Thorsten FreiCDU/CSU - Justiz und Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Ministerin hat es gesagt: Wenn wir über den Justizhaushalt sprechen, dann steht im Grunde genommen nicht das Geld im Mittelpunkt, weil es der mit Abstand kleinste Etat ist, über den wir in dieser Haushaltswoche sprechen. Aber es geht um etwas ganz Entscheidendes: Es geht um Gesetze und die Art und Weise, wie wir in unserem Land leben, wie wir Freiheit und Sicherheit gewährleisten und wie wir dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen.
Es war der frühere Bundespräsident und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, der einmal formuliert hat, dass die drei wesentlichen Aufgaben des modernen Verfassungsstaates, wie er sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hat, zum Ersten die äußere Sicherheit, also die Landesverteidigung ist, zum Zweiten die innere Sicherheit, der Frieden in der Gesellschaft, und zum Dritten die Gesellschaftsgestaltung ist, all das, was wir mit sozialer Sicherung und Daseinsvorsorge umschreiben können. Damit wird vollkommen klar, dass die Aufgabe der Sicherung des inneren Friedens einer Gesellschaft zentral ist. Er ist Legitimationsbasis für den Staat. Er ist auch die Grundlage dafür, dass der Staat Akzeptanz gewinnen kann und damit wir so leben können, wie wir es tun.
Wenn man fragt: „Was sind dafür die Grundvoraussetzungen?“, dann ist die allererste und wichtigste Antwort: das Gewaltmonopol und daraus fließend auch der Gewaltverzicht des Einzelnen, eine funktionierende, eine ausgebaute Rechtsordnung, die Regeln und Leitplanken für ein gutes Leben setzt, und ein funktionierendes Gerichtswesen. Damit wird zentral beschrieben, dass das, worüber wir in diesem Einzelplan sprechen, konstitutiv ist für die Art, für die Qualität, wie wir in unserem Land leben. Deswegen ist es nicht hoch genug einzuschätzen. Wenn das Gewaltmonopol dabei im Mittelpunkt steht, dann ist es umso wichtiger und richtiger, dass der Staat nirgendwo eine Leerstelle lässt, dass nirgendwo dieses Gewaltmonopol ausgehöhlt werden kann.
Ich glaube, dass die Menschen keine übertriebenen Erwartungen haben. Sie haben nicht die Erwartung, dass eine bestens ausgebildete Polizei, eine gut ausgestattete Justiz Verbrechen vollständig verhindern kann, aber es gibt die klare und berechtigte Erwartung, dass wir alles dafür tun, dass wir in möglichst großer Sicherheit in unserem Land leben können. Ich will das an drei Beispielen dokumentieren. Das erste ist die Frage, wie wir unsere Kinder schützen. Frau Ministerin, Sie sind auf den Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Kinderpornografie eingegangen, den Sie zu Beginn dieses Sommers vorgelegt haben. Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt, dass das natürlich auch ein Prüfstein dafür ist, wie eine zivilisierte Gesellschaft es schafft, mit den Schwächsten, nämlich den Kindern, angemessen umzugehen und hinreichenden Schutz zu gewährleisten. Ich will es offen sagen: Das, was Sie vorgelegt haben, ist ein Quantensprung nach vorne. Wir haben das oft erlebt – egal ob das Staufen, ob das Lügde oder ob das Bergisch-Gladbach war –: Es gab immer Empörung und Entrüstung hier im Haus und auch in der öffentlichen Debatte, aber wir haben nur Trippelschritte nach vorne gemacht. Das ist jetzt erstmals anders.
Es ist zu Recht gesagt worden, dass eine Anpassung des Strafrahmens nicht nur etwas mit einer generalpräventiven Wirkung zu tun hat, sondern selbstverständlich auch zusätzliche Ermittlungsmöglichkeiten schafft, etwas über die Verjährungsdauer aussagt und vieles andere mehr.
Ich möchte einfach darum bitten, dass wir uns auch im weiteren Gesetzgebungsprozess sehr genau anschauen: An welchen Punkten können wir im Zweifel noch mehr tun? Da sind wir in einem guten Gespräch, von einer gemeinsamen Zielsetzung in der Koalition geleitet. Das schauen wir uns ganz genau an. Und da gibt es durchaus Punkte, mit denen wir nicht zufrieden sind.
Wenn beispielsweise jemand unter Bewährung steht und in dieser Bewährungszeit neue, einschlägige Straftaten begeht, dann kann das nicht zu einer neuerlichen Bewährung führen, sondern dann muss die Freiheitsstrafe unmittelbar folgen. Das ist zwingend.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen Instrumente wie die elektronische Fußfessel, die helfen kann, Täter engmaschig zu überwachen und damit für Sicherheit zu sorgen.
Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die sich wegen Kindesmissbrauchs oder Kinderpornografie strafbar gemacht haben, zukünftig von Kindern ferngehalten werden. Schauen wir uns die aktuelle Rechtslage an: So eine einschlägige Bestrafung wird teils bereits nach drei Jahren aus dem erweiterten Führungszeugnis gestrichen. Das ist mit nichts, aber auch mit gar nichts zu rechtfertigen. Es ist richtig, dass wir uns so etwas vornehmen und gewährleisten, dass so jemand dauerhaft nicht mehr in die Nähe von Kindern kommen kann und Kinder damit geschützt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein gutes Beispiel, um deutlich zu machen, dass wir den Klärungs-, den Gestaltungs-, den Gewaltmonopolanspruch des Staates durchsetzen möchten.
Ich will ein weiteres Beispiel benennen, das zeigt, dass wir mit der technischen Entwicklung Schritt halten müssen. Das ist der ganze Bereich Cybercrime. Für uns geht es dabei um die Entsprechung im Digitalstrafrecht. Die wesentlichen Vorschriften stammen aus dem Jahr 2006. Im Jahr 2006 haben wir 3 G als schnelles Internet bezeichnet, Facebook war zwei Jahre alt, und Twitter und das iPhone wurden gerade entwickelt. Wir brauchen eine Anpassung in diesem Bereich. Wenn wir uns die einschlägigen Vorschriften anschauen, egal ob das das Ausspähen von Daten, die Datenhehlerei, die Sabotage, die Manipulation, das Hacking oder was auch immer ist, wird klar: Wir behandeln das als Bagatelldelikt, und das ist nicht mehr angemessen.
Wir sollten uns das ganz genau anschauen: Wo müssen wir Strafrahmen anpassen? Wo müssen wir Strafbarkeitslücken schließen? Ich denke etwa an den digitalen Hausfriedensbruch als Auffangtatbestand. Und wir müssen schauen, wo wir Ermittlungsbefugnisse brauchen, wo wir die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen müssen, und zwar sowohl im repressiven wie im präventiven Bereich, dass Ermittlungsbehörden, aber auch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitsbehörden Schritt halten können, dass die Befugnisse, die sie in der analogen Welt haben, in die digitale Welt übertragen werden können. Das halte ich für ganz entscheidend.
Ich will noch einen Punkt ansprechen, den Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Wir haben hier schon öfter über das Thema der Clankriminalität gesprochen, darüber, dass es Bestrebungen gibt, eine Paralleljustiz über Friedensrichter zu etablieren und anderes mehr. Da muss es das klare Ausrufezeichen des Staates geben, dass wir so etwas nicht akzeptieren. Hier gelten unsere Rechte, unsere Gesetze, und die setzen wir auch durch!
(Beifall bei der CDU/CSU – Fabian Jacobi [AfD]: Das ist ja eine ganz neue Entdeckung! 2020! Innovativ!)
Das gilt im Bereich der organisierten Kriminalität insgesamt, weil wir ganz genau wissen, dass organisierte Kriminalität letztlich nicht nur mit den klassischen strafrechtlichen Normen zu bekämpfen ist. Wir müssen es schaffen, Geldströme zu unterbrechen und zu unterbinden. Deswegen ist es richtig, sich beispielsweise auch mit dem Thema der Geldwäsche intensiv auseinanderzusetzen, sich auch anzuschauen, was wir da ändern müssen, um zukünftig effektiver zu werden. Aber vor allen Dingen darf das natürlich im Ergebnis nicht dazu führen, dass wir letztlich neue Lücken schaffen. Deswegen darf der Fahrlässigkeitstatbestand nicht aus einem solchen Gesetzentwurf herausgenommen werden; denn er ist heute vielfach Grundlage der Verurteilungen. Das muss auch zukünftig möglich sein. Wir wollen keine Verschlechterung, sondern eine Effektivitätssteigerung, weil das der Schlüssel bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der FDP die Kollegin Ulla Ihnen.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473777 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 180 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz |