30.09.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 179 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 23

Helin Evrim SommerDIE LINKE - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Minister Müller! Vor zwei Wochen habe ich hier im Plenum meine letzte Rede gehalten, und seitdem haben sich weltweit weitere 3 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Daraus folgt: Eine Pandemie braucht globale Antworten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung sieht das leider ganz anders. Sie glaubt, auch im Rückwärtsgang ans Ziel zu gelangen. Minister Müller fördert die deutsche Privatindustrie, indem er die Ausgaben für die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft massiv erhöht. Seit 2017 wurden diese Gelder sogar verdoppelt.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das ist aber was Gutes!)

– Ja, aber gleichzeitig wurden die Mittel für die Entwicklungskooperation mit den Vereinten Nationen, der Weltbank und den regionalen Banken in Asien und Afrika gekürzt. Das heißt: fast 1 Milliarde Euro weniger, und das in Pandemiezeiten, meine Damen und Herren. Das ist der völlig falsche Weg.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir brauchen in der globalen Krise nicht weniger internationale Zusammenarbeit, sondern mehr; das haben Sie ja auch alle hier deutlich gesagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber nicht nur das. Wenn Herr Minister Müller hier angesichts der schlechten Wirtschaftslage behauptet, der aktuelle Entwurf für den Entwicklungshaushalt erfülle das 0,7-Prozent-Ziel, dann sagen wir: Tut uns leid, Herr Minister Müller, das stimmt nicht. Denn unser aktueller Entwurf für den Entwicklungshaushalt versagt hier erneut, wenn es darum geht, die 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. Das geht seit 50 Jahren so, und das werden Sie wohl auch in Ihrer Restlaufzeit leider nicht ändern, lieber Minister Müller. Schade eigentlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen das in der Entwicklungszusammenarbeit anders machen. Wenn wir das Virus erfolgreich bekämpfen wollen, muss jeder einen freien Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, die alleinerziehende Mutter in Simbabwe ebenso wie der Grundschullehrer im Sudan. Auch im eigenen Interesse: Wer die Viren im südlichen Afrika bekämpft, bekämpft sie auch hier in Deutschland. Hierzu braucht es aber eine deutliche Aufstockung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe um 4 Milliarden Euro, ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch was liegt mir besonders am Herzen: 218 Millionen Kinder weltweit verrichten Zwangsarbeit. Sie schuften in den Minen in Burkina Faso oder als Textilarbeiter in Bangladesch. Sie riskieren ihr Leben, und die Schulbildung bleibt ihnen verwehrt. Was können wir dagegen tun? Nach dem Global Slavery Index hat Deutschland allein im Jahr 2018 Laptops, Computer und Mobilfunktelefone im Wert von 15,4 Milliarden Euro importiert. Wer stellt dabei sicher, dass die Tablets nicht durch sklavenähnliche Kinderarbeit hergestellt wurden? Wir müssen die Unternehmen in die Pflicht nehmen. Das bedeutet: Wer Schäden an Menschen und Umwelt in seinen Lieferketten verursacht, muss auch dafür haften.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau das haben wir auch in unserem Antrag gefordert.

Lieber Minister Müller, in der Presse stand, dass Sie bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr antreten wollen. Es stellt sich die Frage, was später mit Ihrem Namen verbunden bleiben soll. Deshalb an dieser Stelle mein abschließender Appell an Sie: Setzen Sie Ihr Budget für die globale Gesundheit ein und schaffen Sie ein wirksames Lieferkettengesetz, damit die Kinder wieder in der Schule Mathe lernen können, statt in der Fabrik schuften zu müssen!

(Beifall bei der LINKEN)

An der linken Opposition würde ein solches Gesetz gewiss nicht scheitern.

In diesem Sinne: vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Helin Evrim Sommer. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Uwe Kekeritz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7473728
Wahlperiode 19
Sitzung 179
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta