Bijan Djir-SaraiFDP - Auswärtiges Amt
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einer Haushaltsdebatte gilt es nicht nur, über Zahlen und Haushaltspositionen zu sprechen, sondern auch über das große Ganze, also über die komplette deutsche Außenpolitik.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das machen wir im Haushaltsausschuss auch, das große Ganze!)
Ziel, Ausrichtung und Strategien einer Bundesregierung sollten eigentlich durch einen Blick in den Haushalt erkennbar sein; denn bei der Betrachtung des Haushalts sucht man Antworten auf viele Fragen und Baustellen der derzeitigen Außenpolitik. Gerade in diesem Jahr wird deutlich, wie sehr und mit was für einem Tempo sich die Welt um uns herum verändert. Diese Veränderungen müssen sich auch im Haushalt widerspiegeln, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Diktatorische und autokratische Regime wie in China, Russland und Iran versuchen derzeit auf immer absurdere Art und Weise, ihre Macht zu zementieren. Menschen in Hongkong, Weißrussland oder Iran, die für ihre Freiheit und ihre Rechte auf die Straße gehen, sind aktuelle Beispiele für den weltweiten Kampf um Demokratie und Freiheit und für den Kampf gegen Diktatoren und Autokraten. Heute unterdrücken diese Regime immer noch ungestraft ihre Zivilbevölkerung. Sie provozieren die internationale Gemeinschaft. Sie testen in jeder Hinsicht ihre Grenzen aus und sorgen in vielen Regionen der Welt für Chaos und Instabilität. Die Europäische Union bzw. uns Europäer nehmen sie nicht sonderlich ernst. Diese Regime wollen die Welt nach ihren eigenen Regeln gestalten und setzen offenkundig überhaupt nicht mehr auf Kooperation und Diplomatie. Man könnte fast sagen: Das Prinzip „Wandel durch Handel“ ist gescheitert.
(Zuruf von der FDP: Aber sicher!)
In vielen Staaten Afrikas herrschen nach wie vor Hunger, Armut, Krieg und Terror. Weite Teile des Kontinents versinken nach wie vor in Korruption und Misswirtschaft. Von Aufstiegschancen und Perspektiven für die Menschen vor Ort kann keine Rede sein. Ich wage daher zu behaupten, dass Deutschland und Europa mittel- bis langfristig dem südlichen Nachbarkontinent Europas im Rahmen des vernetzten Ansatzes wesentlich mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen müssen.
(Beifall bei der FDP)
Fluchtursachenbekämpfung und Krisenprävention sind die Stichwörter im außenpolitischen Sprachgebrauch und müssen deutliche Schwerpunkte im Haushalt bilden. Wir dürfen nicht immer erst handeln, wenn es zu spät ist. Trotz der Erfahrung aus den Ereignissen des Jahres 2015 wird in diesen Bereichen immer noch viel zu viel geredet und viel zu wenig gehandelt, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Das gilt im Übrigen nicht nur für Afrika, sondern insbesondere auch für die Region des Nahen Ostens. Im Syrien-Krieg spielen deutsche und europäische Diplomatie keine Rolle. Der Libanon ist wirtschaftlich und politisch am Ende. Das Regime in Teheran terrorisiert seine Nachbarn und unterdrückt die eigene Bevölkerung. Wenn wir die Konflikte in dieser Region nicht lösen, werden die Probleme dieser Region eines Tages zu uns kommen.
Meine Damen und Herren, heute ist deutlicher denn je, dass die Amerikaner nicht mehr die bedingungslose Schutzmacht Europas sein wollen und sein werden. Auch der Ausgang der Präsidentschaftswahl im November wird daran vermutlich nichts ändern. Heute ist der Druck auf Europa von allen Seiten enorm. Sowohl unseren wirtschaftlichen Wohlstand als auch unsere freiheitlich-demokratischen Werte können wir in Anbetracht der komplexen Herausforderungen nicht durch ein Weiter-so bewahren. Das muss sich selbstverständlich auch im Haushaltsplan für das Auswärtige Amt deutlich widerspiegeln.
Meine Damen und Herren, wir müssen künftig mehr in die eigene Außen- und Sicherheitspolitik investieren. Wir müssen für unsere Sicherheit mehr tun, und wir müssen viel mehr in die Diplomatie investieren als früher. Darüber müssen wir uns im Klaren sein.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die USA ziehen sich immer mehr aus der Diplomatie und der internationalen Politik zurück. Das ist ein großer Fehler der USA und zum Schaden der internationalen Gemeinschaft.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das sehen wir anders!)
– Das sehen Sie vermutlich anders, aber Ihre merkwürdige Position zu dem Thema ist bekannt. – Meine Damen und Herren, das ist zum Schaden für die gesamte internationale Gemeinschaft. Diesen Fehler dürfen wir niemals machen.
(Zurufe von der LINKEN)
– Gott sei Dank haben Sie auch nichts zu sagen in der Außenpolitik.
Es ist bemerkenswert, dass der deutsche Beitrag für internationale Organisationen relativ stabil ist. Wir müssen aber auch darauf achten, dass auch unser Einfluss in internationalen Gremien wächst. Meine Damen und Herren, globale Probleme kann man nur global lösen. Kooperation und Multilateralismus müssen sich im Haushalt widerspiegeln. Hier dürfen Anspruch und Wirklichkeit nicht auseinanderfallen.
(Beifall bei der FDP)
Wir brauchen – Frau Präsidentin, ein letzter Gedanke – ein modernes Auswärtiges Amt, das sowohl strategisch, technisch als auch personell gut aufgestellt ist. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, wenn wir die Herausforderungen der Zeit meistern wollen. Schaffen wir diese Rahmenbedingungen nicht, dann werden wir in der Welt von morgen als Akteur irrelevant werden. Dann brauchen wir auch hier nicht über wertegeleitete oder interessengeleitete Außenpolitik zu sprechen. Das wäre schade.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473326 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |