Wiebke EsdarSPD - Europäische Hochschullehre
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss ehrlich sagen: Ab und zu ist die Opposition, sind Sie, Kolleginnen und Kollegen der FDP, zu beneiden, und zwar dann, wenn Sie einfach die eierlegende Wollmilchsau in einen Antrag packen können, ohne jeglichen Realitätscheck oder Machbarkeitscheck darüber zu setzen, und das einfach ins Plenum einbringen können, weil Sie wissen, dass es eh nicht beschlossen wird.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sie setzen sogar Unmögliches in Gesetze!)
Ich glaube, dass wir uns alle von den demokratischen, ernstzunehmenden Parteien hier einig sind, dass wir für mehr Europa in der Hochschulbildung sind. Wir sind auch für ein Mehr an digitalen Angeboten. Aber Ihr Antrag lässt viel zu viele Fragen offen.
Er lässt zum Beispiel die Frage unbeantwortet, wer diese „beste Lehre für alle“ auswählen soll, was die beste Lehre für alle ist. Denn wer sich mit Hochschullehre beschäftigt, der weiß, dass wir gerade im digitalen Bereich nicht zu wenig Angebote haben, sondern dass die Herausforderung darin besteht, herauszufiltern und sie zielgerichtet einzusetzen. Das ist eine Riesenherausforderung, die Sie nicht adressieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Natürlich! Durch die Universität!)
Die Frage der Interoperabilität bleibt auch völlig unbeantwortet. Denn wer sich mit Digitalisierung an Hochschulen auseinandersetzt, der weiß, dass die große Herausforderung darin besteht, dass unterschiedliche Systeme benutzt werden und dass wir Schnittstellen brauchen, um sie zu übertragen. Wir haben bisher keine deutschen, also keine nationalen, und schon gar keine europäischen Standards.
(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sie sind doch in der Regierung! Tun Sie was!)
Wer so etwas wie eine European Digital University einführen will, der sollte sich meines Erachtens auch mit dieser Herausforderung beschäftigen.
(Beifall bei der SPD)
Sie lassen zudem die Frage unbeantwortet, wie attraktiv eigentlich der Status als Professor bzw. Professorin an dieser Universität sein soll, wenn die Hauptbeschäftigung, so wie Sie es im Antrag schreiben, die eines Studiengangmanagers und ‑entwicklers ist. Ich würde gerne die Frage beantwortet haben, was das für die Einheit von Forschung und Lehre bedeutet; denn Professorinnen und Professoren brauchen nach meinem Verständnis von Hochschulbildung auch entsprechende Infrastruktur, um forschen zu können.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE] – Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Die lehrenden Professoren bleiben ja an ihren Hochschulen!)
Zum Dritten ist Ihr Antrag – und das ist das, was es uns mit Abstand am einfachsten macht, ihn abzulehnen – finanziell auf Sand gebaut. Bei Ihrem Vorschlag, die Finanzierung aus den Erasmus+-Mitteln zu leisten, dachte ich erst, ich hätte mich verlesen.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ja, nicht in Ordnung!)
Sie wissen, dass die Verdreifachung der Erasmus+-Mittel eine Forderung ist, die wir erhoben haben, die aber von den anderen Regierungen abgelehnt wurde. Das heißt, wir wissen: Sie wird de facto momentan nicht kommen.
Sie schlagen vor, diese Universität aus Erasmus+-Mitteln zu gründen. Das heißt, Ihre Universität geht zulasten der reellen Auslandserfahrung, der Begegnung, die nach meiner Erfahrung – und ich glaube, auch der der Erasmus-Babys, die Sie angesprochen haben, oder, besser gesagt, der Eltern dieser Babys – so viel ausmacht. Mehr Europa in der Hochschulbildung, das lebt vor allem vom persönlichen Austausch, das lebt von Begegnung, die nicht vor Bildschirmen stattfindet.
Darum, meine Damen und Herren, werden wir nicht weiter Fantasiewesen wie eierlegenden Wollmilchsäuen hinterherjagen, sondern Politik für die Menschen machen, also das, was umsetzbar ist.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der FDP)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Nicole Gohlke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7475808 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Hochschullehre |