Sonja SteffenSPD - Gesundheit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Malsack-Winkemann, als wir Ihrer Rede zuhören mussten, dachte man tatsächlich an Märchen und Fabeln. Aber ich habe, ehrlich gesagt, mehr an so eine völlig verstrahlte böse Hexe denken müssen,
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)
als ich Sie hier vorne stehen sah.
(Stephan Brandner [AfD]: Das ist sexistisch, was Sie da von sich geben! Blanker Sexismus! – Weiterer Zuruf von der AfD: Individuelle Beleidigung!)
Und wissen Sie was? Was wir uns hier aus Ihrer Ecke anhören müssen, ist einfach wirklich asozial. Wir wissen alle hier in diesem Haus, dass wir bereits über 1 Million Todesopfer durch Corona haben. Und wir wissen alle, dass es sehr, sehr viele Erkrankte gibt, die unter den Spätfolgen immer noch sehr leiden. Vielleicht geht dieses Bild ja in Ihren Kopf: Gerade letzte Woche hat mir ein Freund erzählt, dass sein Bekannter aus dem Sportverein im Alter von 53 Jahren an Corona gestorben ist.
(Zuruf von der AfD: Kinder auch!)
Es handelt sich hier nicht um ein Märchen oder um eine Fabel, sondern um eine wirklich bedrohliche Krankheit.
Ihr Verhalten hier im Bundestag ist übrigens auch in höchstem Maße asozial,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
wenn ich das hier nach Ihrer Rede gerade mal sagen darf.
(Stephan Brandner [AfD]: Da gibt es keinen Ordnungsruf wegen „Hexe“, „asozial“! Da liegt die Schwelle aber sehr hoch heute!)
Gerade heute Morgen: Ich will in den Fahrstuhl, und dort stehen sechs Kollegen von der AfD, und alle ohne Masken. Sie quetschen sich da rein, tragen alle keine Masken. Sie gehen in die Kantine, Sie tragen keine Masken. Sie laufen über den Flur, Sie tragen keine Masken. Und wissen Sie was? Wir alle hier machen uns totale Sorgen, wenn wir morgen wieder in den Wahlkreis fahren.
(Stephan Brandner [AfD]: Bleiben Sie doch hier!)
Wir kommen hier zusammen – 709 Abgeordnete aus der ganzen Republik –, wir fahren am Wochenende wieder zurück. Natürlich sind wir Risikoträger, und wir achten total darauf. Und Sie laufen hier rum, als ob überhaupt nichts wäre. Das ist einfach in höchstem Maße asozial – in höchstem Maße!
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Aber wissen Sie was? Das passt extrem zu Ihrer Strategie, weil – wir haben das ja diese Woche erfahren – Sie wollen, dass es möglichst vielen Menschen schlecht geht. Das hat uns ja Ihr geschasster Pressesprecher verraten.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie sorgen dafür, dass es diesen Menschen schlecht geht! Das ist ein riesengroßer Unterschied! Reden Sie zum Haushalt!)
Und das machen Sie alles für ein paar Wählerstimmen. Sie riskieren das Leben von Menschen. Ich finde, das ist wirklich so unanständig – dazu fällt mir nichts mehr ein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Und noch eines, Frau Malsack-Winkemann – Sie haben das ja vorhin selber gesagt –: Es gibt tatsächlich tolle Bilder von Ihnen, wo Sie ganz vorne bei der Demonstration dabei sind, mit Rechtsextremen, mit Verschwörungstheoretikern,
(Stephan Brandner [AfD]: Mit Sozialdemokraten!)
mit rechtsextremen Verschwörungstheoretikern, mit wem auch immer, und natürlich ohne Maske und natürlich ohne Abstand und natürlich ohne Anstand; denn den haben Sie wirklich nicht mehr.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Ich will aber schon noch ein bisschen zum Haushalt reden.
(Stephan Brandner [AfD]: Ach was!)
Wir reden heute über die Einbringung des Gesundheitsetats.
(Stephan Brandner [AfD]: Ihre Redezeit ist um! Sie haben zu viel gehext!)
Und wir haben in der letzten Woche, in den letzten Tagen schon oft gehört, dass diese Haushaltsverhandlungen tatsächlich ganz anders sind als die vielen davor. Und das gilt für diesen Gesundheitsetat im Besonderen. Die aktuelle Größe des Etats zeigt das deutlich.
Das ist jetzt mein fünfter Haushalt, den ich hier im Gesundheitsbereich für die SPD begleite. Es war bisher immer so, dass wir ziemlich exakt den Betrag von 15,3 Milliarden Euro in dem Etat hatten. Das ist ganz schön viel. Aber man muss dann auch immer sehen, dass davon sogleich 14,5 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds gehen. Deshalb hatten wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier eigentlich gar nicht so viel davon zu verteilen. Das war auch in diesem Jahr so. Wir hatten für 2020 wieder einen Haushalt von 15,3 Milliarden Euro verabschiedet – und dann kam alles anders; das wissen wir.
Jetzt ist der Haushalt nach den beiden Nachtragshaushalten in diesem Jahr – und das auch wirklich völlig zu Recht – auf über 41 Milliarden Euro angewachsen. Der jetzige Entwurf für 2021 sieht 24,3 Milliarden Euro vor. Davon geht jetzt auch wieder viel in den Gesundheitsfonds. Zusätzlich hat der Bund rund 5 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds zurücküberwiesen, das haben wir vorhin schon gehört. Auch das ist richtig.
Herr Minister, wir vertrauen Ihrem Haus. Wir glauben, dass Sie auch im Jahr 2021 einen so guten Job machen werden, wie Sie ihn in der Vergangenheit gemacht haben. Wir vertrauen darauf, dass Sie weiter verantwortungsvoll handeln.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Aber wir wissen, die aktuelle Situation ist immer noch volatil. Heute Morgen ging, glaube ich, durch die Presse, dass überlegt wird, Coronatests für alle Haushalte zu entwickeln. Wir hoffen, dass so schnell wie möglich Fortschritte bei der Impfstoffsuche erzielt werden. Vielleicht tut sich ja sogar noch bis Dezember 2020 etwas, bis wir dann den Etat hier verabschieden werden.
Einige Dinge in dem Entwurf gefallen uns Parlamentariern und Parlamentarierinnen noch nicht so gut. Die SPD-Fraktion findet, dass wir noch mehr für die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung tun sollten, und zwar für die fachlich versierte Aufklärung der Bevölkerung. Wir wissen – ich habe mich gefreut, Herr Klein, dass Sie das vorhin schon gesagt haben; ich glaube, Frau Hajduk hat es auch schon erwähnt; wahrscheinlich haben es alle bis auf rechts außen hier im Haus angesprochen –: Wir müssen die internationale Gesundheit stärken, weil wir den Virus nur global besiegen können. Deshalb werden wir – da rede ich ausdrücklich für die SPD-Fraktion – uns sehr intensiv dafür einsetzen, die Beiträge für die WHO deutlich zu steigern. Wir wollen hier kein Klein-Klein. Wir müssen hier mit einer Bazooka – um mit unserem Finanzminister zu sprechen – gegen diesen Virus vorgehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir dürfen dabei aber auch nicht vergessen, dass die anderen Krankheiten im Jahr 2020 oft zu sehr in den Hintergrund geraten sind. Diese Krankheiten haben kein Sabbatical genommen, ganz im Gegenteil: Es gibt sie immer noch. Wir wissen das. Viele Strukturen brechen gerade zusammen, und es geht vielen Menschen schlechter als je zuvor.
An der Stelle muss ich jetzt sehr konkrete Kritik am Entwurf äußern. Herr Minister, Sie haben die Mittel für UNAIDS komplett gestrichen. Das finden wir nicht gut; das ist ein falsches Zeichen. Ich meine – da rede ich ausdrücklich für die SPD-Bundestagsfraktion –, dass wir hier nachbessern müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich will auch kurz erwähnen, dass das Müttergenesungswerk in einem völlig berechtigten Brief – nicht nur in einem; es geht um Briefe an viele hier im Haus – sein Anliegen vorgebracht hat. Es ist ganz wichtig. Es in der Tat so, dass das Müttergenesungswerk und die Mutter-Kind-Kuren richtig in Gefahr sind. Wir müssen schauen, ob wir da noch nachbessern können.
Aber ich bin optimistisch. Wir Haushälterinnen und Haushälter werden den vorliegenden Entwurf noch einmal ganz genau prüfen. Wir haben ja größtenteils ganz hervorragende Berichterstatter zum Etat. Ich denke, wir werden gut zusammenarbeiten und werden einen sehr guten überarbeiteten Entwurf dann in der zweiten und dritten Lesung hier vorlegen können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Während das Pult gereinigt wird – ich bedanke mich herzlich dafür, dass von früh bis spät die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Plenar- und Ausschussassistenzdienstes dies tun –, sei mir ein Hinweis gestattet: Ich kann niemanden daran hindern, uns hier mitzuteilen, woran er gerade, während des vergangenen Redebeitrages, denken musste. Aber ich bitte tatsächlich darum, zu überlegen, ob dies geeignet ist, an dieser Stelle gegebenenfalls auch Verletzungen bzw. das Gefühl des Beleidigtseins hervorzurufen. Jeder ist für sich selbst verantwortlich und für seine entsprechenden Äußerungen. Das ist meine Bemerkung dazu.
Das Wort hat nun die Kollegin Katrin Helling-Plahr, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473853 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 180 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit |