Gesine LötzschDIE LINKE - Gesundheit
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, darunter viele im Gesundheitsbereich, kämpfen für eine bessere Bezahlung, und das zu Recht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir als Linke sind mit ihnen solidarisch. Bundesinnenminister Seehofer als Verhandlungsführer des Bundes hat ja heute Morgen ein faires Angebot angekündigt. Ich hoffe, dass das kein leeres Versprechen ist. Das Angebot muss schnell kommen und wirklich fair sein, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
In dieser Woche ist häufig betont worden, wie gut Deutschland bisher durch die Krise gekommen sei. Aber wir müssen uns alle sagen: Für Selbstzufriedenheit besteht kein Anlass!
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Coronapandemie ist immer noch ein Stresstest für unser Gesundheitssystem, für unsere Gesellschaft insgesamt. Wir haben in dieser Krise doch besonders deutlich gesehen: Ein Gesundheitssystem darf nicht am Profit orientiert sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Erinnern wir uns: Was sich nicht rechnete, wurde per Fallpauschale wegrationalisiert. Das war ein schwerer Fehler. Die Fallpauschalen sind ein Irrweg, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Pflegerinnen und Pfleger berichten uns, wie angespannt die Situation für sie ist. Ich zitiere aus einem Interview mit Anja Voigt, einer Krankenpflegerin auf einer Intensivstation. Sie sagt:
Ich habe das Gefühl, wir arbeiten seit April in einem Dauer-Hamsterrad. … ich habe das Gefühl, es ist wie am Anfang der Krise.
Ich finde, wir sind es diesen Menschen im Gesundheitssystem schuldig, dass wir ihre Situation verbessern, und zwar deutlich, entschieden und im Ergebnis mit einer besseren Bezahlung, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
In der Krise, Herr Spahn, versuchen Sie nun, Fehler mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu beheben. Das beste – oder vielmehr: schlechteste – Beispiel: Die Beschaffung von Schutzausrüstung im sogenannten Open-House-Verfahren hat zu erheblichen Turbulenzen geführt. Beim Landgericht Bonn sind fast 50 Klagen auf Bezahlung der Ware anhängig.
Auch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ist ein Streit darüber anhängig, ob es bei der Direktvergabe der Vertragsabwicklung an Ernst & Young – Volumen immerhin 9,5 Millionen Euro – mit rechten Dingen zugegangen ist. Ernst & Young und die anderen Wirtschaftsprüfergesellschaften haben gigantische Honorare von der Bundesregierung bekommen und dann, in der Praxis, jämmerlich versagt. Die vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben in den vergangenen fünf Jahren allein vom Bund Aufträge in Höhe von 400 Millionen Euro erhalten. Herr Spahn, ich sage Ihnen: Sie sollten mehr Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Ministerium vertrauen als windigen Unternehmensberatern.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jörg Schneider [AfD])
Und: Weitsicht ist immer besser als Hektik. Hektik wird immer teuer. Das haben wir jetzt gesehen. Erinnern wir uns: Seit 2012, also seit acht Jahren, liegt dem Bundestag eine Risikoanalyse des Robert-Koch-Instituts „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ vor.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Seit 2005 gab es einen Pandemieplan für die Bundesrepublik. In der DDR – wir reden ja jetzt so viel über deutsche Einheit –
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das fällt Ihnen nicht schwer!)
gab es den schon seit 1970, und zwar als Konsequenz aus einer Grippewelle im Jahr 1968. Im Jahr 1973 wurde das Institut für Angewandte Virologie in Berlin-Schöneweide gegründet, und in der Wendezeit hatte man nichts Besseres zu tun, als es zu schließen. Welche Arroganz, welch kurzsichtiges Verhalten! Wir hätten es jetzt gut gebraucht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit vielen Vorschusslorbeeren wurde ja die Corona-App eingeführt. Ich habe sie mir auch heruntergeladen, Herr App – –
(Heiterkeit)
Entschuldigung, Herr Spahn. Der „Stern“ hat in den Gesundheitsämtern des Landes nachgefragt. Der Leiter des Gesundheitsamtes in Reinickendorf sagte ein Vierteljahr nach Einführung der App – ich zitiere –:
Die App spielt nicht die leiseste Rolle hinsichtlich der Eindämmung, Aufklärung oder Erhellung des Infektionsgeschehens. Für uns als Gesundheitsamt ist sie, um es deutlich zu sagen: vollkommen überflüssig.
Wir fordern: Der öffentliche Gesundheitsdienst muss deutlich gestärkt werden! Das muss doch die Lehre sein, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber, Herr Spahn – jetzt kommt ein Lob –, Sie sind auch lernfähig. Unsere Forderung nach einem Investitionsprogramm für Krankenhäuser, die wir schon seit zehn Jahren in diesem Haus stellen, haben Sie nun endlich übernommen. Das ist gut so, und so sollten Sie auch weitermachen. Übernehmen Sie die Vorschläge der Linken; das kann nur gut sein.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Meine Damen und Herren, wir wollen vor der Bundestagswahl wissen, wer die Rechnung bezahlen soll. Zusatzbeiträge der Krankenkassen halten wir übrigens für eine ganz schlechte Idee. Wir fordern eine Vermögensabgabe für Milliardäre und Millionäre. Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit!
(Beifall bei der LINKEN)
Die nächste Rednerin ist Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473849 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 180 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit |