08.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 10

Linda TeutebergFDP - Fachkräfteeinwanderung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Richtig ist: Unser Land steckt derzeit in einer tiefen Wirtschaftskrise, und wir müssen einiges tun, um es wieder auf einen Wachstumspfad zu führen. Allein, was die AfD hier vorschlägt, geht völlig an der Sache vorbei. Wir werden die Wirtschaftskrise bestimmt nicht mit Rückschritten bei der Fachkräfteeinwanderung meistern, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

Wir als Freie Demokraten sind wahrlich nicht zufrieden mit dem, was die Große Koalition als Antwort auf die Wirtschaftskrise anbietet. Wir brauchen mehr als eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes über die Bundestagswahl hinaus – was nicht mehr und nicht weniger ist als der Traubenzucker für einen Marathon. Wir brauchen vielmehr auch eine Debatte darüber, dass zum Beispiel die Existenz des Facharbeiters, um die es auch uns Freie Demokraten geht, eben genau davon abhängt, dass unser Land diejenigen Ingenieure anwerben kann, die es braucht.

Insofern ist der AfD-Antrag hier viel zu kurz gesprungen. Dass aber das Kurzarbeitergeld eine sinnvolle Kurzfristmaßnahme ist, zeigt sich darin, dass die Arbeitgeber erst mal bemüht sind, ihre Fachkräfte auch in der Krise zu halten. Genau deshalb nutzen sie es. Auch da geht die AfD von falschen Befürchtungen aus.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU])

Politik, die rechnen kann, muss vor allem aber auch Statistiken richtig deuten. Wenn die AfD mit Arbeitslosenzahlen argumentiert, dann vernachlässigt sie dabei völlig, dass diese zum Teil auch auf den demografischen Wandel zurückzuführen sind – in bestimmten Bereichen sinkt allein deswegen das Angebot an deutschen Arbeitskräften. Wir sind also dringend darauf angewiesen, etwa im Pflege- und Gesundheitsbereich, Menschen in unseren Arbeitsmarkt einzuladen. Deshalb sind die bisherigen Regelungen dazu richtig und die Vorschläge im vorliegenden Antrag falsch.

(Beifall bei der FDP)

Sie zeigen, dass die AfD die Größe der Herausforderung nicht erkannt hat. Klar ist: Wir können diese Herausforderung nicht allein durch Einwanderung, aber auch nicht ohne Einwanderung bewältigen.

Und: Wir müssen mehr für Bildung tun und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ergreifen. Wir machen dazu Vorschläge, zum Beispiel die Einführung des Midlife-BAföG. Aber wir werden das Problem nicht ohne mehr Fachkräfteeinwanderung lösen. Das muss hier gesagt werden.

(Beifall bei der FDP)

Die Fachkräfte, die unser Land braucht, warten übrigens nicht an der Grenze, sondern es bieten sich ihnen weltweit Alternativen. Außer den Gesetzen zur Migration gibt es einige Faktoren, die Menschen davon abhalten, zu uns zu kommen. Das ist zum einen unsere Sprache, die, zwar wunderschön, aber auch schwer zu erlernen ist. An der können und wollen wir wohl nichts ändern, aber sie ist ein hemmender Faktor. Zum anderen ist es die im internationalen Vergleich leider spitzenmäßig hohe Steuer- und Abgabenlast, die hochqualifizierte Menschen abhält, zu uns zu kommen. Darüber jedoch müssen wir diskutieren.

(Beifall bei der FDP)

Weil es also Faktoren außer der Migrationsgesetzgebung gibt, die unser Land für Fachkräfte eher weniger attraktiv machen, ist es umso wichtiger, dass wir mehr bekommen als das, was uns die GroKo zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgelegt hat; denn das ist zaghaft, uninspiriert und kein großer Fortschritt.

(Beifall bei der FDP)

Was für die Unionsparteien offenbar schon ein großer Schritt war, ist ein winziger für unser Land. Und es ist mehr als nur eine technische Frage, dass wir kein Einwanderungsgesetz aus einem Guss bekommen haben, sondern mehrere Gesetzentwürfe, mit denen nur kleine Änderungen an bereits bestehenden Gesetzen vorgenommen werden. Nach eigener Prognose der Großen Koalition sind durch die Regelungen nur circa 25 000 Fachkräfte mehr pro Jahr zu erwarten. Wir brauchen aber einen großen Wurf.

Was ist also aus unserer Sicht zu tun? Erstens: Wir müssen die Bluecard weiter ausbauen und damit einen Zugang für Menschen schaffen, die ein konkretes Arbeitsvertragsangebot haben.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen, zweitens, endlich ein Punktesystem, wie wir es aus erfolgreichen Einwanderungsländern wie Kanada, Australien oder Neuseeland kennen. Ihnen gelingt es, die Einwanderung in den Arbeitsmarkt gezielt zu steuern.

Aller guten Dinge sind drei: Für ein modernes Einwanderungsrecht braucht es auch moderne Behörden. Die Visastellen vergeben längst nicht genügend Termine, damit qualifizierte Menschen zügig ihre Anträge stellen können. Wir brauchen außerdem Lotsen durch das derzeitige Behördenchaos und den Bürokratiedschungel – am besten wäre es natürlich, ihn gar nicht erst mit den Gesetzen zu schaffen, die wir hier im Haus beschließen. Und wir brauchen auch zügige und einheitliche Anerkennungsverfahren für berufliche Qualifikationen, und zwar bundesweit.

(Beifall bei der FDP)

Das wäre ein großer Wurf beim Thema Fachkräfteeinwanderung. Zugleich will ich auch etwas anderes deutlich machen – denn daran entzündet sich ein großer gesellschaftlicher Konflikt in unserem Land und auch in vielen anderen westlichen Demokratien.

Wir müssen uns ehrlich machen und klar unterscheiden: Erstens: Wer braucht unseren Schutz? Zweitens: Wen wollen wir in unseren Arbeitsmarkt und in unsere Gesellschaft einladen? Drittens: Für wen gilt „weder noch“?

Leider hat die linke Seite dieses Hauses mit der dritten Kategorie ein Problem. Denn es bedeutet, auch hier die rechtsstaatliche Konsequenz walten zu lassen und endlich dafür zu sorgen, dass es einen Unterschied macht, wie in unserem Land ein rechtsstaatliches Asylverfahren ausgeht. Es macht nämlich einen Unterschied, ob es positiv ausgeht – dann ist der Schutzanspruch gegeben und Integration zu gewährleisten – oder ob es abschlägig beschieden wird, und dann muss auch die Pflicht zur Ausreise durchgesetzt werden.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])

Beides gehört zusammen und darf nicht gegeneinander ausgespielt werden.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Quatsch!)

Wir brauchen mehr geordnete, legale Migration und zugleich die wirksame Bekämpfung illegaler Migration. Deshalb sollten die Bereiche nicht gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr müssen wir in Deutschland unsere Hausaufgaben machen neben dem, was wir gerade auf europäischer Ebene zu verhandeln haben. Und das bedeutet: ein Fachkräfteeinwanderungsrecht zu schaffen, bei dem kleine und mittelständische Unternehmen nicht einen Fachanwalt brauchen, um zu klären, ob der Arbeitnehmer mit den entsprechenden beruflichen Qualifikationen, den sie brauchen und der zu uns kommen möchte, eine Chance auf legalen Aufenthalt bei uns hat. Und das bedeutet auch, das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger endlich dadurch zu stärken, dass es in der Praxis einen Unterschied macht, wie bei uns ein Verfahren ausgeht, und dass es zur Regel und nicht zur Ausnahme wird, dass die Pflicht zur Ausreise, wenn sie feststeht, in einem Rechtsstaat auch durchgesetzt wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist unsere Verantwortung. Wir wollen uns ihr stellen und laden andere, die das in diesem Haus noch nicht tun, dazu ein, das ebenfalls zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Lars Castellucci, SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7475356
Wahlperiode 19
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Fachkräfteeinwanderung
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