Birke Bull-BischoffDIE LINKE - Bildungs- und Betreuungsgarantie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ja, die Auswirkungen der Coronakrise haben vor allen Dingen Kinder und Jugendliche in ganz besonderer Weise zu spüren bekommen. Aber zur Debatte gehört immer dazu: Von den Auswirkungen der Maßnahmen gegen das Coronavirus waren nicht alle gleich betroffen.
Von den Folgen dieser Krise waren jene jungen Menschen, Kinder und Jugendliche, sehr viel stärker betroffen, deren Familien wenig Geld und wenig Möglichkeiten haben, die in problembeladenen Situationen und Lebensumständen aufwachsen müssen. Sie können weniger kompensieren. Um ihnen zu helfen, fließt sehr viel weniger öffentliches Geld als in anderen Bereichen, ihnen wird sehr viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Über das Abitur ist öffentlich und sehr kontrovers diskutiert worden, nicht aber über die Situation beispielsweise an Förderschulen. Das alles beschneidet die Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen Kinder und Jugendlichen.
Sie können sich ein Bild davon machen, wenn Sie mal eine Woche lang in einer Kita oder in einer Grundschule in den sogenannten Brennpunktvierteln unterwegs sind. Ich habe das gemacht, und das schärft in der Tat die Sinne.
(Beifall bei der LINKEN)
Das, was man dort erleben muss, entzieht unserer Gesellschaft den sozialen Zusammenhalt und ist deshalb nicht hinnehmbar – jedenfalls nicht für uns Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir reden viel über digital gestütztes Lernen, und das ist auch in Ordnung so. Es gehört zur Lebenssituation. Kinder und Jugendliche müssen wissen, wie die Dinger funktionieren; sie müssen sich vorbereiten auf die Lebenswelt – überhaupt keine Frage. Aber eines ist auch klar: Lernen ist und bleibt ein sozialer Prozess, und dieser ist eben nicht reduzierbar auf das Verhältnis zwischen Maschine und Mensch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die eigentlichen Probleme im Bereich der Bildung in unserem Land sind dieselben wie vor Corona. Wir haben zu wenige Lehrkräfte. Wir haben zu wenig Schulsozialarbeit. Wir haben zu schlechte Schulen, und wir haben – mit Verlaub – mitunter eine Lern- und Schulkultur, die mancherorts an Kaisers Zeiten erinnert. Diese Lücken gab es vorher, und diese Lücken gibt es immer noch.
Vor den Augen der Öffentlichkeit ist einmal mehr deutlich geworden: In Sachen „digitales Lernen“ ist Deutschland ein Entwicklungsland. Es fehlt an der Infrastruktur in den allgemeinbildenden Schulen und in den Berufsschulen, aber es fehlt auch an der individuellen Ausrüstung der Kinder und Jugendlichen. Da geht es mir wiederum um diejenigen, die keine eigenen Geräte und zu Hause auch kaum Rückzugsräume haben. Es ist zwar eine heftige Geschäftigkeit in Gang gekommen – zugegebenermaßen. Die Zahlen können wir hier alle schon auswendig.
Damit komme ich zu meinem letzten Punkt: Der Bildungsföderalismus in seiner jetzigen Form, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Bildungsbremse. Der Bund steht am Rande des Spielfelds. Er stellt Geld zur Verfügung, aber dieses Geld bleibt auf dem Konto liegen. Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Anlass genug, eben nicht nur für Bildungsgipfel, es ist einfach höchste Zeit, dass die Menschen in unserem Land spüren: Bildung ist in der Tat Chefsache und steht an Nummer eins.
(Beifall bei der LINKEN)
Schraps hat den Hut verloren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat abgewirtschaftet. Nur Kooperation ist zukunftstauglich, und dafür braucht es in der Tat eine Neuordnung des Bildungsföderalismus.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das Wort hat die Kollegin Katja Dörner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7475301 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 182 |
Tagesordnungspunkt | Bildungs- und Betreuungsgarantie |