden – wirkt manche Kritik daran. Kritik wie – Herr Präsident, ich zitiere –: Die Arbeitnehmer würden sich noch daran gewöhnen, ohne Arbeit zu leben. – Ich finde, das ist an Zynismus kaum zu überbieten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Katharina Landgraf [CDU/CSU])

Es ist gerade deswegen an Zynismus kaum zu überbieten, wenn man bedenkt, dass wir hier über Menschen reden, die tagtäglich um ihren Arbeitsplatz bangen und die lieber heute als morgen wieder Vollzeit arbeiten würden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn dann dieses Zitat noch von jemandem kommt, dessen Leistung darin besteht, Geld für sich arbeiten zu lassen, dann, so muss man sagen, leistet er eben selbst keinen substanziellen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise und sollte sich vielleicht etwas zurückhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir brauchen keine pseudoklugen Ratschläge aus der politischen Vergangenheit. Wir brauchen einen Staat, der die innere, die äußere und die soziale Sicherheit in Deutschland gewährleistet und sie auch finanziert. Und weil uns das bewusst ist, verhindern wir aus Überzeugung, dass diese Krise zum Raubbau an unserem Gemeinwesen genutzt wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Erhard Grundl.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7473304
Wahlperiode 19
Sitzung 179
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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