Stefan LiebichDIE LINKE - Übereinkommen zu steuerabkommensbezogenen Maßnahmen
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn die sogenannte unsichtbare Hand des Marktes machen kann, was sie will, dann versteckt sie für internationale Konzerne deren Gewinne, verschiebt sie von einem Land ins andere, nur damit diese nicht wie normale Leute Steuern bezahlen müssen.
Nun haben sich die Regierungen von 100 Ländern abgesprochen, die das nicht mehr länger erlauben wollen. Sie wollen künftig eine gemeinsame Linie verfolgen, was Besteuerung betrifft, um diesen Diebstahl – anders kann man es nicht nennen – zu verhindern. Ja, dafür braucht es die fühlbare und starke Hand des Staates.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Abkommen, über das wir gleich entscheiden werden, versucht das. Das ist überfällig, das ist gut, und dazu kann man nicht Nein sagen, und das werden wir auch nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber das war es auch schon mit dem Lob. Ich habe drei Kritikpunkte:
Erstens. Was Sie uns hier vorlegen, kommt viel zu spät. 2017 wurde unterschrieben. Über die Hälfte der Länder hat das Abkommen bereits ratifiziert und setzt es um. Jetzt kommt endlich auch Deutschland. Ich habe im Ausschuss gefragt: Warum hat es so lange gedauert? Da wurde gesagt, das sei halt so kompliziert.
Zweiter Kritikpunkt. Was Sie uns hier vorlegen, ist viel zu wenig. Nur 14 von 100 Ländern, mit denen Sie sich geeinigt haben. So wird das nichts mit der starken Hand; das ist eher ein weiches Pfötchen.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Ich möchte auf einen Punkt zu sprechen kommen, der leider viel zu wenig eine Rolle spielt. Internationale Zusammenarbeit, die Allianz der Multilateralisten, Globalisierung, alles das ist offenbar für die Bundesregierung nur so lange wichtig, wie es der deutschen Exportwirtschaft nützt. Der Sachverständige Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit – Herr Güntzler, es gab auch Kritik in der Anhörung
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Aber nicht von den Fachleuten!)
– hat das in der Anhörung wie folgt übersetzt: „… wenn ein Entwicklungsland zu uns kommt und mehr Besteuerungsrechte haben möchte, dann kriegen sie die nicht, denn sie haben nicht die nötigen Druckmittel.“ Das ist Egoismus, und so wird das international auch bewertet.
(Beifall bei der LINKEN)
Vor wenigen Tagen hat die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, UNCTAD, ihren diesjährigen Bericht zur wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika veröffentlicht: Durch grenzüberschreitende Finanzflüsse gehen den Ländern des Kontinents 90 Milliarden US-Dollar verloren. Das ist fast genauso viel wie die Summe aller ausländischen Investitionen und der gesamten offiziellen Entwicklungshilfe. Auch Deutschland stiehlt hier Steuereinnahmen, und das hat tödliche Konsequenzen. In Sierra Leone beispielsweise, einem der Länder mit der höchsten Kindersterblichkeit, könnten wir, wenn wir diesem Land genug Steuern lassen würden, jedes Jahr 2 322 Kindern das Leben retten. Diese „Finanzströme berauben Afrika und seine Menschen ihrer Perspektiven“, hat UNCTAD-Generalsekretär Mukhisa Kituyi gesagt. Und die deutsche Steuerpolitik trägt massiv dazu bei, nur um die deutsche Exportwirtschaft zu unterstützen – das kann nicht unsere Zustimmung finden.
(Beifall bei der LINKEN)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Uwe Kekeritz das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7475820 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Übereinkommen zu steuerabkommensbezogenen Maßnahmen |