Katja KippingDIE LINKE - Anpassung der Regelbedarfe nach dem SGB XII
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle bisherigen Bundesregierungen haben gezielt kleingerechnet, was der Mensch zum Leben braucht. Wir als Linke haben immer dagegengehalten; denn wir werden uns niemals mit millionenfacher Armut in diesem Land abfinden.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn die Regierung die Regelbedarfe in Sozialhilfe und Hartz IV kleinrechnet, dann verdonnert sie damit auch Rentnerinnen und Rentner, die auf Grundsicherung angewiesen sind, Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten arbeiten, und Alleinerziehende, die aufstocken müssen, zu einem Leben in Armut und materieller Entbehrung. Aktuell sind 7 Millionen Menschen direkt von der Höhe der Regelbedarfe betroffen. Umso ärgerlicher ist es, dass der aktuelle Sozialminister Hubertus Heil fast alle Methoden zum Kleinrechnen weiter anwendet und es nicht mal für nötig hält, heute hier persönlich vorm Parlament in Erscheinung zu treten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Bundesregierung legt bei der Berechnung fest, dass Sozialleistungsbeziehende zum Beispiel kein Anrecht auf bestimmte Ausgaben haben. Eine Woche Campingurlaub mit der Familie, ein Weihnachtsbaum, Grabschmuck oder das Führen eines Autos auch im ländlichen Raum – alles nicht vorgesehen. Treffen mit anderen Menschen, so sie nicht komplett gratis sind, sind nicht vorgesehen. Wer zu einem Geburtstag eingeladen ist, möchte doch auch als Hartz-IV-Betroffener vielleicht gerne einen Strauß Blumen mitbringen – nicht vorgesehen. Wer sich mit Freunden in einem Café trifft, muss doch zumindest eine Tasse Kaffee bestellen können. Auch das ist im Regelsatz nicht vorgesehen. So treibt diese Regierung Hartz-IV-Betroffene in Vereinsamung und Isolation. Deren Leben schrumpft dann oft auf die eigene Wohnung zusammen, und das müssen wir ändern.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Martin Reichardt [AfD]: Das ist doch durch die Coronakrise gewollt, dass das zusammenschrumpft!)
Ebenfalls nicht vorgesehen ist übrigens Futter für Haustiere. Das heißt, wer in Hartz IV fällt und womöglich schon unter Vereinsamung leidet, muss dann entweder die Haustiere notentsorgen, notschlachten oder sich deren Futter vom Munde absparen. Eine Gesellschaft, in der Menschen, die schon unter Vereinsamung leiden, auch noch das Futter für Hund oder Katz sich vom Munde absparen müssen, geht vor die Hunde. Auch das müssen wir ändern.
(Beifall bei der LINKEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das ist wirklich Polemik, Frau Kollegin, zu sagen, dass man schlachten muss!)
Es ist ein offenes Geheimnis, dass jede kleine Verbesserung im Bereich Hartz IV und Sozialhilfe für die Union ein No-Go ist und aufs Schärfste bekämpft wird. Insofern ist mit dieser GroKo kein Schutz vor Armut drin. Aber Hubertus Heil – und diesen Schuh muss er sich anziehen – hat nicht einmal versucht, seine Autorität als Sozialminister in die Waagschale zu werfen. Er hat ja nicht mal den öffentlichen Konflikt mit dem Koalitionspartner gesucht, um mehr für die ärmsten 7 Millionen Menschen im Lande herauszuholen. Damit stellt er sich als Sozialminister ein wahres Armutszeugnis aus. Die Ärmsten im Land haben von diesem Sozialminister nichts zu erwarten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir als Linke haben nachgerechnet: Wenn nur die offensichtlichsten Tricks wegfallen würden, müsste der Regelsatz monatlich bei 658 Euro liegen, plus Strom und Kosten der Unterkunft. Das wäre auch finanzierbar. Um die Ärmsten aus der Armut zu holen, müssen wir einfach Millionenvermögen und Millionenerbschaften stärker besteuern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin Kipping.
(Die Rednerin verlässt das Rednerpult ohne Mund-Nase-Bedeckung – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Die Maske! – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Deine Maske!)
– Schön, dass Sie selbst aufpassen. Es freut mich wirklich. Ich habe diese Allgemeinverfügung nicht erlassen; aber wir sollten sie alle befolgen.
(Zuruf von der AfD: Warum?)
– Weil Rechtsetzung gilt, solange sie besteht, nicht? Wenn man das nicht akzeptieren will, muss man dieses Land verlassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich meine jetzt: in geschlossene Einrichtungen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist immer noch frei interpretiert!)
Als nächster Redner hat der Kollege Sven Lehmann, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7475265 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 182 |
Tagesordnungspunkt | Anpassung der Regelbedarfe nach dem SGB XII |