08.10.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 16

Albrecht GlaserAfD - Bundeswahlgesetz (Größe des Bundestages)

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Macht hat, braucht keinen Verstand,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

hat ein kluger Mensch gesagt;

(Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Besser als Leuten Macht zu geben, die keinen Verstand haben!)

denn die Macht dominiert den politischen Prozess. Das Drama Wahlrechtsreform in dieser Legislaturperiode ist beredter Beleg hierfür. Die ausgefallene Wahlrechtsreform ist symptomatisch für das gesamte Regierungshandeln seit 2017: keine Reform.

Drei Jahre haben die Regierungsparteien erfolgreich jede Reform verhindert, und das jetzt zusammengenagelte Stückwerk ist keine Reform.

(Beifall bei der AfD)

Der Verhinderungshebel war stets der Mythos um das Direktmandat. Obwohl insbesondere die Union nichts mit direkter Demokratie anfangen kann,

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

erklärt sie das Direktmandat zum demokratischen Kultgegenstand – also pure Taktik.

Wie funktioniert das Direktmandat? Während die FDP zum Beispiel für ein Listenmandat 70 000 Stimmen benötigt, benötigt die CDU für ein Direktmandat nur 35 000 Stimmen. Wenn es sich bei dem CDU-Mandat um ein Überhangmandat handelt und die gleichen Wähler mit der Zweitstimme die CDU wählen, haben sie ein doppeltes Stimmgewicht, und da sie das Direktmandat zum halben Stimmzahlpreis erhalten hat, haben sie sogar ein dreifaches Stimmgewicht.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wie Sie mit den Rechenkünsten Kämmerer von Frankfurt werden konnten, ist mir echt ein Rätsel!)

Ein professoraler Gutachter schreibt: „Diese … Direktmandate sind also diejenigen Mandate … hinter denen die mit Abstand geringste Anzahl von Wählern steht“. – So viel zu dem Mythos!

(Beifall bei der AfD)

Der Teufel steckt in der relativen Mehrheit, die ausreicht, um ein Direktmandat zu gewinnen. Als es in Deutschland nur drei Parteien gab – in den 50er-Jahren bis etwa in die 80er-Jahre – und nur zwei davon Direktmandate erwerben konnten, war alles anders. Damals hatte jeder erfolgreiche Direktbewerber eine einfache Mehrheit. Heute gilt das nur noch für 13 Direktmandate, und 60 Prozent der Direktmandate wurden mit weniger als 40 Prozent der Wahlkreisstimmen vergeben, also gegen eine Mehrheit der Wahlkreiswähler von 60 Prozent.

Der Kollege Heveling lässt medial verbreiten, durch den Vorschlag der Koalition würde der nächste Bundestag eine merkliche Dämpfung des Wachstums erfahren.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Eine Dämpfung des Wachstums, nicht eine Größenreduktion!

Ich zitiere die Sachverständigen. Einer der Sachverständigen schreibt: „Nach aktueller Umfragelage … könnte der vorliegende Gesetzentwurf … zu einer Bundestagsgröße von bis zu 750 Mandaten führen“. Ein anderer erklärt, dass er bereits eine Wette abgeschlossen hat, dass der Bundestag 2021 nach der Regierungsnovelle mehr Sitze haben wird als der heutige. Ein dritter schreibt: „Der Gesetzentwurf ist auf ganzer Linie als gescheitert zu betrachten“. Eine sehr renommierte vierte Gutachterin schreibt: „Der vorliegende Gesetzentwurf unterliegt an mehreren Stellen … verfassungsrechtlichen Bedenken“. Noch klarer resümiert ein Kollege: „Eine weitere Verfolgung des vorliegenden Gesetzentwurfes kann … nicht empfohlen werden …“.

In dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes von vor zwei Tagen steht drin, das negative Stimmgewicht drohe auch wieder, und es sei überhaupt gar nicht rechenbar, weil schon die Gesetzesformulierung gar nicht rechenbar sei.

Einen solchen Totalverriss einer Gesetzesnovelle durch Sachverständige habe ich – und vielleicht viele andere auch – während der letzten drei Jahre nicht erlebt.

(Beifall bei der AfD)

Was tun? Ein professoraler Sachverständiger führt aus: Wer die personalisierte Verhältniswahl beibehalten will – und das wollen eigentlich alle –, der muss das Anrecht auf ein Bundestagsmandat von Bewerbern, hinter denen nur eine deutliche Minderheit der Wähler eines Wahlkreises steht, einschränken.

Damit sind wir beim beigefügten Gesetzentwurf der AfD. Der AfD-Vorschlag löst alle Probleme. Nach ihm gibt es keine Überhang- und keine Ausgleichsmandate mehr, alle Wahlkreise bleiben erhalten, und der Bundestag hat, wie im Gesetz schon heute festgelegt, 598 Mandate.

Nebenbei – Frau Präsidentin, ich komme zum letzten Satz – geht es auch um viel Geld. Rund 200 Millionen Euro Einsparung für die nächste Legislaturperiode sind gegenüber der Schuldenpolitik zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, für das politische Ansehen unserer Demokratie jedoch ein Meilenstein.

(Marc Henrichmann [CDU/CSU]: Darüber machen Sie sich Sorgen?)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Özdemir das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7475827
Wahlperiode 19
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Bundeswahlgesetz (Größe des Bundestages)
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