Thomas SattelbergerFDP - Bildung und Forschung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Blick auf unsere Bildungsausgaben hat die OECD vorgestern sardonisch festgestellt: Nicht die Höhe der Ausgaben macht den Unterschied, sondern die Frage, wie intelligent ein Land investiert.
(Zuruf von der AfD: Richtig!)
Vor zwölf Jahren hat die Kanzlerin die Bildungsrepublik ausgerufen. Bis heute schreibt die OECD der Bundesregierung Ungerechtigkeit und soziale Undurchlässigkeit ins Stammbuch. Das betrifft nicht nur die Frage, wie viele Arbeiterkinder ein Studium aufnehmen, sondern auch das anderthalbmal höhere Risiko für finanziell schwächere Schüler, eine Klasse wiederholen zu müssen. Liebe Koalitionäre: Milliarden Euro ins Bildungssystem zu schütten, sorgt nicht automatisch für Klugheit im System. Deswegen, hippeliger Kollege Rupprecht, reden wir über Dummheit in der Bildungspolitik.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Und deswegen hat die Kanzlerin in diesem Jahr schon zwei Bildungsgipfel einberufen müssen, mit Tamtam und magerem Ergebnis. Corona bringt die ganze Misere ans Tageslicht, vor allem, wie grottenschlecht dieser Staat seine Lehrer für digitalen Unterricht ausbildet. Nach der PISA-Studie von vorgestern, Frau Ministerin, belegen wir Platz 76 von 78 im Nationenvergleich.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Im Gegensatz zu Frau Karliczek hat immerhin die Bundeskanzlerin gemerkt – Föderalismusdebatte hin, Föderalismusdebatte her, Herr Rupprecht –, dass man den DigitalPakt Schule nicht wie eine tote Katze über den Zaun werfen kann.
(Beifall bei der FDP – Lachen des Abg. Tankred Schipanski [CDU/CSU])
Das ist übrigens nicht das einzige unbestellte Feld. Das BMBF hat offenbar völlig vergessen, dass es nicht nur für die Impfstoffentwicklung und die Bioökonomie zuständig ist, sondern auch für den Transfer von Forschung: Blockchain, künstliche Intelligenz, Hightech-Strategie, Gentechnologie. Wer außerhalb Deutschlands über Innovation spricht, der denkt an Gründer und Gründerinnen, an Unternehmerinnen und Unternehmer. In Deutschland setzen nur 4 Prozent der Firmen künstliche Intelligenz ein. Die Zahl der KI-Start-ups liegt hier nur bei einem Fünftel derer in Großbritannien. Woran liegt das? An fehlendem Transfer, fehlgesteuerten Mitteln, mangelnder Unterstützung von Gründungen, unzureichendem Wagniskapital und vielen Köpfen im Sand.
Die Agentur für Sprunginnovationen: Im Juni 2018 kam mein Gründungsantrag ein – 27 Monate später hat die Agentur immerhin einen Aufsichtsrat; aber sie kann ihr Geld nicht ausgeben. Ein Grundprinzip Ihrer Politik, Frau Ministerin, besteht darin, Geld ins Schaufenster zu stellen und dann die Auszahlung zu verunmöglichen.
(Beifall bei der FDP)
Wie sieht es bei der qualifizierten Einwanderung aus? Die Studie des Stifterverbands von 2018 ist nach wie vor gültig. Uns fehlen an die 100 000 KI-Experten. Professor Harhoff hat festgestellt: Mehr KI-Forscherinnen und -Forscher verlassen dieses Land als zu uns kommen. – Deutschland leidet auch an diesem Punkt unter Braindrain. Von den 100 vollmundig angekündigten KI-Professoren sind derzeit wohl erst zwei in Amt und Würden.
Die Bilanz Ihrer Arbeit, Frau Karliczek, ist dunkelrot. Vollends deutlich wird dies werden, sobald sich Corona von dannen macht. Dann werden wir feststellen, dass die digital aufgestellten Nationen aus dieser herben Krise als Gewinner hervorgegangen sein werden. Frau Karliczek, kein Thema Ihres Ressorts haben Sie geführt; Sie haben vielmehr die Themen verwaltet und sich von Ihren Beamten durch die Manege ziehen lassen – mit dem Ergebnis, dass Ihnen bei der Batteriezellenforschung jetzt die Bundesrechnungshofberichte um die Ohren fliegen.
Wegen der Politik der faulen Hand klafft in Deutschland eine Bildungs- und Innovationslücke. Sie haben verpasst, den Weg kreativer Selbsterneuerung zu beschreiten. Die Schulen sind eingefroren auf Vor-Corona-Level. Während Bund und Länder noch herumlaborieren, bauen andere Nationen bereits ihre Innovationspipeline: Südkorea, Dänemark, Schweiz oder Kanada. Krise als Chance nutzen. Warum schaffen das andere und Sie nicht? Der Speck schwimmt weg, Frau Karliczek!
(Beifall bei der FDP)
Die Redezeit auch.
Ich bin fertig.
Ach so, Sie sind fertig; wunderbar. Danke schön, Dr. Sattelberger. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Petra Sitte.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7473873 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 180 |
Tagesordnungspunkt | Bildung und Forschung |