02.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 181 / Tagesordnungspunkt 1

Dennis RohdeSPD - Haushaltsgesetz 2021

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Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt die erste Haushaltswoche nahezu hinter uns. 30 Minuten Debatte liegen noch vor uns. Das ist immer die Chance, auf das eine oder andere noch einzugehen.

Ich möchte auf eine Sache eingehen, die uns schon beschäftigt, nämlich das Spannungsfeld zwischen dem, was wir in der Krise, die wir vor uns haben, machen, und den Möglichkeiten und Maßgaben, die unsere Verfassung bietet. Das ist natürlich etwas, mit dem wir uns intensiv auseinandersetzen. Wir haben nun einmal klare Vorgaben in der Verfassung, was die Nettokreditaufnahme angeht. Wir haben klare Vorgaben, wie viel Schulden wir zusätzlich aufnehmen dürfen, um den Haushalt auszugleichen. Und wir dürfen darüber nur hinausgehen, wenn wir uns in einer außergewöhnlichen Notsituation befinden, die sich der Kontrolle des Staates entzieht. Ich finde, man kann nur sehr schwer argumentieren, dass wir uns in dieser Situation nicht befinden. Wir haben eine Notsituation. Wir haben eine weltweite Pandemie. Wir haben über 1 Million Tote, wir haben über 34 Millionen Infizierte weltweit, und wir haben auch in Deutschland wieder eine deutliche Zunahme an Fällen, übrigens zunehmend in allen Altersgruppen.

Diese Pandemie entzieht sich weiterhin unserer staatlichen Kontrolle. Wir haben keinen Wirkstoff, der auf Covid-19 zielt. Wir haben keinen Impfstoff, Stand heute. Nur die Disziplin unserer Bevölkerung und die Einschränkungen, die insbesondere die Landesregierungen auf den Weg gebracht haben, helfen uns, durch diese Krise zu kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Natürlich schlägt sich das auch auf die deutsche Wirtschaft nieder: Wir haben einen extremen Rückgang der Wirtschaftsleistung um über 5 Prozent. Eine Erholung ist nicht mit Sicherheit in Sicht. Wir sehen eine Erholung, aber wir haben keine Sicherheit, weil wir nicht wissen, wie die Pandemie verläuft. Unsere Wirtschaft wird das alles nicht ohne Unterstützung hinbekommen.

Die zweite Vorgabe ist: Wir brauchen eine erhebliche Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage. Wir haben allein im Haushaltsjahr 2021 im Gegensatz zu den eigentlich mal geplanten Eckpunkten Steuermindereinnahmen von über 32 Milliarden Euro. Allein diese 32 Milliarden Euro sind deutlich mehr als das, was wir zulässigerweise an Krediten aufnehmen könnten. Das sind nämlich nur – das ist alles sehr kompliziert zu rechnen –, wenn man die Finanzsalden der Sondervermögen berücksichtigt, 10 Milliarden Euro. Also würden wir die zulässige Nettokreditaufnahme schon um 18 Milliarden Euro überschreiten, allein um die Einnahmeausfälle zu kompensieren. Und es kann ja keiner bestreiten, dass wir zusätzliche Ausgaben tätigen müssen. Es kann ja keiner bestreiten, dass wir Herausforderungen vor uns haben.

Hier geht es um verschiedene Dinge. Zum einen haben wir Maßnahmen zur Stabilisierung. Wir haben das Kurzarbeitergeld, das wir jetzt auch durch Steuereinnahmen stabilisieren. Wir haben den Gesundheitsfonds, den wir zusätzlich stabilisieren. Wir haben im Haushalt 2021 Vorsorge für Überbrückungshilfen getroffen, weil keiner weiß, wie sich die Wirtschaft weiter entwickelt. Wir haben eine allgemeine Pandemievorsorge, weil wir nicht wissen, worauf wir kurzfristig noch reagieren müssen. Wir haben zum Beispiel Mittel für Digitalisierung, damit wir im nächsten Shutdown vielleicht etwas besser aufgestellt sind. Zum anderen haben wir Maßnahmen, die in die Zukunft reichen, Maßnahmen, die dabei helfen, dass wir diese Krise nachhaltig verlassen und neue Kraft gewinnen, zum Beispiel die Ausgaben für die Wasserstofftechnologie, für die künstliche Intelligenz oder für die Quantentechnologie.

Man kann bei all den Maßnahmen, die ich aufgezählt habe, unterschiedlicher Meinung sein. Man kann darüber streiten oder diskutieren, ob das die richtigen Schwerpunkte sind. Aber das ist ein normaler politischer Diskurs, den wir hier führen, und nicht, was einige manchmal behaupten, eine verfassungsrechtliche Debatte; das möchte ich an dieser Stelle einmal deutlich machen. Ich bin überzeugt, dass das, was wir hier auf den Weg bringen, richtig und wichtig ist, um aus dieser Krise weiter herauszukommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und dann gibt es die Dinge, die Tagesgeschäft sind, aktuelle Themen, die wir bereits vor der Krise adressiert haben, Dinge, mit denen wir uns heute auseinandersetzen. Ich will einmal zwei große Themen herausgreifen: die Grundrente und das Strukturstärkungsgesetz. Beide haben hohe Priorität, und beide sind auf Dauer bzw. auf einen langen Zeitraum angelegt. Jetzt kann man natürlich die politische Forderung aufstellen: Streicht das! Macht das jetzt nicht; wir sind in einer Krise. – Man kann auch fordern, bei den Renten zu kürzen, beim Klimaschutz, bei den Kindertagesstätten. Aber ich finde, unser Grundgesetz ist auch an der Stelle eindeutig; denn es ist doch gerade das Ziel, zusätzliche Kredite in einer solchen Zeit aufnehmen zu können, damit man eben nicht die Axt an den Staat legt, damit man nicht die soziale, die innere oder die äußere Sicherheit gefährdet. Von daher finde ich es richtig und wichtig, dass wir uns von dieser kurzen Krise nicht aus der Bahn werfen lassen und die großen politischen Ziele auch weiter verfolgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unsere Verfassung gibt uns die Handlungsfreiheit dazu.

Natürlich werden wir darüber diskutieren müssen, wie es in den nächsten Jahren weitergeht. Ich habe die Forderung gehört, insbesondere von ganz rechts, wir sollten jetzt die gesamte Rücklage einsetzen. Aber ich finde, gerade das ist keine nachhaltige Politik; weil wir doch in den Jahren 2022, 2023, 2024 gemeinsam das Ziel haben sollten, eben nicht mehr eine außergewöhnliche Notsituation feststellen zu müssen. Dann sind all die, die politisch Verantwortung tragen, gefordert, einen Haushalt vorzulegen, der eine wesentlich geringere Kreditaufnahme vorsieht. Heute müssen wir Vorsorge dafür treffen, dass das in der nächsten Legislaturperiode auch bewerkstelligt werden kann, indem wir die Rücklage dafür zur Verfügung stellen. Ich finde, das ist nachhaltige Politik, wie sie betrieben werden muss, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist sie aber nicht!)

Dann geht’s ja weiter. Dann ist die Frage: Wie schaffen wir einen dauerhaften Haushaltsausgleich in den Jahren 2022, 2023, 2024? Wir wissen ja, dass da große Herausforderungen auf uns zukommen. Ja, wir Sozialdemokraten sagen auch: Am Ende des Tages muss man eine Debatte darüber führen, wer die finanziellen Lasten dieses Staates trägt und ob es nicht auch Menschen in diesem Staat gibt, die man ein bisschen stärker belasten kann. Jetzt verstehe ich, dass es Leute gibt, die das ablehnen; aber ich finde, die müssen dann auch andere Vorschläge machen. Am Ende des Tages wird eine jede Fraktion hier die Frage nach der Plausibilität ihrer Vorschläge beantworten müssen. Man kann sich eben nicht hinstellen und sagen: „Wir wollen die soziale Sicherheit auf dem Niveau halten, auf dem sie jetzt ist; wir wollen die innere Sicherheit auf dem Niveau halten, auf dem sie jetzt ist; wir wollen die Bundeswehr, die äußere Sicherheit auf dem Niveau halten, auf dem sie jetzt sind und sogar noch ausbauen“, ohne die Frage zu beantworten, wo das Geld herkommt. Vor der Frage stehen alle, die sagen, sie wollen keine zusätzlichen Einnahmen generieren, und ich erwarte, dass die jetzt auch sagen, wo sie die konkreten Kürzungen vornehmen, weil das zu einem ehrlichen politischen Diskurs dazugehört.

(Beifall bei der SPD – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das liegt auf dem Tisch!)

Am Ende des Tages, glaube ich, haben wir einen zukunftsgerichteten Haushaltsentwurf, der diese drei Dinge, die ich eben immer wieder betont habe, die innere, die äußere und die soziale Sicherheit, nicht außer Acht lässt. Wir werden diesen Haushaltsentwurf jetzt diskutieren und ihn zu einem noch besseren Haushalt machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU])

Vielen Dank, Dennis Rohde. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Karsten Klein.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7474315
Wahlperiode 19
Sitzung 181
Tagesordnungspunkt Haushaltsgesetz 2021
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