30.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 179 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 14

Andreas SchwarzSPD - Verteidigung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen:

Das Militär ist eine Pflanze, die man sorgfältig pflegen muss, damit sie keine Früchte trägt.

Ich denke, mit dem vorgelegten Verteidigungshaushalt und dem Stellenplan sind wir auf dem richtigen Weg, dieses Ziel zu erfüllen. Einige Schlagworte: 46,8 Milliarden Euro, 1,2 Milliarden Euro mehr. Wir nähern uns mit 1,5 Prozent der NATO-Quote an. Sie ist höher als vorgesehen.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Wenn die Wirtschaft einbricht, ist das nicht so schwierig!)

Das sind erst einmal gute Nachrichten an die Truppe, aber natürlich auch gute Nachrichten an die Bündnispartner.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das viele Geld muss natürlich auch da ankommen, wo es dringend gebraucht wird, nämlich bei den Soldatinnen und Soldaten. Lassen Sie mich an dieser Stelle meine Wertschätzung, meinen Respekt und meine Anerkennung an die Truppe zum Ausdruck bringen und Dankeschön sagen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Da ich für den Einzelplan 14 ganz frisch zuständig bin, erfahre ich jetzt nach und nach, wo in der Truppe der Schuh drückt. Die Bundeswehr freut sich bestimmt, dass mit diesem Haushalt mehr Geld in allen Bereichen ausgegeben werden kann. Aber, meine Damen und Herren, es gibt trotzdem noch zu viele Baustellen, die jetzt beseitigt werden müssen. Ich nenne sie einfach mal die drei Bs. Was sind die drei Bs? Beschaffen, Betrieb und Bauen.

Fangen wir mit der Beschaffung an. Viele Kommandeure vor Ort beklagen – ich habe mir sagen lassen, das ist auch kein neuer Zustand –, dass es an vielen Dingen fehlt. Meistens sind es die Kleinigkeiten des Lebens wie Rücksäcke, Kampfstiefel, Schutzwesten, aber manchmal auch schweres Gerät wie Fahrzeuge oder Hubschrauber.

Machen wir mit dem Betrieb, dem nächsten B, weiter. Viele Fahrzeuge funktionieren leider nicht, und es dauert Wochen oder gar Monate – im Schiffsbereich teilweise Jahre –, bis sie repariert und damit wieder einsatzfähig sind.

Und das dritte B, das Bauen. Meine Damen und Herren, so mancher unserer sehr gut ausgebildeten Soldaten ist in Unterkünften untergebracht, die mehr als sanierungsbedürftig sind, teilweise fehlen sogar Unterkünfte für die Truppe. Das empfinde ich als unwürdig. Und es sorgt auch für einen gewissen Unmut in der Truppe. Respekt und Wertschätzung müssen sich auch in der Unterbringung unserer Soldatinnen und Soldaten wiederfinden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Da müssen wir ansetzen. Geld ist nun da, nicht nur für prestigeträchtige Großprojekte, sondern vor allen Dingen auch für die persönliche Ausstattung unserer Soldatinnen und Soldaten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Geld allein wird aber nicht ausreichen. Ich bin leider zu der Überzeugung gekommen, dass die vielen Vorschriften und umständlichen Prozesse dazu führen, dass man sich teilweise selbst im Wege steht. Wir kommen auf einen ganz gefährlichen Pfad, wenn wir als Verantwortliche diese Missstände als normal akzeptieren und einfach als gegeben ansehen. Gerade jetzt könnte und muss die Bundeswehr auch konjunkturelle Akzente setzen, beispielsweise im Flugzeugbereich.

In diesem Zusammenhang müssen wir aber auch über den Ausbau und den Schutz von deutschen Schlüsseltechnologien reden. Liebe Bürgerinnen und Bürger, jetzt fragen Sie sich bestimmt: Was genau muss passieren? Ganz einfach: weniger Juristerei und mehr praktischer Menschenverstand,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

weniger Sonderanforderungen und mehr von der Stange kaufen, siehe das letzte gescheiterte Großprojekt „schwerer Transporthubschrauber“. Warum können andere NATO-Partner mit konventioneller Ausstattung fliegen, und wir haben Anforderungen an die Technik, die erst entwickelt werden muss? Natürlich begrüße ich es, dass die Kommandeure vor Ort mittlerweile ein Handgeld erhalten, um notwendige kleine und überschaubare Anschaffungen zu tätigen. Doch hier gibt es ein Problem: Handelt es sich um eine etwas größere oder teurere, aber notwendige und eilige Anschaffung, endet der Spielraum bei 4 999 Euro. Somit legt man jedem Kommandeur ein enges Korsett an, das ihm am Ende zum Handeln die Luft abdrückt.

Dieser Zustand, meine Damen und Herren, ist ineffektiv, er zermürbt viele Soldatinnen und Soldaten bei ihrer täglichen Arbeit und zeugt auch nicht von viel Vertrauen. Und, ich glaube, Vertrauen müssen wir in unsere Truppe setzen. Das haben die Soldatinnen und Soldaten mit Sicherheit auch verdient.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie sorgen für Sicherheit national, aber auch international. Und ich weiß aus vielen Gesprächen, dass unsere Armee hier ein anerkannter, auch ein geschätzter und gut ausgebildeter Partner in den internationalen Organisationen ist. Ich wünsche mir und hoffe, dass das am Ende auch so bleibt. Dafür, meine Damen und Herren, müssen wir hier im Parlament zusammenstehen. Wir haben eine Parlamentsarmee, auf die wir stolz sind. Es macht unsere Bundeswehr am Ende auch so einmalig in der Welt, dass sie ihren Auftrag ja nur von diesem Hohen Haus bekommt.

Meine Damen und Herren, es gibt noch viel zu tun. Frau Ministerin, die Lenkwaffen gegen Bürokratie haben Sie in Ihrem Haus. Ich kann Ihnen eines versichern: Die SPD-Fraktion ist an Ihrer Seite, wenn wir im Sinne der Truppe schneller und effizienter werden und diese Lenkwaffen dann gegen die Bürokratie einsetzen. Die drei Bs – Bauen, Beschaffen, Betrieb – brauchen somit dringend eine Reform. Wagen wir einfach mehr Vertrauen in die Kommandeure, in die Truppe, in uns selber.

Liebe Kollegen, machen wir uns an die Arbeit und gestalten wir die Zukunft unserer Bundeswehr, pflegen wir unsere Pflanze im Sinne von Sicherheit und Effizienz. Die Soldatinnen und Soldaten haben es verdient.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Karsten Klein für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7473346
Wahlperiode 19
Sitzung 179
Tagesordnungspunkt Verteidigung
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