07.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 182 / Zusatzpunkt 1

Kirsten LühmannSPD - Aktuelle Stunde - Mobilität als Rückgrat unseres Wohlstandes

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80 Milliarden Euro. – Herr Präsident! Liebe Kollegen und liebe Kolleginnen! Im letzten Jahr haben wir in den 521 000 Staustunden auf unseren Straßen einen volkswirtschaftlichen Schaden von 80 Milliarden Euro verursacht.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Obwohl wir so viele Autobahnen haben!)

20 Prozent davon resultieren aus den Baustellen, Herr Minister, die wir einfach mehr machen, um mehr zu ertüchtigen, um mehr zu bauen. Wir sind aber auch schneller geworden, herzlichen Dank dafür. Die Baustellen sind eben nicht mehr wochenlang nicht bedient, sondern dort wird an sechs Tagen die Woche gearbeitet. Es wird in der gesamten Zeit gearbeitet, in der wir Tageslicht haben. Darum werden sie auch schneller fertig, und die renovierten Straßen stehen schneller der Allgemeinheit zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD)

Der Hauptgrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, für diese Staus sind aber Kapazitätsprobleme. Ein sofortiger Stopp von Aus- und Neubau manifestiert diese Kapazitätsprobleme auf Jahre. Warum fordern Sie das jetzt? Ich kann nur spekulieren.

Das Erste, was Sie wollen, ist Vermeidung von Verkehren. Wir liegen aber im Herzen Europas. Sechs von neun transeuropäischen Strecken führen durch Deutschland, 20 Prozent der Güterverkehre auf unseren Straßen sind Transitverkehre; die können wir gar nicht vermeiden. Und die anderen Verkehre? Wie wollen wir das machen? Ich habe hier schon mal gesagt: Ich brauche keinen Joghurt aus dem Allgäu – ich entschuldige mich bei allen aus dieser Region –, wir haben in Norddeutschland hervorragenden Ökojoghurt; der reicht mir völlig aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Aber wir können ihn, wenn wir keine Planwirtschaft haben – ich sage hier ganz deutlich für die SPD: wir wollen keine Planwirtschaft –,

(Zurufe von der AfD: Ach!)

den Menschen eben nicht verbieten.

Zweite Möglichkeit: Verlagerung der Verkehre auf die Schiene. Super Idee, wollen wir auch, ganz toll. Aber schauen wir uns doch mal an, ob das geht. Sie suggerieren der Öffentlichkeit, dass es jetzt eine Alternative gäbe zu dem Straßenverkehr, und die lautet Schiene. Das stimmt so nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Beifall bei der SPD)

und zwar weder für den Personenverkehr – wir können in meine Region Lüneburg/Hamburg schauen: da könnten wir doppelt so viel Nahverkehrszüge einsetzen, schaffen wir aber nicht, weil die Strecke nämlich voll ist – noch für den Güterverkehr.

Ich habe mir mal die Karte mit den Streckenauslastungen der Schiene in Deutschland geholt. Rot ist überlastet: der gesamte Hafenhinterlandverkehr, Frankfurt, Nürnberg, Mannheim, München. Blau ist ausgelastet: die Strecken um Hamburg, Magdeburg, Leipzig, Frankfurt, das gesamte Rhein-Main-Gebiet, Mannheim in Richtung Basel, Stuttgart, München in Richtung Österreich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wahrheit ist: Es gibt heute keine Alternative. Die Verlagerung auf die Schiene ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum schreiben Sie es dann in Ihrem Koalitionsvertrag?)

Aber das interessiert Sie überhaupt nicht. Sie wollen lediglich Schlagzeilen produzieren. Eine ganzheitliche Verkehrspolitik ist gar nicht in Ihrem Sinne. Eine ganzheitliche Verkehrspolitik – das hat der Kollege Herzog nämlich gesagt – haben wir mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030 gemacht, wo es zum ersten Mal einen Umweltbericht gegeben hat, wo wir zum ersten Mal eine Netzwirksamkeit betrachtet hatten – also: wie verhalten sich die Baumaßnahmen auf der Straße zu der Schiene? – und wo wir zum ersten Mal alle Schienenprojekte, die wirtschaftlich waren, in den Vordringlichen Bedarf gehoben haben, übrigens ganz entgegengesetzt zu der Straße, da haben wir nämlich ein Limit gemacht, bei der Schiene nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir setzen das auch um.

Der Kollege Hofreiter versucht hier, uns zu unterstellen, wir würden das nicht umsetzen, und nimmt sich – ich habe mir die Zahlen kommen lassen, Herr Hofreiter –

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt? Toll!)

als Beispiel das einzige Jahr heraus, 2019, wo keine großen Schienenprojekte fertig geworden sind.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war das letzte Jahr!)

Ich bringe Ihnen andere Zahlen, Herr Hofreiter. 2018: Wie viel Schiene ist denn 2018 fertig geworden? 286 Kilometer neue Schiene sind 2018 in Betrieb genommen worden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist dreimal so viel wie Straßenkilometer in dem Jahr. 2017 waren es 213 Kilometer. Warum bringen Sie das einzige Jahr mit null als Beispiel?

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie stehen bei der Statistik an letzter Stelle!)

Das hat nichts mit Sachlichkeit zu tun, das hat was mit Polemik zu tun.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden weitermachen. Wir werden weiter die Schiene ausbauen, und wir werden es vernünftig machen. Wir werden es mit Bürgerbeteiligung machen. Wir werden hier im Bundestag zusätzliche Gelder für Entlastungsmaßnahmen beim Lärmschutz geben.

Ich werde Ihnen sagen, wozu das führt: Das führt dazu, dass der Bundesverkehrswegeplan 2030 der letzte Bundesverkehrswegeplan war, bei dem es große Straßenneubauprojekte gab, und es wird der letzte Bundesverkehrswegeplan mit 49 Prozent Ausgaben für die Straße sein.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine Art Moratorium, was Sie hier fordern!)

Dafür legen wir jetzt eine Grundlage, und das, meine Kolleginnen und Kollegen, ist auch gut so.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Autobahn-Moratorium der SPD!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der schleswig-holsteinische Abgeordnete Gero Storjohann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7475255
Wahlperiode 19
Sitzung 182
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Mobilität als Rückgrat unseres Wohlstandes
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