Victor PerliDIE LINKE - Justiz und Verbraucherschutz
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem sozialen Rechtsstaat muss der Schutz der Bürgerinnen und Bürger eine größere Rolle spielen als in diesem Haushaltsentwurf. Es ist ja häufig ein Kampf zwischen David und Goliath: einzelne Menschen auf der einen Seite, mächtige Konzerne auf der anderen. Der Bundestag muss dafür sorgen, dass nicht der Kontostand über „recht haben“ und „recht bekommen“ entscheidet. Deshalb wollen wir Linke den Rechtsschutz und den Verbraucherschutz stärken.
(Beifall bei der LINKEN)
Bislang fließen nur 4 Prozent aus dem ohnehin kleinen Etat des Justizministeriums in die Verbraucherpolitik. Das zeigt, wie wenig Union und SPD diesem Politikfeld leider beimessen.
(Mechthild Rawert [SPD]: Das stimmt nicht!)
Dabei wäre hier einiges zu tun. Im kommenden Jahr werden schätzungsweise 100 000 Menschen infolge der Pandemie von Privatinsolvenz betroffen sein. Es braucht deshalb nicht nur eine schnellere Entschuldung, sondern endlich genügend Mittel für eine gute Schuldnerberatung.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das ist auch ein Gebot eines starken Sozialstaats.
Schon vor der Coronapandemie hatten fast 300 000 Haushalte pro Jahr mit Stromsperren zu tun. Wir finden, Strom gehört zu den Dingen, die man unbedingt zum Leben braucht. Deshalb müssen Stromsperren verboten werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Coronakrise ist auch für den demokratischen Rechtsstaat eine besondere Herausforderung. Staat und Gesellschaft müssen die Pandemie bekämpfen und gleichzeitig die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren. Es hat in dieser Krise unverhältnismäßige Einschränkungen von Grundrechten gegeben. Aber es waren häufig Gerichte, die falsche und fehlerhafte Entscheidungen von Bund, Ländern und Kommunen korrigiert haben. Ein Beispiel ist die Versammlungsfreiheit. Auch in diesen Zeiten darf nicht die Frage sein, ob Versammlungen stattfinden dürfen, sondern, wie sie unter Einhaltung von Coronaregeln stattfinden können. Wir finden das auch richtig so.
(Beifall bei der LINKEN)
Allerdings sind viele Gerichte chronisch überlastet. Die Bundesländer fordern jetzt mehr Finanzhilfen vom Bund. Die Vorsitzende der Justizministerkonferenz, die Bremer Senatorin Schilling, sagte, der Pakt für den Rechtsstaat sei zwar eine Hilfe, aber „leider nicht viel mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein“. Wir finden, recht hat sie.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Deutsche Richterbund beklagt, dass die Strafjustiz immer häufiger Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen muss, weil die Verfahren zu lange dauern. Cum/Ex-Kriminelle, die den größten Steuerraub in der Geschichte der Republik verantworten, könnten mit Milliarden an Steuergeld als Beute ungestraft davonkommen, weil die Behörden völlig unterbesetzt sind. 15 Staatsanwälte, wenige LKA-Beamte und Steuerfahnder und Steuerfahnderinnen haben kaum eine Chance gegen eine ganze Armee von 900 Beschuldigten und ihren Anwälten auf der anderen Seite. Nach sieben Jahren gibt es gerade einmal zwei Bewährungsstrafen, und nur ein Bruchteil des Geldes ist zurückgeholt worden. Noch immer droht Verjährung. Wir finden, das ist völlig inakzeptabel.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber es fehlt nicht einfach Geld. Wir haben einen besseren Vorschlag. Die Justiz muss auch entlastet werden. Es ist die Rechtspolitik der Großen Koalition, die dazu führt, dass die Gerichte mit Bagatelldelikten überflutet werden, die gar nicht bestraft werden sollten oder nur als Ordnungswidrigkeit. Jede zwölfte Strafanzeige – das sind 425 000 pro Jahr – betrifft das Fahren ohne Fahrschein oder den Konsum von Cannabis. Warum ahndet man das Busfahren ohne Fahrschein nicht genauso als Ordnungswidrigkeit wie das Parken ohne Parkschein? Warum ist es strafbar, weggeworfene Lebensmittel aus Containern zu holen? Wenn sich Gerichte massenweise mit solchen Fragen beschäftigen müssen, bleibt ihnen keine Zeit für die wirkliche Kriminalität: für Steuerhinterzieher, für Geldwäscher, für andere Verbrecher. Es ist doch so: Nicht Containern oder Joints schaden dem Vertrauen in den Rechtsstaat, sondern Cum/Ex und Wirecard.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, Die Linke steht für einen starken Rechtsstaat und für einen starken Verbraucherschutz. Dafür werden wir uns in den kommenden Verhandlungen einsetzen. Ich finde, wenn wir darüber sprechen, dass der Verbraucherschutz gestärkt werden muss, dann müssen wir uns auch eines angucken: Der Bundeswirtschaftsminister bekommt jedes Jahr ungefähr 250 Millionen Euro aus Strafen, die das Bundeskartellamt verhängt, weil sich Unternehmen zum Beispiel zu illegalen Preisabsprachen verabreden, die den Konsumenten Schaden zufügen. Wir finden, dieses Geld muss nicht einfach in den Haushalt kommen, sondern direkt dem Verbraucherschutz zur Verfügung gestellt werden, damit die Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Dr. Manuela Rottmann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473779 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 180 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz |