Bettina Stark-WatzingerFDP - Bildung und Forschung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich wusste gar nicht, dass Sie die Richtlinienkompetenz in dieser Koalition schon an die SPD abgegeben haben. Aber man lernt ja nie aus.
Haushaltsberatungen sind toll, sind spannend. Denn der Haushalt ist ein in Zahlen gegossenes politisches Programm. Da zeigt uns die Große Koalition, wo sie hinwill mit unserem Land. Wir debattieren heute einen der wichtigsten Einzelpläne in diesem Haushalt, nämlich den Haushalt für Bildung und Forschung, und ich habe mich darauf gefreut. Ich habe gedacht, die Große Koalition hat aus der Krise gelernt und ich erlebe hier einen Wumms für Bildung, Forschung und Innovation. Fehlanzeige!
(Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Denn mittelfristig – coronabereinigt – sinkt dieser Haushalt. Mittelfristig folgt dem Mehr im Haushaltsplan 2020 ein Weniger in der mittelfristigen Finanzplanung. Das ist der falsche Weg.
Bildung und Forschung sind der Weg in die Zukunft und der Weg, die Krise zu bewältigen, Chancen zu geben. Und die Zukunft gehört denen, die heute anfangen und nicht erst in der Zukunft.
(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)
Oder um es mit Worten der Bundeskanzlerin zu sagen: „Wohlstand für alle heißt heute und morgen: Bildung für alle.“
Große Worte einer vor über zehn Jahren ausgerufenen Bildungsrepublik!
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr richtig! Wir sind auf dem Weg!)
Trotzdem: Zehn Jahre später, Herr Kollege, ist das Trennende in dieser Gesellschaft immer noch die Bildung.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Wir haben den Bundesbildungsbericht gelesen: 7 Prozent der Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss, Tendenz steigend.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wer ist zuständig? Die Länder!)
Wir haben Reporte gesehen, die belegen, dass immer noch das Trennende ist, aus welchem Haushalt ich komme. Nur 21 von 100 Nichtakademikerkindern gehen auf die Hochschule. Bei Akademikerkindern sind es 74 von 100.
(Zuruf der Abg. Yasmin Fahimi [SPD])
Die Coronawochen werden diese traurigen Fakten noch verstärken. Das müssen wir ändern.
(Beifall bei der FDP – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Vorschläge!)
Sie bitten um Geduld, Frau Ministerin. Aber die Familien, die auf die Endgeräte warten, erwarten, dass das Geld endlich abfließt und an den Schulen ankommt; sie haben keine Geduld mehr.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Was haben Sie denn für einen Vorschlag?)
Die Mittel müssen endlich abfließen.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Blabla! Was wollen Sie konkret?)
Wir brauchen zum Beispiel – auch für Chancengerechtigkeit – ein elternunabhängiges BAföG. Frau Ministerin, Bildungsgipfel und Budgetposten ersetzen keine Taten.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Ja, ich weiß, dass Bildung auch eine Ländersache ist.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Späte Erkenntnis! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU]: Hört! Hört! – Zurufe von der SPD: Aha!)
Aber gerade deshalb müssen Sie die Position, die Sie haben, nutzen. Sie müssen die Länder zusammenbringen und müssen sich an die Spitze der Verfechter von Bildungschancen setzen. Machen Sie 2021 zu einem Jahr der Chancen!
(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)
Noch zwei wichtige Punkte haben Sie angesprochen, Frau Ministerin.
Einmal die berufliche Bildung. Nein, nicht jeder in unserem Land muss studieren. Die Realität ist auch eine andere. Deutlich mehr nehmen eine berufliche Bildung wahr.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist gut so!)
Sie selbst, Frau Ministerin, loben unsere Vorzeigeausbildung in jeder Rede. Nur, der uns vorgelegte Haushalt spricht eine andere Sprache. Der Löwenanteil geht in die Begabtenförderung für die akademische Bildung, nur ein Bruchteil, ein Mäuschenanteil, in die für die berufliche Bildung. Die Begabtenförderungswerke müssen endlich für die berufliche Bildung geöffnet werden. Wir müssen ihr den Respekt und die finanzielle Anerkennung zukommen lassen, die sie verdient.
(Beifall bei der FDP)
Ich will Ihnen dann noch zu einem weiteren Punkt etwas sagen: Mein Vater ist 92 Jahre alt. Er ist in dem Jahr geboren, als der Eiserne Gustav mit der Kutsche nach Paris fuhr, um gegen Autos zu demonstrieren. Er macht heute seine Steuererklärung digital. Der technologische Wandel – das wissen wir seit Langem – verändert rasant unser Leben. Mein Vater lebt das, worüber Sie noch sprechen; denn lebenslanges Lernen ist eine der Schlüsselaufgaben in unserer Zeit. Aber die Realitäten in Ihrem Haushalt sprechen eine andere Sprache. Ihr Fokus liegt immer noch auf Schule und Hochschule, drum herum Dürre. Machen wir das Jahr 2021 zu einem Jahr des lebenslangen Lernens. Es darf nicht eine Worthülse bleiben. Es muss endlich Schule machen, Frau Ministerin.
(Beifall bei der FDP)
Ich komme gleich zu meinem letzten Punkt; der Kollege Sattelberger wird noch einiges zur Innovation sagen. Der Haushalt, den Herr Brinkhaus als einen Haushalt mit Priorität für Zukunft, Technologie und Innovation bezeichnet hat, ist in dieser Hinsicht leider ambitionslos. Es sind natürlich Mittel für einige Projekte eingestellt worden, die Sie genannt haben. Aber im Verhältnis zum Gesamthaushalt ist das verschwindend gering. Ziel einer klugen Politik muss es sein, dass die Ideen in unserem Land entstehen: der neue Stoff, sodass Mikroplastik nicht mehr gebraucht wird, die Biotechnologie, die Krankheiten heilt oder Ernährung und Umwelt schützt.
Dieser Haushalt ist ambitionslos. Ihr Ansatz „Wenn die Herausforderungen groß werden, wird der Bildungshaushalt, werden die Investitionen klein“ ist der falsche. Wenn wir in Bildung und Forschung investieren, dann investieren wir in die Zukunft unseres Landes.
(Zurufe der Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD] und René Röspel [SPD])
Dafür werden wir in den Haushaltsberatungen streiten, debattieren. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Ich bin gespannt! – Gabriele Katzmarek [SPD]: Auf die Ideen sind wir gespannt!)
Das Wort hat Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473867 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 180 |
Tagesordnungspunkt | Bildung und Forschung |